Der letzte Warnschuss

Landtagswahlen Die größte Verliererin in Sachsen und Brandenburg ist die Linkspartei. Die kommende Aufarbeitung wird wegweisend für die weitere Entwicklung der Partei sein.

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Die Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg sind vorbei. Bis auf die Alternative für Deutschland (AfD), welche jeweils mit 27,5 % beziehungsweise 23,5 % zweitstärkste Kraft wurde, verloren alle im Landtag vertretenen Parteien Stimmen. Sowohl die Koalition aus Sozialdemokratischer Partei Deutschlands (SPD) und Linkspartei in Brandenburgsie kommen auf 35 von 45 notwendigen Sitzenals auch die Koalition aus Christlich Demokratischer Union (CDU) und SPD in Sachsen kommen nicht mehr auf die absolute Mehrheithier sind es 55 von 60 notwendigen Sitzen. Die größte Verliererin indes ist die Linkspartei. Nach zehn Jahren in Regierungsverantwortung in Brandenburg wird siewenngleich kein Regierungsbündnis bestehend aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linkspartei geschmiedet wirdden Weg in die Opposition finden, derweil sie in Sachsen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit die Oppositionsführung an die AfD abgeben wird. In Brandenburg fiel die Linkspartei 18,6 % aus 2014 auf 10,7 % herab; in Sachsen sind die Werte fast identisch mit einem Niedergang von 18,9 % auf 10,4 %. Beachtlich an der Sache sind zweierlei: erstens scheint es bei dem Bruch weitestgehend sekundär gewesen zu sein, ob sich die Partei in der Regierung oder Opposition befindet und zweitens versprachen die letzten Prognosen vom 29. August 2019 einen nicht ganz so dramatischen Fall von 14 % (Forschungsgruppe Wahlen für Sachsen und Brandenburg).

Betrachtet man die Wähler*innenwanderung, merkt man durchaus einen strategisch und ideologischen Unterschied in den Ländern. Während sowohl in Brandenburg als auch in Sachsen etwa 10 % der ehemaligen Wähler*innen der Linkspartei verstorben sindwas durchaus eine Problematik der Partei ist , werden die inhärenten Funktionen im parlamentarischem Betrieb deutlich. Um ein weiteres Erstarken der AfD zu verhindern, hiernach der SPD die Mehrheit zu bescheren, stimmten 16,4 % der ehemaligen Linken-Wähler*innen in Brandenburg für die Sozialdemokratie. Dieses taktische Wählen hatte durchaus Erfolg, auch wenn der Unterschied zur AfD nicht sehr groß ist. Hierbei wird besonders die strukturelle Gleichsetzung der beiden Parteien deutlich. Besonders in Brandenburg, in dem die Linkspartei zehn Jahre regierte, entwickelte sich ein Profil, welches nicht mehr von der reformistischen Sozialdemokratie zu unterscheiden ist. Im Gegenteil. Spätestens mit der Verabschiedung der restriktiven Polizeigesetze trieben die Brandenburger Genoss*innen in der eigenen Bundespartei einen Keil, was bis zu offenen Ausschlussrufen führte. Anders als in Thüringen, deren konstante Stärke darin begründet ist, weil die Linkspartei unter dem westlichen Gewerkschafter die SPD faktisch beerbte und ersetzte, war sie in Brandenburg als Juniorpartnerin ein metaphorisch gesichtsloses Anhängsels der Verwaltung des Status Quo. Überlegungen, diese Koalition mit den Grünen weiterzuführen, würde den Niedergang der Partei nur weiter besiegeln und kurz- bis mittelfristig das Todesurteil. Es gilt zu beachten, dass die Linkspartei in Brandenburg 2009 27,2 % der Stimmen erreichte. Während die SPD in den letzten zehn Jahren von 33 % auf 26,2 % herabstürzte ist leicht ersichtlich, worin das Paradoxon der Linkspartei liegt.

Ähnlich gelagert, doch aus anderen Gründen, ist es in Sachsen. Richtig ist, dass die sächsische Linke bisher in keiner Regierungsverantwortung war. Nichtsdestoweniger konnte sich auch dort die Partei kein sozialpolitisches Profil erarbeiten, welches besonders im Jahre 2006 ersichtlich wurde. Dort stimmte die Majorität der Fraktion für die faktische Privatisierung der öffentlichen Wohnbaugesellschaft. Die fehlende (Re-)Integration in die sächsischen Bevölkerung beziehungsweise die Entwicklung zur Verwalterin der herrschenden Bedingungen machte die Linkspartei für viele unwählbar. Mit Hinblick auf das Erstarken der radikalen Rechten wird in der Wähler*innenwanderung demgemäß ersichtlich, dass etwa 20 % der ehemaligen Wähler*innen nun zur Hälfte entweder der AfD oder der CDU gaben. Hier wird ein fehlendes, striktes antifaschistisches Profil ersichtlich, um all die Kräfte konsequent bündeln zu können. Diese Erfahrung macht mehr als deutlich, dass nicht alleine die Frage relevant ist, ob man in der Regierung oder Opposition ist, sondern auch, wie die Interessen und Ziele formuliert und erkämpft werden.

Nach der desaströsen Wahl bekannte sich der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, im Interview mit dem Deutschlandfunk konsequent zur derzeitigen Taktik. „Wir sind Regierungspartei“, sagt er und betont damit ausdrücklich den Willen, den „Auftrag“ in Thüringen zu verteidigen. Der pluralistische Charakter der Partei wird wie der heilige Gral behandelt, an dem nicht gerüttelt werden darf. Dabei muss gerade in der heutigen Situation klar diskutiert und nach außen kommuniziert werden, wohin mal gehen will. Es dünkt, als ignoriere die Spitze der Partei real existierende Versuche der politischen Linken, im Spätkapitalismus in der Europäischen Union Verantwortung zu übernehmen. Das griechische Beispiel mit Syriza wollte ein Warnschuss der internationalistischen Linken sein, dass selbst in der höchsten Ebenein der BRD der Bundnicht widerstandslos Politik für die unterdrückte Klasse gemacht werden kann. Das Epizentrum der EU-Kapitalismus befindet sich in der BRD, hiernach wird der Widerstand besonders im Inneren kolportiert werden. Dies ist auch der Linkspartei bewusst, wonach besonders die Regierungswilligen selbst das eigene Programm nach und nach aufweichen. Trotz des Bekenntnisses zum demokratischen Sozialismus wird dieses Fernziel immer mehr zu einem Euphemismus für eine Phase innerhalb des Kapitalismus, denn der Großteil der Spitze nicht in Gänze überwunden haben möchte.

Die Frage der Weichenstellung wird dringender denn je. Wenn selbst das eigene Programm in der Regierung schwer verwirklicht werden kann und mit Verweis auf andere marginale Verbesserungen desaströse wie die Verabschiedung der Polizeigesetze, der Verkauf von öffentlichem Wohnraum oder fehlende antifaschistische Verankerung konterkariert werden, bleibt zentral in der Debatte, ob es dann eine weitere sozialdemokratische Partei braucht. Die Linkspartei als sozialistische Massenpartei hat einen historischen Auftrag, eine konsequente Alternative zum Kapitalismus zu formulieren, anderweitig erübrigt sie sich und verwirkt ihren Anspruch, parlamentarischer Arm der sozialistischen Alternative zu sein. Die Angriffe der herrschenden Klasse auf die Geschichte der Partei und die längst widerlegte sogenannte Aufarbeitung schwächt sie gleichermaßen wie Koalitionen als Juniorpartnerin. Die Idee einer gerechteren Welt ist kein ahistorischer Moment, sondern Minimalkonsens der internationalen Linken und hiernach auch der Linkspartei, welche sich immerhin durch einzelne Arbeitsgruppen dazu bekennt. Rosa Luxemburg, wonach die Stiftung der Linkspartei benannt wurde, formulierte mehr als deutlich die Aufgabe der parlamentarischen Linken im Kapitalismus. Ihr ist qua definitionem die Rolle der Opposition auferlegt. Weder ein ultralinker Wahlboykott noch ein reformistischer Regierungswille sind im Interesse der arbeitenden Klasse. Wer an der Regierung ist, macht sich unglaubwürdig im außerparlamentarischen Kampf gegen die herrschenden Bedingungen. Es wird Zeit, den Sozialismus wieder auf die Fahne zu schreiben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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