Der Islam und die Linke

Debatte Die Linke tut es sich äußerst schwer mit dem Islam. Grund hierbei ist die Abstraktion von der Religion und der perspektivischen Hoffnungslosigkeit im Kampf gegen Rechte.

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Die Linke ist in einem Dilemma. Ihr liberaler Progressivismus hat sie in eine Sackgasse manövriert, wenn es um die Frage des Islam geht. Man möchte ihnen am liebsten die tröstende Schulter reichen, wenn es sich wieder die Frage auftut, ab wann etwas beispielsweise „islamophob“ ist und ab wann nicht. Das Kernproblem ist die aufoktroyierte Identitätspolitik auf das zu schützende Subjekt. Die muslimischen Flüchtlinge werden von den reaktionären, progressiven und identitätsstiftenden Linken über ihr Muslimsein definiert und behandelt. Dadurch entwickelt sich das widersprüchliche Problem, dass einerseits der Islam liberalisiert betrachtet werden muss und andererseits der muslimische Flüchtlingen gar keine andere Möglichkeit hat, als sich dieser Deutung zu beugen. Natürlich ist das Frauenbild des Islam und der autoritären Rechten näher als ihnen lieb scheint. Die Sexualisierung der Frau* respektive deren Ermächtigung ist ein geübtes Instrument jedweder patriarchaler Strukturen. Die reaktionäre Linke steht für das Selbstbestimmungsrecht der weißen Frau* ein, doch verteidigt gleichzeitig die patriarchalen Instrumente der Islamist*innen. Die „Kopftuch-Debatte“ steht dabei kontrovers im Mittelpunkt einer jeden Diskussion der Linken. Das Kopftuch ist ein Herrschaftsinstrument des Islam, in der die Männer die Kontrolle über die Frauen* ausüben und direkt in ihre Entwicklung, Entscheidung und Lebensweise eingreifen Diese Form der Unterdrückung und Kontrolle als „selbstbestimmte Entscheidung“ zu klassifizieren, ignoriert die Gesetze des dialektischen Materialismus.

Die Kopfbedeckung wird als Normalität angesehen, da die Frauen* in islamischen Staaten qua ihrer gesellschaftlichen Stellung es seit ihrer Kindheit so kennen. Die gewählte Freiwilligkeit der muslimischen Flüchtlingen in Europa ist daher mit Vorsicht zu genießen, darf die Linke jedoch nicht in den egoistischen Beschützermodus zwängen, diese Entscheidung unter allen Umständen zu verteidigen. Das Kopftuch in islamischen Staaten ist zentrales Symbol der Unterdrückung der Frauen* und deren Ermächtigung. Diese reaktionäre Identitätspolitik wird daher kommentarlos übernommen und in eine progressive Entscheidung umgemünzt. Doch erst wenn die Frauen* sich jedwedem Instrument der Ermächtigung durch die Männer emanzipieren, erst dann sind sie vollkommen frei in ihrer Entscheidung und Selbstfindung. Die Aufgabe der Linken ist es, diesen Prozess kritisch zu begleiten und in die korrekte Bahn zu lenken, das heißt der Niederwerfung des Patriarchates in all seinen Strukturen. Die autoritäre Rechte indes hat in den Islamisten im Kern einen Verbündeten im Geiste. Die „Islamfeindlichkeit“ der autoritären Rechte ist eine vorgeschobene, da der rechte Autoritarismus ein ähnlich gelagertes Frauenbild transportiert und befürwortet: die Frau* als Mutter und Sklavin des Mannes. Das eruiert in den westlichen Staaten in den Diskussionen über die Körperbekleidung der Frauen*. In der Konstellation dessen wird der Mann sowohl als Opfer als auch Täter offen benannt, die absolute Schuld jedoch der Frau* angeheftet. Begründet wird das mit dem „natürlichen Triebverhalten“ des Mannes. Die Frau* wird sowohl in islamischen Staaten als auch in der autoritären Rechte als zu besitzendes Objekt behandelt und angesehen.

Der Protest der autoritären Rechte gegen Flüchtlinge, denen sie unisono dem Islam zuschreiben, ist kein Kampf gegen diese erzreaktionäre Ideologie, sondern die Vereinnahmung dessen. Im Namen der Verteidigung der Rechte der Frauen* wird ein ebensolches reaktionäres Familienbild und entsexualisiertes Profil herbei beschworen. Die autoritäre Rechte ist im tiefen Kern neidisch auf die islamistischen Monarchien und Staaten, in der die Frau* gesellschaftlich entrechtet und entmenschlicht ist. Nicht umsonst gibt es viele Verbindungen zwischen europäischen Rechtsradikalen und reaktionären Islamisten. Die Linke muss sich den Vorwurf gefallen lassen, die grundsätzliche Kritik am Islam vollkommen an die autoritäre Rechte verloren zu haben, die diese nun für eigene Zwecke missbraucht. Ohne diese Erkenntnis, den flüchtenden Menschen auch eine Hilfe bei der Emanzipation vom Islam zu sein, ist jedwede Politik nur eine kurzfristige, illusorisch-liberal verbrämte.

Was bleibt ist die bittere Erkenntnis sich einzugestehen, den Kampf über die Deutungshoheit verloren zu haben. Der autoritäre Charakter des Islam ist nicht zu trennen von der grundsätzlichen Religionskritik und hiernach der absoluten Negation der Menschlichkeit. Der politischen Linke ist gemäß ihrer historischen Aufgabe die Offenlegung der patriarchalen Strukturen anzutragen, was ihr jedoch im Zuge der Zentralisation des Nebenwiderspruches der Identitätspolitik aus den Händen entgleist. Es geht schlechterdings nicht nur um ein Stück Kleidung, sondern ein bewusstes Symbol einer konkreten Ideologie. Die Balance zu halten zwischen frei bestimmter Selbstermächtigung von Muslimas und dem gezielten Kampf gegen jedwede Form von Unterdrückung bleibt dabei zentral in der Auseinandersetzung an sich. Um die Struktur des Islam zu analysieren und folgerichtig eine Perspektive zu formulieren, bleibt es unabdingbar, ihn nicht vom Christen- und Judentum abzukapseln. Die Sonderstellung spielt der autoritären Rechten in ihrer dichotomen Anschauung dabei gezielt in die Hände – doch auch den islamistischen Terrorgruppen wie Da’ish. Besonders die Linke ist in der Pflicht, die Gesamtheit zu verstehen, um sowohl den Kampf gegen die subjektivistische Islamfeindlichkeit als auch die Religion zu führen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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