Der nationale Flügelschlag

Richtungskampf Innerhalb der AfD bildet sich Widerstand gegen den „Flügel“ um Björn Höcke. Als integraler Bestandteil der Radikalisierung wird er jedoch kaum um seine Existenz bangen

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Der nationale Flügelschlag

Foto: Nigel Treblin/AFP/Getty Images

Das „Kyffhäuser-Treffen“ des rechtsradikalen „Flügel“ der Alternativen für Deutschland (AfD) scheint eine Wallung in Bewegung gebracht zu haben. Der Abgeordnete des Landtags Thüringen, Björn Höcke, rief in gewohnt martialischer Manier zum „Widerstand“ auf und zeichnete ein desaströses Bild der herrschenden politischen Lage. Das Resultat der Flüchtlingspolitik datiert er nicht auf das Jahr 2005, sondern greift bis 1955 zurück, als sogenannte „Gastarbeiter*innen“ gerufen wurden, um die BRD aufzubauen. Höcke spricht den türkischen und italienischen „Gastarbeiter*innen“ nicht nur jeglichen Verdienst zum Aufbau des Staates ab. Er setzt es gleichermaßen mit einer weiteren „Kriegsniederlage“ gleich, da die „irrationale Zuwanderungspolitik“ die Bevölkerung „finanziell hat ausbluten lassen“. Der demagogische Charakter Höckes ist nicht erst seit diesem Treffen bekannt. Besonders durch sein 2018 erschiene Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ wird die Agitation und Propaganda Höckes klar, die eine semantische und didaktische Wesensverwandtschaft mit „Landolf Ladig“ vorweist, welcher in früheren Artikel mehrmals mit faschistischen Vokabular beispielsweise die „Wirtschaftspolitik des Nationalsozialismus“ glorifiziert sowie eine „kommende Revolution“ propagiert. Der aufkeimende Widerstand gegen die faschistoide Entwicklung innerhalb der Partei kommt mehrheitlich vom nationalkonservativen und bürgerlichen Flügel, die sich der Gefahr bewusst scheinen, dass Höcke und der „Flügel“ eine „Führerdiktatur“ im tradierten Maße etabliert haben möchte.

Diese Vermutung wurde jüngst auch innerhalb der bajuwarischen AfD untermauert, bei der dem „Flügel“ vom Schiedsgericht ein „Konkurrenzverhältnis“ zur Mutterpartei attestiert wird. Der attestierte Führungsanspruch Höckes wird weiterhin in einem gemeinsamen Aufruf kritisiert, in dem festgestellt wird, dass Höcke „nicht demokratisch legitimiert“ sei, im Namen der AfD das Wort zu ergreifen. Unterzeichnet wurde das Paper, welches sich gegen eine „Höcke-Partei“ aufstellt, unter anderem von fünf Mitgliedern des Bundesvorstands, darunter Albrecht Glaser und Georg Pazderski. Mit der Unterschrift von Uwe Junge wird jedoch das diskrepante Verhältnis innerhalb der Partei deutlich. Junge, der in der „hart aber fair“-Sendung Anfang des Monats die psychologische und strukturelle Verantwortung der AfD beziehungsweise der rechtsradikalen Parteien mit Hinblick auf den Mord Walter Lübckes runterspielte, verkauft sich zwar als Gegner Höckes, manifestiert in sich allerdings ein zentristisches Konglomerat faschistoider Entwicklungen und kleinbürgerlicher Treuherzigkeit. Der Aufstand gegen den „Flügel“ und Björn Höcke ist schlechterdings keine Grundsatzdebatte über die Ausrichung der Partei als solcher, sondern ein erster Riss in der internen Kommunikation des Sagbaren. Der Parteivorsitzende Kay Gottschalk unterstrich das im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, als er die inhatliche Gemeinsamkeit zwischen Mutterpartei und „Flügel“ hervorhob und nur akzentuiert an „martialisch schwenkenden Fahnen“ Kritik übte.

Der Auftritt Alexander Gaulands beim „Kyffhäuser-Treffen“ des „Flügels“ offenbarte einerseits ein ahistorisches Verständnis der Entwicklungen nach dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus und andererseits ein Blick auf die Umwälzung der Gesellschaft, am Beispiel der Grünen. Jenen attestierte Gauland zusammen mit der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) 1989/1990 den Untergang des deutschen Staates und skizzierte bei einer möglichen Regierungsverantwortung das zu verwirklichende Programm. Die Grünen streben „eine große Transformation an: demokratisch, wirtschaftlich, kulturell“ mahnt Gauland und will diese Aufzählung als Gefahr verstanden wissen, derer sich besonders die AfD entgegenstellen muss, um die „bürgerliche Restvernunft“ zu erkämpfen. Diese glasklaren Worte, die sich gegen eine „demokratische Transformation“ der Wirtschaft und Kultur stellen, werden vom „Flügel“ und Björn Höcke genüsslich aufgegriffen, um eine Alternative zu präsentieren, die in den „Fünf Grundsätzen“ niedergeschrieben sind. Diese „Grundsätze“ lesen sich wie ein Baukasten für rechtsradikale Verschwörungstheorien, die gegen ein vermeintliches „Staatsfernsehen“ agitieren und besonders die angeblich fehlende Souveränität Deutschlands hervorheben. Das Deutschland des „Flügels“ und der AfD als Gegenpunkt zum Bild der Grünen – welche von Alexander Gauland als „Hauptfeind“ auserkoren sind – bedeutet ein konservatives Rollback, das sich in völkischer Manier für einen Staat entscheidet, der an die letzten Tage der Weimarer Republik erinnern soll. Die Macht in den Händen einer reindeutschen Bevölkerung, die auch nicht davor Halt machen wird historische Gebietsansprüche wieder geltend zu machen.

Die Strömung um Björn Höcke ist das Produkt einer sich selbstradikalisierenden Politik der AfD, die gar nicht anders kann, als sich dorthin zu entwickeln. Spaltungen können, wie bereits eindrucksvoll zu sehen ist, keinen nennenswerten Einfluss auf die parteipolitische Entwicklung nehmen, womit konstatiert werden muss, dass der Wähler*innenwillen nicht mehr als unwissende Protestwahl klassifiziert werden muss, sondern einerseits als Ausdruck einer bewussten Erklärung der faschistoiden Entwicklungen und andererseits als Vernetzungspunkt der außerparlamentarischen Rechten. Der Faktor des „Flügels“ spielt eine bedeutsame Rolle, die essenziell für den Grundkern der AfD ist. Es ist nicht einmal ein offenes Geheimnis mehr, was Ziel der Partei ist und die Möglichkeit der Spaltung wird immer unmöglicher, um den Hauch eines Pluralismus zu imitieren. Die historischen Analogien zur Entwicklung des deutschen Faschismus werden immer offenkundiger, so spielt auch heute das (reaktionäre) Kleinbürgertum eine stützende Rolle in dem Erfolg der AfD. Der Begriff der „Volksgemeinschaft“ wird in deutschtümelnder Demagogie als Auflösung des Klassenwiderspruchs herangezogen, um das Konstrukt einer „Rasse“ über die materialistischen Wirklichkeiten zu setzen. Der „Flügel“ steht nicht konträr zur AfD als ganze, sondern ist viel mehr die Warnung an die Gesellschaft, dass in der BRD trotz der dunkeln Geschichte die Wurzeln des Faschismus alles andere aus vernichtet wurden. Björn Höcke und seine Strömung ist das Resultat der schweren Krise des Kapitalismus bei gleichzeitigem Versagen der liberalen Elite zur (unmöglichen) Bändigung des herrschenden Systems. Die propagierte „nationale Revolution“ des „Flügels“ wird dabei keine Umwälzung der herrschenden Gesellschaftsform sein, sondern ihre brutale Abwicklung beziehungsweise Kastration zurück in die Vergangenheit, bei der es zum guten Ton gehörte, maskulinistische Barbarei zu frönen und die Reinheit des eigenen Volkes zu propagieren. Der „Flügel“ ist der Schatten der AfD, untrennbar miteinander verknüpft.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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