Der Antifaschismus im 21. Jahrhundert

Widerstand Der Antifaschismus ist Kern und Grundvoraussetzung zur Erkämpfung der Demokratie aller Menschen

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Deutsche Antifaschisten der Rotfront
Deutsche Antifaschisten der Rotfront

Foto: Fox Photos/Gettyimages

Denkt die Allgemeinheit an Antifaschismus, assoziiert sie als erstes Blockaden gegen AfD- und NPD-Parteitagen so -demonstrationen. Sitzblockaden, schwarzen Blöcken und - neuerdings - Kaffeeautomaten. Doch Antifaschismus ist sehr viel mehr und komplexer. Antifaschistischer Widerstand heißt in unversöhnlicher Feindschaft zu jeglicher Form des Rassismus, Nationalismus und Unterdrückungsmechanismus zu stehen. Er kann nur dialektisch und nicht mechanisch bzw. eklektisch funktionieren, heißt: wer den Islam gesellschaftlich kritisiert in seiner Form als religiöse Selbstversklavung, doch beim Christentum schweigt, weil "alles gesagt" sei, oder schlimmer: er kulturell akzeptiert sei, bedient strukturellen Rassismus. Die Kritik am Islam kann nur als Fortsetzung dienen des grundsätzlichen Antagonismus zum Christentum. Gleichzeitigt schlägt der Antifaschismus um bzw. negiert sich, wenn die Religionskritik nicht vom Menschen abgekoppelt wird. Islamkritik schlägt um in antimuslimischen Rassismus, wenn der*die Muslim*a kollektiv bekämpft wird, sei es praktizierend oder nicht. Selbiges greift jegliche weitere Religion auf.

Die grundsätzliche Solidarität mit unterdrückten Völkern wie Kurd*innen oder Palästinenser*innen ist stark instrumentalisierend, wenn im Gegenzug das türkische und oder das israelische Volk negativistisch beurteilt wird. Die Kritik resp. der Kampf gegen ein unterdrückendes Regime wie es in der Türkei zu betrachten ist, nimmt die türkischen Mitmenschen in Schutz, die sich ebenfalls dagegen aufbegehren oder mindestens apolitisch sind. So die Kurd*innen vor nationalistischem Terror geschützt werden müssen, so muß der türkische Mitmensch vor rassistischem Terror geschützt und verteidigt werden. Die Dialektik des antifaschistischen Widerstands ergreift keine normative Partei, sondern erkämpft das Menschenrecht im klassenantagonistischen Protest. Der Antisemitismus ist tief verwurzelt im europäischen Bürgertum und gehört ebenfalls radikal bekämpft wie der stark auftretende antimuslimische Rassismus. Im selben Atemzug gehört der arabische Antisemitismus bekämpft so der daraus häufig resultierende aggressive Nationalismus. Der antifaschistische Widerstand stellt sich gegen jegliche Form eines aggressiven Nationalismus und schützt diejenige, die vor jenem fliehen oder unterdrückt werden. Gleichzeitigt betont er die Notwendigkeit der staatlichen Vertretung in der heutigen Gesellschaftsform, um die Unsichtbaren sichtbar zu machen.

Mehr als nur Blockade

Der eurozentrische Antiziganismus bedient selbst rassistische Merkmale, in dem das "Zigeunertum" im der Bekämpfung als Wort benutzt wird. Der Kampf gegen gefährlichen Antiromaismus wird selbst von vielen Linken nicht wahrgenommen, da es zuallererst um die Sichtbarmachung einer Bevölkerungsgruppe handelt, die auch vom institutionellen Rassismus bedroht wird. Der konsequente Antinationalismus funktioniert nur in der Benennung dessen Funktion. Der Antiromaismus ist daher unsichtbar, weil die Sinti und Roma keine staatliche Vertretung besitzen. Die Sichtbarmachung dieses traditionell europäischen Rassismus ist Notwendigkeit des antifaschistischen Widerstands. Der Antifaschismus ist keiner, wenn er selektiv (richtige) Partei ergreift. Er kann nur weitgreifend funktionieren und überleben. Er muß sich gegen jede Ausspielung stellen und den Kampf für das Menschenrecht für jede Minderheit, die unter der Mehrheit leidet, benennen. Max Horkheimers Worte sind bis heute wegweisend, denn: der intellektuelle Antifaschismus definiert sich grundsätzlich antikapitalistisch, da die Form der Unterdrückung, die er bekämpft, unmittelbar mit der herrschenden Produktionsweise und Gesellschaft zusammenhängt.

Der Antifaschismus ist kein loses Bekenntnis, sondern Garant für eine bessere, solidarische und menschenwürdige Gesellschaft. Ihn auf (wichtige) Blockaden gegen Neonazis zu reduzieren, ist arg verkürzt und verkennt die Grundidee dahinter. Und der Antifaschist ist kein Antifaschist, wenn er sich dazu bekennt, "selbstverständlich" gegen den Faschismus zu sein, doch unter dem Primat der Meinungsfreiheit strukturell rassistisch argumentiert oder agitiert. Der Antifaschismus ist kein historisches und erledigtes Moment, sondern Grundvoraussetzung zur Erkämpfung der Demokratie aller Menschen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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