Vehikel der herrschenden Klasse

Respekt Armut ist in der Bahn unerwünscht, Reichtum wird mit Bequemlichkeit belohnt und Soldat*innen fahren in Zukunft umsonst. Die Deutsche Bahn als Feld des Klassenkampfes

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Ein Bild, das es so ab dem Jahr 2020 nicht mehr geben wird
Ein Bild, das es so ab dem Jahr 2020 nicht mehr geben wird

Foto: imago images/Enters

Nun ist es offiziell. Deutsche Soldat*innen dürfen ab 2020 kostenfrei die Bahn benutzen. Zwar existieren bereits ähnliche Vereinbarungen wie Heimreisen. Mit diesem Schritt soll jedoch in den Worten Annegret Kramp-Karrenbauers von der CDU den Soldat*innen „Respekt und Dank“ gezollt werden. Angesichts dieser Worte hat sich binnen kurzer Zeit eine kontroverse Diskussion entwickelt, die die Gesellschaft weiter spaltet.

Die Verteidigung der BRD am Hindukusch wiegt nach den Vorstellungen der Bundesregierung anscheinend schwerer als beispielsweise die Zeit und Energie, die zum Beispiel Ärzt*innen und Feuerwehrleute in die Gesellschaft stecken. Ganz zu schweigen von den immer noch unter desaströsen Bedingungen arbeitenden Pflegekräften, deren Entlohnung es größtenteils gar nicht erlaubt, Fernzüge wie den ICE zu nutzen. Der ökonomische Faktor der Kostenfreiheit wird demgemäß nicht durch eine tatsächliche Schenkung ermöglicht, sondern mittel- bis langfristig in der Umverteilung nach unten. Daran unweigerlich geknüpft ist die parallel laufende Debatte über die Abschaffung der 1. Klasse in den Regionalzügen der Deutschen Bahn, die besonders von Bernd Riexinger, Vorsitzender Linkspartei, vorangetrieben wird.

Der Klassenantagonismus, beziehungsweise die unübersehbaren Unterschiede der Klassenstrukturen, wird in der Handhabung der öffentlichen Beförderung mehr als deutlich. Die Entscheidung, Soldat*innen ab dem kommenden Jahr eine kostenfreie Beförderung zu ermöglichen, treibt die soziale und ökonomische Spaltung weiter voran. Argumentiert wird mit der Erhöhung einer gefühlten Sicherheit, würden Soldat*innen in Uniform häufiger Bus und Bahn benutzen, was subkutan den diskursiven Charakter der politischen Entscheidung offenlegt. Es geht schlechterdings nicht nur um den Versuch einer weiteren Positivbesetzung des Patriotismus, sondern auch um ein Spiel mit der Law-and-Order-Dialektik, bei der die Bundeswehr als sicherheitspolitisches Vehikel transportiert wird.

Die schleichende Militarisierung wird durch diesen Erlass weiter vorangetrieben. Der daraus kolportierte „Respekt“ ist dabei die Verzahnung mit nationalistischen Versatzstücken, um den „Beruf“ des Soldaten in ein gesundes Licht zu rücken. Doch das Soldat*innentum ist nichts Positives, sondern Teil der herrschenden Klasse als Instrument zur Durchsetzung von innen- wie außenpolitischen Interessen. Die bedingungslose Unterwerfung des militärischen Komplexes des Nationalstaats wird mit Erlässen wie diesem belohnt. Damit macht die BRD deutlich, wohin die Reise gehen wird und welche hierarchischen Strukturen es zu etablieren beziehungsweise zu verteidigen gilt.

Verteidung der Klassengesellschaft

Das andere Schlachtfeld, auf dem sich die Deutsche Bahn und Politik befindet, ist die Verteidigung der Klassen. Forderungen, diese Unterscheidung zu überwinden, wird von der Deutschen Bahn mit der Möglichkeit des „Komfort“ konterkariert. Bequemlichkeit muss man sich hiernach leisten können. Dabei ist der Personenverkehr alles andere als ein für alle Gesellschaftsschichten erschwingliches Produkt. Besonders die arme Bevölkerung, welche aus finanziellen Gründen ein notwendiges Ticket nicht entrichten kann, wird dabei übermäßig bestraft. Etwa 7000 Menschen werden jährlich verknastet, weil sie weder das Ticket noch den Strafsatz bezahlen (können). Die obligatorisch jährlich steigenden Preise für Bahntickets stehen dabei diametral zur gesellschaftlichen und auch ökologischen Entwicklung.

Diese eng miteinander verknüpften Entwicklungen offenbaren das Bild der Politik, das von der Gesellschaft gezeichnet wird und verbreitet werden soll: Armut wird bestraft, Reichtum mit Bequemlichkeit hofiert. Dass sich die herrschende Klasse dieses Widerspruches nicht annehmen will, ist selbstverständlich, gehört es doch zur Grundausstattung eines jeden Abgeordneten des Deutschen Bundestags, Bus und Bahn mittels der Bahncard 100 kostenfrei zu nutzen. Die Klassenteilung ist dabei im eigensten Interessen in jeder Hinsicht. Und wer dieses Interesse mit der Waffe in der Hand zu verteidigen weiß, bekommt selbstverständlich ein Teil des Kuchens ab.

Die Deutsche Bahn ist ein profitorientiertes Unternehmen, sonach ist es in den Augen des Konzerns „sozialistische Gleichmacherei“, wenn gefordert wird, die 1. Klasse aufzugeben. Wovon gilt es dann zu sprechen, wenn der notwendige Schritt gefordert wird, Bus und Bahn zu vergesellschaften, um ihn für alle Bevölkerungsschichten unentgeltlich und bereitzustellen? Selektiv gilt ein kostenfreier ÖPNV bereits in Teilen Lettlands, Ungarns und bald im Großherzogtum Luxemburg. Diese Staaten sind alles andere als sozialistische Demokratien. Anstatt jedoch den ehrlosen „Beruf“ des Soldat*innentums schmackhaft zu machen, ist es Gebot der Stunde, eine antimilitaristische Doktrin zu erkämpfen und jenen Menschen „Respekt“ und „Dank“ anzuerkennen, die die Gesellschaft tagtäglich am Leben erhalten und Menschenleben rettet, statt es zu vernichten. Gleich,ob Doktor*innen, Sozialarbeiter*innen, Antifaschist*innen oder Pflegekräfte. Diese unsinnige Debatte, die wie ein Hilfeschrei des Sommerlochs anmutet, könnte sofort gelöst werden, doch das Interesse ist selbstverständlich diametral entgegengesetzt. Ein Land, das sich positiv auf Kurt Tucholsky bezieht, sollte sich mehr als einmal der historischen Entwicklung bewusst werden, das Soldat*innentum zu hofieren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden