Der Feind der Demokratie

Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen fungierte als Personifizierung des Verfassungsschutzes. Er konnte gar nicht anders: Das Amt ist Produkt seiner selbst und ein Problem für die Demokratie

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Hans-Georg Maaßen wurde am Montag auf eigene Bitten in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Zuvor hatte er am 18. Oktober in Warschau eine Rede gehalten, die nun bekannt wurde, in der er unter anderem „linksradikale Kräfte“ in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) vermutet. Man möge nun meinen, das wäre die Spitze der Personalie Maaßen gewesen, und ein Wechsel im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) würde die von vielen erhofften Demokratisierung nun einleiten. Nach den rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz stemmte er sich gegen die Verurteilung der Demonstration und spielte deren Gefahr herunter. Im Zuge des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) scheint das durchaus konsequent, offenbart jedoch die klaffende Wunde des BfV. Denn es hing mitnichten einzig an Maaßen. Seine Personalie ist essentiell und obligatorisch für das Verhalten und die Aufgabenstellung des BfV. Mit Maaßen war nur ein Mann in der Führung, der die innenpolitische Agenda unverblümt aussprach und keinen Hehl daraus machte, dass es sich hierbei eben doch um einen Geheimdienst handelt – trotz der stetigen Beteuerung anderer, dass dies so nicht sei. Dahingehend ist es auch naiv zu glauben, mit der Absetzung Maaßens würde sich jetzt Veränderung breitmachen. Es lag jedoch nie im Wesen des BfV, die ihm angedichtete Aufgabe zu verrichten: den Schutz der Verfassung. Seit der Gründung handelt es sich um eine Waffe im Schatten des Kalten Krieges, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetstaaten keine Reformierung erfuhr.

Das BfV wurde fünf Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges ins Leben gerufen und verstand sich als primäres Instrument gegen den Kommunismus. Mit Otto Jahn als ersten Präsidenten wurde ein Widerstandskämpfer des 20. Juli 1944 installiert, um das republikanische Erbe der Weimarer Republik zu wahren. Der allseits bekannte Fall Jahns, der 1954 in die DDR übertrat, erfolgte nach seinen Aussagen zwecks der Remilitarisierung der BRD und den Beschäftigungen alter Nazi-Kader in führenden Funktionen. Als Antwort darauf wurde 1955 das CDU-Mitglied Hubert Schrübbers als Präsident gewählt, der zur Zeit des Faschismus als Anwalt arbeitete. Unter seiner Führung wurden viele ehemalige SS-Kader in das BfV integriert, die im Sinne des Dienstes staatskonform walteten. In seiner Führungszeit begann die Kriminalisierung linker Parteien und Organisationen, wie das Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) 1956 und der Verfolgung von Personen, die (politische) Kontakte zur DDR hielten. Die „Enttarnung“ seiner Anwaltstätigkeit im Faschismus erfolgte 1972. Die Verankerung und Stoßrichtung des BfV wurde jedoch maßgeblich weitergeführt und vorangetrieben. Der Kampf zur Verteidigung der Verfassung verkam zu einem Kampf im Inneren gegen die eigenen Mitbürger*innen. Dem kurzen Spiel der Nachfolger Günther Nollaus (1972-1975) und Richard Meiers (1975-1983) folgten Heribert Hellenbroich (1983-1985), der entlassen wurde aufgrund einer Absetzung eines Mitarbeiters in der DDR und Ludwig-Holger Pfahls (1985-1987), der ein Jahrzehnt später aufgrund von Steuerhinterziehungen in Paris verhaftet wurde.

In den 1990er Jahren, als die zwei deutschen Staaten „wiedervereinigt“ wurden, offenbarte sich eine Radikalisierung der Rechten, die sich in direkten terroristischen Akten wie in Rostock-Lichtenhagen niederschlug. In jenem Jahrzehnt formierten sich neonazistische Gruppierungen und Organisationen, die teils offen rechten Terrorismus propagierten und von Landesämtern des BfV mittels V-Männer gezielt infiltriert wurden. Die Saat, die nach dem Zweiten Weltkrieg von ehemaligen SS- und NSDAP-Kadern gepflanzt wurde, konnte nun gesät werden. Das widersprüchliche Spiel des BfV verselbständigte sich permanent und akkumulierte in der Vernichtung von Beweismaterialien im Falle des NSU-Terrors. Der damals amtierende Präsident Heinz Fromm (SPD) konnte trotz seiner Schwerpunktsetzung „Rechtsextremismus“ die bürokratische Maschinerie nicht stoppen und ward selbst Verwalter des Produkts des Kalten Krieges. Die Schwerpunktsetzung des BfV war nämlich eine konträre, die trotz des Niedergang des Kalten Krieges den Hauptfeind im linken Spektrum sah – und das rechte Spektrum bagatellisierte oder als von ideologischen Verzahnungen unabhängig interpretierte. Das doppelte Spiel wurde beidermale deutlich, als die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) aufgrund der Vielzahl von sogenannten V-Männern durch den BfV nicht verboten werden konnte. Die inszenierte Realitäten fußten auch in der Abwägung des Links- und Rechtsradikalismus. Während ersterer alleine aufgrund der Theorie als Gefahr für die Demokratie gebrandmarkt wird, darf zweiterer walten und organisieren, wobei die Gefahr auch bei direkten Angriffen und Straßenterrors stets individuell bemessen wird.

Der heutige Aufschrei vieler Menschen, die Verfassung müsse man vor dem BfV schützen, ist dabei verwunderlich. Das Amt hat seit seiner Gründung nie anders gekonnt und arbeitete stets im Sinne der Verwaltung eines rechtsautoritären Staatsgefüges. Die Personalie Maaßen ist dabei nur Verdeutlichung der Aufgabenstellung, die selbst teilweise im Ausland für Kopfschütteln sorgt, wenn betont wird, dass in einem Land der Pressefreiheit Presseorgane „beobachtet“ werden. Die Demokratie steht im Kontrast zum BfV und war stets das größte Hindernis, die dem BfV durchaus die Grenzen aufzeigte. Die verdeckte Mitarbeit in neonazistischen Strukturen und des Wissens der Existenz rechtsterroristischer Gruppen vor deren Enttarnung muten dabei skandalös an, der Ruf nach einer „Reform“ läuft dabei jedoch absolut ins Leere. Eine „Reform“ hat die konsequente Abwickelung des Amtes zur folge, anders ist es lediglich Symptombekämpfung, denn der Kern wird nicht angetastet. Nie zuvor in seiner Geschichte hat das BfV so offen die eigene Haltung propagiert. Eine Annahme dessen ist die Popularisierung und Erstarkung der Alternativen für Deutschland (AfD). Bis zum heutigen Tag offenbaren sich weitere Anhaltspunkte der direkten Verstrickung von Personen des BfV in den Prozess der Partei. Das ist kein Einzelfall und direkt gekoppelt an die Personalie Maaßen, sondern die logische Konsequenz des eigentlichen Amtes.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz war seit seiner Gründung ein Instrument des sterbenden deutschen Autoritarismus. Dabei beschränkt sich der Inlandsgeheimdienst, wie er eigentlich genannt werden muss, nicht nur auf den eigenen Staat, sondern fungiert als verlängerter Arm fremder Kräfte. Der türkische Präsident Erdogan muss als enger Freund und Verbündete des BfV bezeichnet werden, da in seinem Sinne türkische und kurdische Organisationen und Personen kriminalisiert werden, die in der Bundesrepublik Deutschland absolut legal agieren. Dadurch verkommt das Amt zum Instrument deutscher Außenpolitik und muss dahingehend auch so behandelt werden. Die Intention war ihr nie gegeben, das deutsche Grundgesetz vor Angriffen zu schützen. Es entwickelte sich zu einem Gehilfen der Feind*innen des Grundgesetz vor eben jenem. Dadurch, dass das Amt tief verwurzelt im Staat ist, ist es ein essentieller Machtfaktor und im Falle der Verwickelung der AfD betrachtend ein der Demokratie konträr stehender dazu. Die Absetzung Hans-Georg Maaßens ist der erste Schritt, bleibt jedoch substanzlos, wenn das BfV nicht konsequent abgeschafft wird. Oder, um es mit den Worten Georg Fülberth zu halten: „Gegen ein Verbleiben von Hans-Georg Maaßen an der Spitze des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist nichts einzuwenden, solange eine ganz andere Aufgabe: die Unschädlichmachung dieser ­Behörde, nicht gelöst ist.“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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