Die Selbstzerstörung

Politik Das Video von „rezo“ ist ein weiterer Beitrag zum Niedergang der Volksparteien. Für die junge Generation und die unten bieten sie keine Lösungen mehr an

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Manchmal ist man der Hund – und manchmal ist man der Baum
Manchmal ist man der Hund – und manchmal ist man der Baum

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Eigentlich wurde zum Video des YouTubers „rezo“ alles gesagt. Unter dem Titel „Zerstörung der CDU arbeitet er anhand nachvollziehbarer Fakten das Programm und die Realpolitik der Regierungspartei ab. Doch auch die Koalitionspartnerin bekommt ihr Fett weg.

Das folgende Krisenmanagement der Unionsparteien glich in den letzten Stunden einer kafkaesken Selbstzerfleischung. Zuerst sollte der rechtskonservative, aber jugendlich anmutende Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor ein „Gegenvideo“ produzieren – doch die CDU/CSU ruderte diesbezüglich zurück. Anstatt der jungen Generation einen kleinen Schritt entgegenzukommen, wurde in traditioneller Politiker*innenmasche „das Gespräch gesucht“. Der Generalsekretär Paul Ziemiak lud den YouTuber „rezo“ offiziell ein, um „miteinander zu reden“.

Zur selben Zeit veröffentlichte die Union eine offene Antwort, bei der sie erst gar nicht auf die Argumente und Kritiken einging, sondern die üblichen, elitären Phrasen abspielte. Wie es zur inoffiziellen Stellenbeschreibung eines Berufspolitikers gehört, wurde eine Rhetorik an den Tag gelegt, die die traurige parteipolitische Realität abbildet. Dass aber gerade diese artifizielle Übersetzung des politischen Willens für Überdruss bei der jungen Generation sorgt, scheint nicht weiter ins Gewicht gefallen zu sein. Die Unfähigkeit zu einer gescheiten Gegenreaktion passt dann auch zum Dahinsiechen der sogenannten Volksparteien.

Obwohl sich die Europäische Union als Hort des Wohlstands definiertwas von den regierenden Parteien dann auch unermüdlich kolportiert wird–,hat dieses Bild nur wenig mit den eigentlichen Zuständen zu tun. Dementsprechend wird wegen der EU-Wahl diesen Sonntag von nahezu allen Parteien rechts der Kommunist*innen ein Bild gezeichnet, das von Begriffen wie „Freiheit“, „Sicherheit“ und „Wohlstand“ nur so strotzt.

Die internationalen Krisen, die sich sowohl national als auch transnational niederschlagen, werden durch das eigene Versagen konterkariert. Mit Hinblick auf das Erstarken rechter und radikal rechter Parteien in BRD, Frankreich, Ungarn etc. kann man ein Beharren auf ein irrationales „Weiter so“ beobachten. Die aktuelle politische Ökonomie und der mit ihr einhergehende Marktradikalismus, die durch Politik und oberstes Prozent verwaltet werden, sorgen traumwandlerisch sicher für Phrasen und hilflose Alternativlosigkeit, wenn es um die Bekämpfung einer radikalen Rechten geht. Dass aber gerade diese Rechte die Geister, die man rief, sind, wird bis zur Lächerlichkeit geleugnet – besonders in Deutschland.

Doch das nimmt seit geraumer Zeit besonders die junge Generation kaum einem Politiker mehr ab. Die drohende Klimakatastrophe als logische Schlussfolgerung der kapitalistischen Profitgier ist mit ihren Folgen – untermauert durch zahlreiche wissenschaftliche Expertisen – bereits heute spürbar. Die Volksparteien haben derweil keine Antworten auf die von ihren selbst erschaffenen Probleme. Wie sollen sie auch? Ihre Position – gleich ob verbürgerlichte Sozialdemokratie, Liberalismus oder Konservatismus – besitzt keine andere Möglichkeit, als diese Barbarei der Ökonomie weiterzutreiben.

Doch Geschichte ist weder statisch noch mechanisch. Die fallenden Prozente bei Wahlen für die Volksparteien sind ein Zeichen dafür, dass besonders die junge Generation und die ganz unten keine Zukunft mehr in einer Politik sehen, die sich sogar weigert, auch nur einen minimalen wissenschaftlichen Konsens zur Debatte zu stellen. Jedes gesellschaftskritische Denken, besonders von jungen Menschen, wird elitär und überheblich abgewatscht. Diese kühle Distanz lässt Menschen nach Alternativen suchen, die sie nicht mehr in der parlamentarischen Demokratie finden. Die stets postulierte „Freizügigkeit“ und „Freiheit“ sind primär die Freiheit des Warenverkehrs und des Kapitals. Trotz des verstaubten Begriffs hat die Klassengesellschaft nach wie vor bestand, so lange es diese antagonistische Kräfte in der Gesellschaft gibt. Auch „rezoscheint das bewusst zu sein, wenn er sagt, bei der anstehenden EU-Wahl womöglich Linkspartei oder Bündnisgrüne zu wählen.

Doch ist es damit getan? Mitnichten. Denn auch die im bürgerlichen Parlament verankerte Linkspartei – die zwar ihren pluralistischen Charakter immer wieder betont – weiß auf die Fragen der Zeit keine wirkliche Antwort. Der außerparlamentarische Druck wird größer – sei es vonseiten der Arbeiter*innenklasse in Frankreich durch die sogenannten „Gelbwesten“ oder die internationale Klimabewegung der „FridaysFor Future“.

Das Ende der Volksparteien rückt immer näher, ganz gleich, wie man zu ihnen stehen mag. Die Ungleichheit in der Gesellschaft war noch nie so groß wie heute. Eine Kritik am Spätkapitalismus hat schon längst die Nischen marxistischer Lesezirkel verlassen. Sie bahnt sich ihren Weg in eine aufgeklärte und völlg zu Recht verunsicherte Generation, die von Politik und Wirtschaft keine Antworten mehr erhält. Es bleibt abzuwarten, wo das hinführt.

Eines bleibt jedoch klar: Wer tatsächlich Frieden, Wohlstand und die Freiheit in Europa beibehalten beziehungsweise erkämpfen möchte, kommt an Eigentumsfragen, Verteilungsfragen und Regulierungsfragen nicht vorbei– auch oder gerade im internationalen Kontext. Die Zeit mag die Volksparteien überwinden. Die Frage ist, ob die Menschheit das noch erleben wird.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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