Allzudeutsche Antideutsche

Strömung Die Antideutschen sind ein zutiefst deutsches Phänomen, die sich zur radikalen Linken zählen. Im Kern sind sie jedoch akademisch und kleinbürgerlich. Eine Betrachung.

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Es muss zu Beginn konstatiert werden, dass die Strömung der Antideutschen durchaus heterogen ist und in ihrer geschichtlichen Entwicklung dichotome Entwicklungsgrade durchmachte. Die Ursprünge lassen sich wesentlich auf die sogenannte Wende datieren. Als dezidierte Gegner*innen der Annektion der Deutschen Demokratischen Republik postulierten sie „Nie wieder Deutschland“, was damals durchaus einen dialektisch relevanten Kern beinhaltete. Ein Erstarken des deutschen Imperialismus durch den faktischen Betritt der DDR in den Geltungsbereich der BRD verursachte besonders bei polnischen und französischen Staatsvertreter*innen Unbehagen. Dem Umstand geschuldet, dass sich die BRD-Bourgeoisie nie wirklich mit der Anerkennung der Oder-Neiße-Linie abfinden konnte, war die Angst in Polen präsent, dass die BRD Geltungsansprüche erheben würde. Die Besorgnis der jungen antideutschen Bewegung war durchaus berechtigt und wurde bestätigt: Die radikale Rechte erstarkte in den 1990er Jahren kontinuierlich und wurde durch die neue BRD-Regierung untermalt, welche schlechterdings die Asylgesetzgebung verschärfte. Das „Nie wieder Deutschland“ war primär gemünzt auf eine radikale Absage eines erstarkten Deutschlands, einer imperialistischen Macht, die sich der EU bemächtigte, um ihren globalen Anspruch zu erheben. In dieser Stringenz bewahrheitete sich die Besorgnis durchaus, wenngleich die EU unter BRD-Führung nach wie vor eine transatlantische Abhängigkeit unterworfen ist. Heute geht es nicht mehr um Gebietsansprüche, denn die EU machte jene obsolet. Diese dezidierte Deutschland-Kritik war hiernach radikal und strukturell antiimperialistisch dahingehend, den spezifisch deutschen Nationalismus abzusagen.

Doch bereits 1990 wurde eine neue Ausrichtung deutlich. Als selbsternannte radikale Linke befürwortete sie den Angriff der Vereinigten Staaten im Zweiten Golfkrieg und begründete es mit dem Faschismus. Die Faschismus-Definition der Antideutschen ist eine zutiefst undialektische und idealistische, die in ihrer Konsequenz die reale Gefahr hinter dem Faschismus negiert. Er wird begriffen als der deutschen Bevölkerung inhärente wohnendes Moment, welches in der Individualisierung anderer realer oder vermeintlicher Diktatoren und Massenmörder stets als „Hitler-Vertretung“ betrachtet wird. Saddam Hussein wurde mit Adolf Hitler beispielsweise verglichen. Diesem Narrativ bediente sich später auch Joschka Fischer, der beim Angriff auf Jugoslawien meinte, man wolle ein zweites Auschwitz verhindern. Die Brutalität und das Grauen des Faschismus und der Shoa sind in der antideutschen Strömung zentrale Motive, die bei näherem Betrachten allerdings eine Aufarbeitung nicht zulassen und letztlich ein Narrativ aufgreift, dass die Sprache der Rechten bedient.

Die Auseinandersetzung in der Linken in den 1990er Jahren waren daher begleitet durch den Bellizismus der Antideutschen und der Entwicklung eines politischen Philosemitismus, der durch den Antisemitismus seine Relevanz zieht. Die deutsche Besonderheit dieser Entwicklung ist in der Geschichte begründet. Die Shoa und die Massenvernichtung der jüdischen Bevölkerung ist bis heute eng verbunden mit dem deutschen Staat resp. seiner Geschichte und hiernach auch nicht wegzudiskutieren. Die Frage ist allerdings, wie mit diesem schweren Erbe umgegangen wird, besonders als Linke. Es steht die Frage im Raum, weshalb Auschwitz geschah, ob man den industriellen Massenmord an Menschen historisch-materialistisch begründen kann. Es ist nicht die Aufgabe der Linken, nachzuzeichnen, wie es zu dieser Barbarei kommen konnte, sondern die Aufgabe besteht darin, das Geschehene aufzuarbeiten. Die Aufarbeitung und das Verstehen der Shoa, womit sich die antideutsche Strömung brüsk, die Speerspitze zu sein, welche mit einer bedingungslosen Solidarität mit dem israelischen Staat einhergeht und eine Negation des deutschen Staates beinhaltet, hat jedoch rein gar nichts mit einer linken Aufarbeitung zu tun.

Es ist das spezifisch deutsche Ultralinkstum, quasi die „Kinderkrankheit der deutschen Linken“. Und es ist auch nicht unverständlich: als junge Linke antifaschistisch aktiv zu werden bringt einen unweigerlich mit der Shoa in Verbindung und die Notwendigkeit des Antifaschismus wird dadurch bestärkt. Die Gefahr, dem antideutschen Narrativ zu verfallen, ist immens groß und es wirkt anfänglich schlüssig und nachvollziehbar. Die Emotionalisierung der Shoa tut dabei ihr Übriges. Und natürlich wird man wütend. Natürlich hegt man Groll. Wenn man aufarbeitet, welches Grauen sich hinter Auschwitz befindet, ist es unmöglich, sich der Emotionen zu verweigern. Die antideutsche Strömung instrumentalisiert diese Vulnerabilität des Moments und liefert die Erklärung, der Faschismus der Deutschen ist der Deutsche an sich. Während sie einerseits den Rassismus der Faschist*innen aufs Schärfste verurteilen und die Gleichheit der Menschen propagieren, ethnotisieren sie die Deutschen als kollektives Tätervolk. Diese Taktik spricht sie frei davon, die Entwicklung zu erklären, denn die Shoa ist ein in dieser Logik ein natürliches Produkt des Deutschseins.

In Anlehnung an die poststrukturalistische Sprachidealisierung konnotieren sie bestimmte Begriffe antisemitisch. Es kommt nicht von ungefähr, dass besonders proletarische Begriffe darunter fallen und der Marxismus letztlich entwaffnet werden soll. Denn obgleich es Antideutsche gibt, die sich als Kommunist*innen bezeichnen, verstehen sie sich nicht als orthodoxe Marxist*innen, sondern als Anhänger*innen eines „westlichen Marxismus“, der dem wissenschaftlichen Sozialismus jedwede Schärfe raubt. Antideutsche sind der Wurmsatz einer akademischen Linken, die die Revolution nicht der Arbeiter*innenklasse anvertraut, sondern dem Wort. Deutsche Proletarier*innen sind in ihrem Weltbild ohnehin faschistisch und der reformistische Kampf um soziale Gerechtigkeit erfährt besonders dann von Antideutschen einen Widerstand, wenn Begriffe oder Symbole verwendet werden, die sich einen vermeintlichen Antisemitismus bedienen. Der Schwerpunkt der revolutionären Linken, die Kapitalismuskritik und hiernach auch die Kritik am Imperialismus, wird von den Antideutschen nicht geteilt, da sich die Strömung in ein vermeintliches Dilemma manövrierte. Ihre unabdingbare Solidarität mit Israel und den Vereinigten Staaten macht sie unweigerlich zur Verteidigerin zweier imperialistischer Staaten. Grundelemente des Antiimperialismus oder des genuinen Antikapitalismus greift ihrem Wesen nach unweigerlich ökonomisch, politische und historische Elemente der bürgerlichen Staaten an, hier eben auch der USA und Israel. Doch freilich sind die Antideutschen nicht müde, selbst den Kapitalismus und Imperialismus anzugreifen, wenn es sich um jene Staaten handelt, die offensiv Israel und die USA attackieren. Somit ist der Iran ein imperialistischer Staat.

Doch zurück zu Auschwitz. Die Entwicklung des Bewusstseins nach Auschwitz ist unabdingbar und in der Geschichte der Linken in Deutschland eine holprige gewesen. Bis zum sogenannten Sechs-Tage-Krieg zwischen arabischen Staaten und Israel gab es einen Konsens, der die Verteidigung des israelischen Staates beinhaltete. Doch eine ernstzunehmende Linke kann eine Solidarität mit einem bürgerlichen nur zu einem gewissen Grad aufrechterhalten. Die allgegenwärtige Israel-Frage der Linken nach Auschwitz stand 1967 vor demselben Punkt, jedoch freilich in einem anderen Verhältnis: Die Konsolidierung des bürgerlichen Staates in Israel fand 1967 seinen ersten Höhepunkt, der den imperialistischen Kern offenbarte. Die Kontroverse, die sich um den Staat Israel auftut, ist ebenso ein Produkt der deutschen Geschichte. Die unabdingbare Solidarität durch die Antideutschen zieht ihre Legitimation einerseits aus der BRD-Staatsraison und andererseits aus der Lehre nach der Shoa. Diese Lehre kulminiert allerdings nicht in einer politisch-ökonomischen Betrachtungsweise, sondern eines akademisierten Idealismus. Obgleich Adorno und die Frankfurter Schule gewiss nichts mit der antideutschen Strömung gemein haben, taten sie durch ihre Philosophie ihr übriges, dieser Strömung posthum eine Ideologie zu bieten. Die psychische und philosophische Aufarbeitung der Frankfurter*innen der Shoa bietet hierbei keinen materialistischen Ansatzpunkt, sondern verfällt der Hegelei und bedient sich einen vulgärmarxistischen Diskurses, der die Entwaffnung vorwegnahm.

Erst jüngst gefundene Schriften Adornos zur Frage der Revolution zeigen ein anderes Bild, bei dem der gewaltsame Umsturz durchaus begrüßt wird, allerdings ist die Sache eine komplexerer: Die Frankfurter Philosophie nach Auschwitz ist die radikale Negation jedweder Philosophie. Jedoch nicht im marxistischen Sinne, welche die Philosophie als Philosophie aufgehoben werden muss, sondern in der Vulgarisierung der Philosophie an sich. Diesen Diskurs haben sich die Antideutschen angeeignet und stehen hiermit in bester Tradition mit anderen postmodernen Philosophien, die den dialektischen Materialismus formal negieren. Diese Entwicklung ist wichtig, um die Zeit nach Auschwitz zu verstehen. Auschwitz als Symbol eines unbeschreiblichen Verbrechens dient der antideutschen Strömung hierbei nicht als Mahnung, selbiges nie wieder geschehen zu lassen. Die erwähnte Emotionalisierung der Shoa macht eine rationale Herangehensweise unmöglich und bedient sich einer vermeintlichen Dialektik, die in sich geschlossen jedoch mechanisch ist und ironischerweise sich selbst als Dialektik auflöst. Es muss so genannt werden: Die Aufarbeitung der Shoa ist ein kollektives Versagen der Linken. Begründet ist das in dem Versagen der traditionellen Instrumente und des Antisemitismus an sich.

Die Entstehung des Antisemitismus ist materialistisch begründbar und nachzuzeichnen, doch die Barbarei, die sich entwickelte, lässt eine dialektische Betrachtungsweise nur ansatzweise zu. 76 Jahre nach Auschwitz steht die Frage im Raum, warum Auschwitz sein konnte. Die Linke gibt darauf keine Antwort, und wenn sie eine gibt, dann ist es ein Widerspruch zwischen sozialpsychologischen, ökonomischen und teils philosophischen Elementen. Die antideutsche Strömung indes hat ebenso keine Antwort auf Auschwitz, doch es gelang ihr, das Thema bis heute zentral zu besetzen. Diese faktische Instrumentalisierung der Shoa verunmöglicht bis heute eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Auschwitz und der Shoa, weil sich die Grabenkämpfe innerhalb der Linken nicht entemotionaliseren lassen. Wie man es absolut nicht macht, bewiesen die RAF-Terrorist*innen der ersten Generation, besonders Ulrike Meinhof, die während des Sechs-Tage-Kriegs von den Himmlers und Hitlers Israels sprach und Palästina mit den Ghettos Warschaus verglicht. Diese Dichotomie ist absolut tödlich und spielt der antideutschen Beanspruchung der Thematik wunderbar in die Hände.

Dabei ist das theoretische Muster der Antideutschen äußerst fragil. Die Erklärung des Faschismus als dezidiert deutsches Phänomen und hiernach daraus gezogene Forderungen, welche jedweden Kollektivismus angreifen, mag zwar so stehen. Doch die Selbstbeschreibung eines objektiven Dings lässt durchaus eine von außen herangetragene Betrachtung zu. Will heißen: primär mag die Forderung, Deutschland abzuschaffen und die Solidarität mit Israel hochzuhalten, vulgaristisch betrachtet seinen Zweck erfüllen. Doch befleißigt sich man der Dialektik, erweist sich diese vermeintliche Deduktion als diametral. Anknüpfend an die obskur Faschismus-Definition. Der daraus gezogene Philosemitismus, d. h. das Gegenstück zum Antisemitismus, ist ohne eben jenen Antisemitismus nicht zu denken. Die von der antideutschen Strömung kolportierte Solidarität mit Israel ist eng verbunden mit einer hierarchischen Betrachtungsweise des Judentums. Dabei greifen sie das antisemitische Muster der Einteilung der Jüd*innen auf und kehren es philosemitisch um. Denn schlechterdings beinhaltet der antideutsche Philosemitismus nicht eine grundsätzlich positive Haltung zum Judentum, sondern abstrahiert sie anhand politischer Erwägungen. Zentraler Anker ist hierbei der bürgerliche Staat Israel. Es ist der jüdische Bürger des israelischen Staates, dem sich der Antideutsche zu verteidigen wissen fühlt und entzerrt hierbei die eigens propagierte Gleichheit und ist in bester Tradition der antisemitischen Feinde: Wer Jude ist, bestimme ich.

Dabei greifen sie einen Trick auf, der sich fabelhaft in den Deutschlandhass einreiht. Oppositionellen Israelis oder jüdischen Kritiker*innen der israelischen Politik wird das Judentum nicht abgesprochen, wohl aber das Recht, sich darauf positiv zu beziehen. Ein häufig genutztes Argument ist hierbei der „Selbsthass“, wonach jüdische oder israelische Kritiker*innen im Kern sich selbst negieren, da Israel die staatliche Ausprägung des Judentums an sich sein sollte. Die Vermengung des heterogenen Judentums, des Staates Israels und weitergehend auch des Zionismus zu einem homogenen Block greift hierbei jene strukturell antisemitischen Muster auf, welche Antideutschen jenen immer vorwerfen, die diese Abstraktion negieren. Es ist die kritische Schlussfolgerung, die hier aus der Shoa gezogen wird: die Zementierung des Antisemitismus bei seiner gleichzeitigen Negation. Die Dialektik, die sich hier versteckt, ist das Totalversagen und das Negieren der Linken, den Antisemitismus als Widerspruch im Klassenkampf aufzugreifen. Hier entpuppt sich die antideutsche Strömung den deutschen Antisemit*innen als sehr viel näher stehend als ihnen wohl genehm sein sollte. Die Umkehrung des Moments, das heißt der Sprung vom Anti- zum Philosemitismus ist dialektisch die logische Konsequenz der Judenvernichtung, welche in Israel seine Verwirklichung findet. Kontroversen und Provokationen innerhalb der Linken sind hierbei vorprogrammiert, doch schlechterdings geht es hier nur vordergründig um die alldeutsche Israel-Frage. Israel steht hier als gegenwärtiges Symbol und Instrument zur Niederschlagung einer materialistischen Aufarbeitung und historischen Einordnung der Shoa und des deutschen Faschismus. Dadurch, dass sich die antideutsche Strömung als Speerspitze der Kritik am deutschen Antisemitismus hergibt, ist sie auch in der Position, zu entscheiden, was Antisemitismus ist und was nicht. Jedwede Kritik daran wird weggebügelt und diese Kritik kommt mehrheitlich von der radikalen Linken.

Dabei wird bei Ausschlachtung der proletarischen Geschichte jeder historische Kontext ignoriert, wenn Zitate von Marx, Engels oder Mehring herangezogen werden, die einen antisemitischen Unterton haben sollten. Das ist auch der Schlüsselpunkt, weshalb antideutsche vehement darauf bestehen, den sogenannten „frühen Marx“ zu rehabilitieren bei Negation des Klassenkampfes und des revolutionären Subjekts. Es kommt nicht von ungefähr, dass die antideutsche Strömung sehr viel mehr am junghegelianischen Marx Gefallen finden als am Kommunisten Marx. Die Vermengung zwischen Kapitalismus und Judentum entstand bedingt durch objektive und subjektive Bedingungen und hiernach entwickelte sich auch die Problematik der Gleichsetzung Antisemitismus und Kapitalismus. Marx selbst schrieb in dieser Frage ebenfalls von der Emanzipation der Juden als Bedingung zur Überwindung des Kapitalismus. Diese mechanische Betrachtungsweise des Antisemitismus als inhärent mit dem Antikapitalismus stehend verunmöglicht die Hinwendung zur klassenlosen Gesellschaft. Die antideutsche Strömung setzt diese ebenso mit dem Kollektivismus gleich, welchen sie als rein faschistisches Element denunzieren und somit im Kern jeden Grundgedanken des Kollektivismus jeder Farbgestaltung ablehnen. Die strikte Individualisierung ist im Mittelpunkt und hiernach auch die Bejahung einer Ökonomik, die eine kollektive Kontrolle der Wirtschaft ablehnt. Gewisse Entwicklungen diverser antideutscher Strömungen, die sich dem rheinischen Kapitalismus öffnen und teils radikalliberale Äußerungen tätigen, ist hierbei keine Verwunderung.

Dass sich die antideutsche Strömung aus der Linken entwickeln konnte, lag an ihren Wurzel und den damals herrschenden Bedingungen. Doch links waren die Antideutschen nie, obgleich sie sich ultralinker Sprache und Aktivismen bemächtigen. Die Instrumentalisierung des Antisemitismus, der Shoa und der Entstehung der akademischen Post-Linken machen aus den Antideutschen eine kleinbürgerliche Bewegung, die sich einer idealistischen Aufarbeitung und Nie-Wieder-Apologetik der Shoa unterwerfen und in diesem Trott unweigerlich und anders als die radikale und revolutionäre Linke als natürliche Verbündete der BRD und ihrer bürgerlichen Regierung macht. Der vordergründige Hass auf Deutschland und die Forderung, jenen Staat aufzulösen ist einer Entwicklung geschuldet, die die Ideale des Nationalstaats und hiernach auch des Nationalismus verinnerlichten und als notwendiges Konstrukt erachten, um eine Ethnisierung zu erlangen. Es geht ihnen de facto nicht um die Auflösung des Staates Deutschland, sondern einer emotionalisierten Abneigung gegenüber der eigenen Geschichte, die einen Hass auf Deutsche projiziert, wie es die Antideutschen auf auch oppositionelle Jüd*innen projiziert: der Deutsche ist ein Faschist, gleich, ob Arbeiter oder Unternehmer und der Jude, der gegen Israel ist, ist selbst hassend. Wie mit jüdischen Deutschen umgegangen wird, eruiert dann in der Losung, dass ein jüdischer Deutsche, der Israel kritisiert, ein zu hassender selbst hassender Jude und Deutscher gleichermaßen ist, folglich steht das in der Hierarchie noch unter dem Deutschen an sich. Die Individualisierung des Terrors der Faschist*innen kulminiert hier in den provokativen Forderungen, Dresden zu bombardieren, nicht, um einen ökonomischen Schaden anzurichten, sondern dem Umstand geschuldet, die deutsche Bevölkerung auszulöschen.

Es ist ein Spiegelbild des auf den oppositionellen Juden projizierten Phänomens: Die undialektische und emotionalisierende Aufarbeitung und linke Politik nach Shoa ermöglichte erst die Entwicklung eines Selbsthasses und der Identifikation mit dem Judentum, freilich der Sympathie. Und es hat gewiss einen unangenehmen Beigeschmack, wenn der Deutsche sich einmal mehr erdreist, zu entscheiden, wer Jude sei und wer nicht und hierbei ist die selbsternannte antideutsche Strömung eine aus der radikalen, antinationalistischen Bewegung entstandene kleinbürgerliche Sekte, die es perfektionierte, linkes Vokabular zu übernehmen und den inneren Widerspruch konsequent nach außen trägt: die Antideutschen als sich selbst verstehende Linke erfahren kein Verständnis von den Linken und die Bürgerlichen vermögen die Antideutschen als Linke abzulehnen, gleichwohl sie das elementare eint, was die Staatsraison der BRD ist und das furchtbare Verbrechen, darüber zu richten, was Jude zu bedeuten hat.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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