Ein Blick auf den legitimen Widerstand

Meldeportal Die AfD hat das Online-Portal „Blick nach links“ ins Leben gerufen, um über „Linke Gewalt“ aufzuklären. Dahinter verbirgt sich nur eine weitere Propagandaschleuder

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Foto: John Macdougall/AFP/Getty Images

Die Alternative für Deutschland (AfD) hat mit dem Online-Portal „Blick nach links“ (Bnl) eine Seite ins Leben gerufen, um vermeintlich über den Linksradikalismus – im Duktus der AfD unter „Linksextremismus“ und „Linksterrorismus“ subsumiert – aufzuklären. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Beatrix von Storch kündigte großspurig an, mit der Website über die Geldgeber*innen, die Ideologie und weitere Verstrickungen in der politischen Linken aufzudecken. Georg Pazderski von der AfD Berlin pflichtete ihr bei und möchte über „extremistische Terrorist*innen, verblendete linksradikale Wohlstandskinder, rot-grün-dominierte Gesinnungsjournalist*innen, Kader und Nachwuchskräfte der Altparteien“ aufklären. Dass es sich hierbei schlechterdings nicht um eine Sammlung vermeintlich linker Gewalt im Allgemeinen handelt, sondern der Fokus auf der Auseinandersetzung mit der AfD als solche im Zentrum steht, wird gar nicht geleugnet. Pazderski fordert Gleichgesinnte auf, Informationen und Material zu sammeln, zu verbreiten sowie zu erstellen, um gegen „Hass und Hetze gegen die AfD“ aufzustehen. Bei näherer Betrachtung der versprochenen Informationen auf der Website wird man jedoch mit der üblichen Propaganda der Partei konfrontiert, die jegliche Standards vermissen lässt und einzig auf die Verbreitung ihrer Ideologie zugeschnitten ist. Es geht hier nicht um Aufklärung von vermeintlich linker Gewalt, sondern um Jammern auf allerhöchstem Niveau, weil man legitimen Widerstand erfährt. Gerade mit Hinblick auf die Hinrichtung des bürgerlichen Politikers Walter Lübcke wirkt dieses Portal zynisch.

Von Storch verspricht in ihrer Videoankündigung die Ideologie der „Linksextremen“ aufzudecken. Unter dem Reiter „Ideologie“ finden sich Texte über den Grünen-Politiker Ralf Fücks und sein „Zentrum Liberale Moderne“, über das Engagement von linken Kräfte in der Klimabewegung von „Fridays For Future“ und „Extinction Rebellion“ und ein reißerischer Artikel über den aufgelösten „Jugendwiderstand“. Einen Ausblick auf die Stoßrichtung der Website selbst findet man im Text „Arbeiterkampf adé“. Dort fährt die AfD das große Geschütz der „Extremismus-Theorie“ auf, lässt allerdings jedweden historischen Verstand vermissen. Der Erste Mai als Internationaler Kampftag der Arbeiter*innenklasse wird von der AfD als Produkt der deutschen Faschist*innen bezeichnet – und so nebenbei Sozialist*innen und Nationalsozialist*innen gleichgesetzt. Besonders scheint ihnen das „Myfest“ ein Dorn im Augen. Für Linke ist der Charakter des Maifests nicht unproblematisch, da es über die Jahre stark entpolitisiert wurde und nicht mehr der Kampf der Arbeiter*innenklasse im Zentrum steht. Für die AfD und Bnl ist das „Myfest“ jedoch nicht wünschenswert, weil es „von Migrant*innen betrieben“ werde. Daraus schlagen sie den großen Bogen der dialektischen Gleichsetzung der revolutionären Demonstrationen am ersten Mai und des unpolitischen Maifestes. Deutlich wird der strukturelle Rassismus in dem behauptet wird, die Bewohner*innen Berlins hätten weder Interesse an den linken Demos noch am „Myfest“ – dem „türkisch-bunten Straßenfest“, wie die AfD es beschreibt.

Wie sich die „linksextreme Ideologie“ nun genau definiert, bleibt die Website und die Partei genauso schuldig wie ihr großspuriges Versprechen, Netzwerke und Gelder offenzulegen. Ein Hauptaugenmerk liegt bei der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD), die entsprechend ihrer Größe vermögend ist. Zusätzlich wird der Jugendsender „funk“ vermeintlich unter die Lupe genommen. Exemplarisch werden Videos über Muslim*innen und nicht-heterosexuelle Beziehungskonstellationen herangezogen, womit sie subkutan die Propaganda verbreiten, es handele es sich hierbei um eine Teilstruktur der „Islamisierung“ und „Sexualisierung“ der BRD. In den Augen der AfD ist das selbstverständlich ein Produkt des „Linksextremismus“. Da es ist irrelevant, wenn sie stalinistische Kaderparteien wie die MLPD und aufklärerische und integrative Jugendvideos gleichsetzt. Sobald es gegen das traditionelle Familienbild, das Deutschtum, Heterosexualität sowie Maskulinität geht, wird eine Gefahr für das Land konstruiert.

Der „Kampf gegen links“ entpuppt sich als realsatirischer Versuch, die Ideologie und Propaganda der AfD objektivistisch nachzuzeichnen, um ein Bewusstsein für sie zu schaffen. Dabei wird der Begriff „Linksextremismus“ noch viel weiter gefasst als es der bürgerliche Verfassungsschutz ohnehin schon tut. Das hat absurde Äußerungen zu Folge – wie die von Storchs, wenn sie behauptet, „linke Extremist*innen“ könnten Jahrzehnte ohne Konsequenzen gegen den Staat agitieren. Beispielhaft erwähnt sie den G-20 Gipfel in Hamburg 2017, bei dem sie von vermeintlicher Straflosigkeit schwadroniert, obwohl der Staat und die Polizei äußert gewalttätig und teilweise die Menschenrechte ignorierend vorging. Das Bild vom „Linksextremismus“ ist in den Augen der AfD und Bnl stark verzerrt und vom eigenen Anspruch komplett zerfressen, bei dem bereits der als demokratischer Minimalkonsens verankerte Widerspruch einer politischen Meinung in eine „extremistische Handlung“ umgemünzt wird. Wer gegen die AfD agitiert und propagiert, ist in den Augen der Partei gleichzusetzen mit „linken Terrorist*innen“ und Teil einer Verschwörung, den deutschen Staat auf immer abzuschaffen. Wohin die Reise diesbezüglich geht, hat Wolfgang Gedeon von der AfD Baden-Württemberg eindrucksvoll dargelegt. In Bezug auf den Mord an Lübcke bezeichnete Gedeon den „rechtsextremistischen Terror“ „im Vergleich zum islamistischen […] und linksextremistischen“ als „Vogelschiss“.

Die AfD versucht, den Weg für eine protofaschistische Gesellschaft vorzubereiten. Die Äußerungen vereinzelter Politiker*innen und Mitglieder sind gezielte Provokationen am absoluten Rand, die Hand in Hand mit der Kriminalisierung der politischen Linken einhergehen. Protest und Widerstand gegen die AfD wird mit diesem Online-Portal versucht zu delegitimieren, um sich hinter der hier zur Floskel verkommeen Demokratie zu verstecken. Wie Sigmar Gabriel von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) jüngst im Deutschen Bundestag bekundete, ist es jedoch keine Straftat, „rechts“ oder „deutschnational“ zu sein. Das offen zu benennen muss eine Partei allerdings aushalten, wenn sie im Diskurs damit konfrontiert wird. In fast schon infantiler Stil einer beleidigten Leberwurst dreht die AfD den Spieß um und verankert auch nur den Hauch einer linken Orientierung in „Extremismus“ und „Terrorismus“. Wenn man die junge Parteigeschichte betrachtet, ist diese Entwicklung alles andere als verwunderlich. Nachdem mit Bernd Lucke 2015 und mit Frauke Petry 2017 der „moderate Flügel“ ausgeschaltet wurde, bleibt nicht mehr viel übrig, um als „gemäßigt“ wahrgenommen zu werden. Und der war ohnehin stets ein Feigenblatt, um im demokratischen Diskurs wahrgenommen zu werden. Doch den hat die AfD längst verlassen. Während sich der Rechtsterrorismus in der BRD immer deutlicher den Weg in die Öffentlichkeit erkämpft, positioniert sich die parlamentarische AfD gegen die Linke. Diese Entwicklung ist nicht singulär zu behandeln, sondern Produkt einer vielschichtigen Wechselbeziehung. Es geht mitnichten um eine Aufdeckung von „Linksextremismus“, sondern um die Delegitimierung des legitimen Widerstands gegen die AfD.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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