Kleiner Etappensieg

Abtreibungsverbot Am Freitag stimmte der Bundestag für die Abschaffung von § 219a StGB. Dieser regelte das „Werbeverbot“ von Abtreibungen. Es ist ein erster Schritt, doch der Kampf geht weiter: § 218 und § 219 StGB müssen komplett abgeschafft werden.

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Nun wurde es also gekippt. Am Freitag stimmte der Bundestag darüber ab, ob § 219a des Strafgesetzbuches (StGB) getrichen werden soll. Dieser Paragraf regelte das Verbot, dass Ärzt*innen für Schwangerschaftsabbrüche „werben“ durften, also beispielsweise Informationen auf ihrer Website zur Verfügung stellen durften. Neben den Regierungsparteien SPD, Bündnisgrünen und FDP stimmte auch die Linksfraktion für die Aufhebung des Verbots. Sowohl die Unionsparteien als auch die AfD stimmten dagegen. In den vergangenen Jahren wurden immer wieder Ärzt*innen angeklagt, die eben jene Informationen zur Verfügung stellten, darunter auch Kristina Hänel, die seither für die Aufhebung kämpfte. Feministische und Menschenrechtsgruppen feiern den Erfolg als „historischen Sieg“ und Errungenschaft zur Verteidigung der Frauen- und Menschenrechten. Befürworter*innen der Aufhebung, darunter Marco Buschmann von der FDP, sprachen von einem Relikt aus vergangener Zeit. Nichtsdestoweniger darf nicht darüber hinweggesehen werden, dass lediglich das „Werbeverbot“ aufgehoben wurde. So wurde § 219b StGB nicht angetastet, der das Verbot regelt, dass niemand „Mittel oder Gegenstände“ zur Verfügung stellen darf, die gegen § 218 StGb: Schwangerschaftsabbrüche sind nämlich nach wie vor verboten.

Die Abschaffung von § 219ab StGB kann daher nur als erster, kleiner Schritt verstanden werden. Zwar regelt § 218a StGB die „Straflosigkeit“ des Schwangerschaftsabbruchs. Diese bezieht sich jedoch nur darauf, wenn die Schwangere sich zwangsberaten lässt und die Schwangerschaft nicht älter als zwölf Wochen ist. Man kann also eher von einer bedingten Entkriminalisierung sprechen, denn die Strafbarkeit, die seit mehr als 100 Jahren in Deutschland Bestand hat, bleibt unangetastet. Doch auch Kämpfe dagegen gab es seit mehreren Jahrzehnten, in der Mehrheit von Sozialist*innen und Kommunist*innen. § 219 StGB und § 220 StGB wurde damals von den deutschen Faschist*innen eingeführt, wonach es bis heute gedauert hat, das zu revidieren - wobei § 219b StGB weiterhin bestehen bleibt. Dass Konservative und Rechte mit erzreaktionären und traditionellen Argumente nun dagegen Sturm laufen, ist genauso wenig verwunderlich wie das weiterhin zögerliche Handeln von Bürgerlichen, die den wichtigen Paragrafen 218 StGB nicht antasten wollen. Das Narrativ des „Schutzes vom ungeborenen Leben“ scheint inoffizielle Staatsdoktrin der BRD zu sein, die einerseits die bürgerliche Moral widerspiegelt und darauf aufbauend andererseits die inhärente Frauenfeindlichkeit.

Verbot von Abtreibungen ist immer ein Kampf gegen die Frauen. Das Selbstbestimmungsrecht über den eigenen Körper findet bei Frauen dort ihre Grenzen, wenn es um das „ungeborene Leben“ geht. Wenn sich nun als Politiker*innen und Organisationen dafür feiern, das „Werbeverbot“ aufgehoben zu haben, doch das Abtreibungsverbot per se nicht antasten wollen, handeln sie heuchlerisch und nur vordergründig für die Rechte der Frauen. Dabei führen Verbote nicht zu weniger Abtreibungen, sondern nur zu unsicheren Wegen, diese einzuleiten. Das Wohl und die Sicherheit der Frau wird dadurch in Gefahr gebracht, wonach das Narrativ des „ungeborenen Lebens“ nur eines bedeuten kann: Das Recht des ungeborenen Kindes wiegt höher als das der Frau. Wenngleich es Staaten gibt, in denen es restriktivere Abtreibungsverbote gibt, ist das kein Grund, nicht sehen zu wollen, dass auch die BRD in dieser Hinsicht noch einem Traditionalismus verfallen ist, der schon längst hätte überwunden werden muss. Dass eine Liberalisierung in die Richtung nicht deterministisch, zeigt die etwas gleichzeitige Entscheidung des Supreme Court in den Vereinigten Staaten, der das Recht auf Abtreibung massiv einschränkte. Der Kampf für die Rechte der Frauen hört daher nicht im eigenen Land auf, sondern ist ein internationaler.

Was gilt es nun zu tun? Die Kämpfenden dürfen sich nach diesem Etappensieg in der BRD nicht ausruhen, sondern müssen noch intensiver für die Rechte der Frauen einstehen. Abtreibungen sind ein Menschenrecht, und diese Entscheidung obliegt einzig der Person, die schwanger ist. § 218 und § 219 StGB müssen komplett wegfallen und durch eine Regelung ersetzt werden, die das Selbstbestimmungsrecht des Körpers und die Entscheidungsfreiheit der Frau an oberste Stelle setzen. Verpflichtende Beratungen müssen fallen, wenngleich die Stellen weiterhin gebraucht werden, um den Frauen eben bei ihrer Entscheidung behilflich zu sein, ohne jedoch eine ideologische Agenda zu verfolgen. Weder der Staat, der Arzt noch der, der die Frau schwängerte, dürfen eine Gewalt über diese Entscheidung haben. Sichere und unkomplizierte Zugänge zu Schwangerschaftsabbrüchen müssen obligatorisch und selbstverständlich werden. Um ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden, wäre es auch notwendig, entsprechende Informationen bereitzustellen sowie Verhütungsmittel für alle Geschlechter und alle Altersklassen kostenlose zur Verfügung zu stellen. Das ist der einzige Weg, denn jede andere Abweichung, die das Recht der Frau auf irgendeine Art einschränkt, ist nicht anders zu bewerten als blanke Misogynie.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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