Die AfD und ein Brausegetränk

Cola Gate Es ging der Partei nie um das Produkt an sich, sondern um die Vereinnahmung des sozialen Kontextes für die eigene Agenda

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Die AfD und ein Brausegetränk

Foto: imago/Markus Heine

Angefangen hat alles mit einem editierten Plakat, das den Coca-Cola Konzern mit einer Absage zur Alternativen für Deutschland (AfD) zeigt. Anstatt einer grundsätzlichen Distanzierung twitterte Patrick Kammerer, Mitglied der Geschäftsleitung Coca-Cola Deutschlands, dass nicht jeder Fake falsch sein müsse. Die Netzgemeinde jubelte und empörte sich zugleich, wodurch es zu teils absurden Szenen kam, bei der Sympathisanten der AfD vor laufender Kamera Produkte des Konzerns wegschütteten. Fast schon realsatirisch mutet ein Video an, in dem ein Sympathisant gewahr wurde, dass auch die Orangen-Limonade aus dem Hause Coca-Colas stammt - und es als Neuentdeckung postulierte. Doch neben frustrierten Bürger*innen und Wähler*innen des rechten Randes, denen plötzlich bewusst wurde, dass es sich um ein ungesundes Genuss-, weniger ein Grundnahrungsmittel handelt, schalteten sich auch Politiker*innen der AfD medienwirksam ein. Der Heidelberger Bundestagsabgeordnete Malte Kaufmann posierte mit einer fritz kola, woraufhin keine 24 Stunden später die Hamburger GmbH ein Zeichen für „Vielfalt, Toleranz und ein gemeinsames Miteinander“ unter dem Hashtag #wirsindmehr setzte. Ähnlich erging es dem Thüringer Landtagsabgeordneten und Vertreter der autoritären Rechten Björn Höcke. Er setzte auf deutschen Patriotismus und pries die Vita Cola, welche in der ehemaligen DDR 1958 entwickelt wurde. Nach Recherchen des Volksverpetzer wirbt der Konzern mit einem homosexuellen Paar, was den erklärten Maskulinisten und Schwulenfeind Höcke konterkariert.

Dass diese Strategie der AfD gänzlich nach hinten losging, sollte auch ihnen bewusst sein. Dennoch offenbart es den verankerten Charakter der Partei, wie sie politologisch arbeitet. Der rechte Flügel bedient sich hiermit einer vulgarisierten Kapitalismuskritik, wie sie in der autoritären Rechten seit Jahrzehnten Anwendung findet. Diese Taktik wurde von der Partei perfektioniert und verselbstständigte sich gleichermaßen, wie das ältere Beispiel des REWE-Konzerns zeigt. Alleine das Bekenntnis einer - wohlgemerkt - nicht näher definierten „Vielfalt und Toleranz“ bewegt das präfaschistische Wählermilieu zu einem individuellen Boykott-Aufruf. Diese Verrohung der politischen Auseinandersetzung wurde durch den Einzug der AfD in die Landtage und den Bundestag institutionalisiert. Der aufklärerische Humanismus dient als Schablone eines darstellerisch austauschbaren, doch inhaltlich stets gleichbleibendem Subjekt. Der aggressive Nationalismus tarnt sich hinter widerstandskämpferischer Parolen, die sich eklektisch diffuser Begrifflichkeiten wie „Kulturmarxismus“ und „Volksaustausch“ bedient. Die AfD präsentiert sich hierbei sowohl als Katalysator als auch Vorhut einer sich selbst radikalisierenden Blase, bei der es zu einer patriotischen Vaterlandverteidigungs-Tat verkommt, Produkte eines Multikonzerns zu meiden. Die Vermengung dessen kommt dabei nicht ohne traditionelle Muster aus, ungeachtet dessen, wie modern sich der Träger gibt.

Es ist derweil naiv zu glauben, dass sich die AfD hierbei der Öffentlichkeit bewusst hingibt. Obgleich die medienwirksamen Boykott-Aufrufe gegen Coca-Cola, REWE und Teilen gegen den Polizeiruf 110 amüsant anmuten, verbirgt sich dahinter eine gezielte Ideologisierung. Die AfD ist trotz des Selbstbekenntnisses eines konservativen Pluralismus ihrer Struktur nach eine antiaufklärerische, rechtsautoritäre und präfaschistische Partei. Höcke spricht öffentlich vom „westlich-dekadentem Liberalismus“ und fischt wohlfeil im faschistischen Gewässer. Die aufoktroyierten, doch selbstradikalisierende Empörungswellen gegen Unternehmen oder Persönlichkeiten, die sich offen gegen die Partei stellen bzw. Weltoffenheit propagieren, verankeren sich vermehrt in den Bevölkerungsschichten, die schon längst dem deutschen Nationalismus verfallen sind. Die Scharnierfunktion zwischen Parlamentarismus und direkter Aktion wird durch gezielte Aussagen der Politiker*innen auf die Probe gestellt. Es ist dabei sekundär, ob gegen den Klimawandel, Abtreibungen, Sozialwissenschaften oder eben Konzerne agitiert wird, der Adressat und Schwerpunkt bleibt stets derselbige: die Wahrung eines im letzten Jahrtausend zurecht erübrigtes Ideal.

Es ist eine Frage der Zeit, bis die Verwahrung der Kritik von außen nicht nur in Boykott-Aufrufen Widerhall erfährt. Die Faschist*innen der NSDAP attackierten unterschiedlicher Beweggründe nichtdeutsche Konzerne. Der Unternehmer afri colas Karl Flach beispielsweise griff Anfang der 1930er Jahre den Konzern Coca-Cola mittels antisemitischer Vorurteile an. Die antisemitische Propaganda der Faschist*innen ist nicht mit dem Verhalten der AfD in den 2010er Jahren zu vergleichen, doch eine strukturelle Kontinuität ist nicht zu leugnen. Die Betonung Björn Höckes auf die „Heimat“ gegen den US-Konzern steht daher in direkter Tradition. Nicht unweit davon erfolgt die Ausweitung in betont antisemitisches Terrain, bei der unter anderem George Soros eine rein idealistische Kritik erfährt. Eine antisemitisch-islamfeindliche Symbiose ist daher nur dem ersten Anschein widersprüchlich. Dabei handelt es sich mitnichten um einen Populismus, auch wenn eine imaginierte Masse bedient wird. Der inhärente Vulgarismus ignoriert den ökonomischen Faktor und konzentriert sich einzig auf den selektiven, idealistischen Schwerpunkt. Der Patriotismus resp. deutsche Nationalismus entwickelt sich zu einem wahren Hohlkörper, der wahlweise gefüllt werden kann. Der Ironie durchaus bewusst ist ein Teil des Erfolges der Partei durch öffentliche Distanzierungen zu eben jener verankert. Aus dem „mit Rechten reden“ wurde ein nicht mehr zu kontrollierendes „wegen den Rechten reden“.

Doch was hat das mit individuellem Boykott zu tun? Die AfD ist ihrer Funktion nach eine Partei mehrerer Etappen, die einander bedingen. Das erschwert unter anderem eine gezielte Einordnung. Sie repräsentiert de facto die Faschisierung ihrer selbst, ohne sie konkret abzuschließen. Während Wirtschaftsliberale wie Jörg Meuthen trotz radikalem Vokabular einen formal gemäßigten, hiernach populistischen Kurs fährt, vertreten Akteure wie Brandner und Höcke den Kristallisationspunkt in eine Führerpartei. Hierbei handelt es sich nicht um Widersprüche, sondern um eine direkte Kontextualisierung des jeweiligen Subjekts. Die Boykott-Aufrufe und provozierende Trotze muten amüsant und konzeptlos an, doch erfüllen die Kontinuität. Es geht und ging noch nie um das Produkt als solches, sondern die Vereinnahmung der Thematik an sich, das heißt eine bewusste Steuerung des gegenwärtigen Moments. Ohne in Regierungsverantwortung zu sein, transportiert die AfD durch solche Aktionen den autoritären Charakter nach außen und trägt hiermit zur gesellschaftlichen Radikalisierung direkt bei. Dabei ist es in der Sache nicht unwichtig, dass sich ein Konzern für Weltoffenheit einsetzt, denn der radikalen Rechte wird dadurch ein Instrument überlassen, welches propagandistische Anwendung findet. Ein offen rassistischer Konzern wäre für die AfD schädlich, da eine selbst bestätigende Blase einen eingeschränkten, gesellschaftlichen Einfluss ausüben kann. Was bleibt, ist simpel: liberale, antifaschistische Bekenntnisse von Konzernen dienen primär dem eigenen, wirtschaftlichen Interesse, auch wenn es subjektiv guttun mag, es zu lesen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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