Kein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück

DIE LINKE Mit der „Initiative Solidarische Linke“ ist eine weitere Vertreterin des reformistischen Flügels der Linkspartei aufgetaucht. Sind das wieder nur inhaltsleere Phrasen?

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Links, stark, jetzt – auch diesen Slogan hatte sich die Partei schon einmal auf Plakate geschrieben
Links, stark, jetzt – auch diesen Slogan hatte sich die Partei schon einmal auf Plakate geschrieben

Foto: Jan Zappner/Afp via Getty Images

Erneuerung. Wenn es ein Wort gibt, welches in Bezug auf die Linkspartei am häufigsten fällt, ist es wohl dieses. Immer dann, wenn die Partei nach einer Bundes- oder Landtagswahl schlechter abschneidet als befürchtet, will man sich auf Spurensuche begeben, um zu eruieren, was falsch lief und läuft. So auch nach Bundestagswahl im vergangenen Jahr, als die Partei nur dank dreier Direktmandate wieder in den Bundestag einziehen konnte. Auch damals war das Narrativ vorherrschend, dass sich nun etwas ändern müsse. Dabei ist man im Analyseverfahren jedoch sehr selektiv, besonders wenn es von Politiker*innen in Führungspositionen geschieht, die den rudimentären demokratischen Sozialismus, wie er als Fernziel niedergeschrieben ist, als reformistische Spielart der Sozialdemokratie beibehalten möchte. Das Dogma, auf jeden Fall Verantwortung zu übernehmen, bleibt weitestgehend unangetastet, denn wie, so die Führungsriege, solle man etwas ändern, wenn man keine Verantwortung übernehme? Für eine Partei, die sich in der Tradition Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts sieht, ist das durchaus eine provokant-rhetorische Fragestellung.

Freilich ist es zu einfach, sich auf traditionelle Figuren der Arbeiter*innenbewegung zu konzentrieren, ohne ein Werkzeug mitzugeben, wie es im 21. Jahrhundert getan werden muss. Betrachtet man es ganz pragmatisch, spricht eine Regierungsbeteiligung gegen das Überleben der Linkspartei, die, immer dann, wenn es ans Eingemachte ging, dramatisch an Stimmen verlor. Diese Diskrepanz ist jedoch im pluralistischen Charakter der Partei verankert. Dass die Führungsriege mehrheitlich reformistisch veranlagt ist, also eine Beteiligung an Minister*innenposten als Voraussetzung ansehen, die Gesellschaft irgendwie gerechter zu gestalten, ist dabei kein Zufall; Karrierismus ist genauso alt wie linke Parteien an sich. Der Gradmesser, den die Linkspartei heranzieht, entpuppt sich dabei jedoch nicht als materialistisches Instrument, um die Produktionsverhältnisse und Klassengegensätze im 21. Jahrhundert zu erkennen und zu erklären, sondern es wird deutlich, dass der sozialistische Charakter über die Jahre hinweg nach und nach geschliffen wurde.

Die Erneuerung ist eine Verteidigung des Status Quo

Wohin treibt die Linkspartei, möchte man fragen, und die Antwort ist keine leichte. Nichtsdestoweniger entstand ein Protagonist der Flügel- und Richtungskämpfe, der sich – oh, Wunder! – die Erneuerung der Partei zur Aufgabe macht. Die Initiative Solidarische Linke bezeichnete folgerichtig die letzte Bundestagswahl als Zäsur. Ihre Lösungsvorschläge, respektive Argumente, was nun getan werden muss, entbehren jedoch nicht einer gewissen Ironie. Denn exakt dasselbe Muster wird rezipiert, wie es immer ist, wenn es darum geht, das Versagen zu analysieren. In ihrem Aufruf, der von einigen hohen Politiker*innen der Partei unterstützt wird, wird nicht an starken Worten gespart, die jedoch so inhaltsleer wie austauschbar sind. Man wolle eine einflussreiche, zeitgemäße linke, progressiv-demokratische Tendenz innerhalb der Partei, konzentriert sich in der Begründung jedoch auf Versatzstücke, die keine Erneuerung andeutet, sondern vielmehr die Verteidigung des Status Quo. Deutlich wird indes, dass die Geschichte der Linkspartei über die Deutsche Demokratische Republik hin zur Vorgängerorganisation SED als Überbleibsel einer Hemmung verstanden wird, sprich: der Versuch war von Grund auf falsch und die Zukunft hat anders auszusehen.

Fehlendes Verständnis sozialistischer Begriffe wird gepaart mit faktischen PASOK-isierung der Partei, das heißt der Rechtsentwicklung, die eigentlich nur den Schluss ziehen kann, sich mit der Sozialdemokratischen Partei (SPD) zu vermählen. Zwar wird betont, dass die Opposition kein Mist sei, grundlegende Veränderungen könne man jedoch nur in Regierungsverantwortung bestimmen, was die Kinderkrankheit dieses Arbeitskreises auf den Punkt bringt. Der Progressivismus, der verteidigt wird, findet seine Verwirklichung in einer Koalition mit SPD und Grünen, die in der aktuellen Legislatur jedoch eindrucksvoll beweisen, wie sehr sie es mit einer gerechteren Welt haben. Und dass die Linkspartei jemals auf eine absolute Mehrheit kommt, ist völlig auszuschließen. Daher sind die Beweggründe der Initiativen naheliegend, den Status Quo mit feschen Worten zu verteidigen, die eine objektive Bestandsaufnahme der Geschehnisse mit materialistischer Analyse verwechseln.

Der Krieg in der Ukraine befeuert die Initiative dahingehend, wie die Linkspartei mit ihrer friedenspolitischen Agenda umgeht. Darauf gibt der Aufruf keine zufriedenstellende Antwort, womit zu vermuten ist, dass die Schleifung roter Linie nicht mehr zu stoppen ist. Neben dem Ruf nach einer neuen Wehrpflicht durch Bodo Ramelow oder der Zustimmung zum 100-Milliarden-Euro-Sonderpaket durch Gregor Gysi (wenngleich er sich damit ins Aus schoss) zeigen eine Entwicklung, die mittelfristig die Existenz der Partei aufs Spiel setzt. Dass sich dieser Arbeitskreis als Garant antimilitaristischer Positionen verstehen wird, bleibt abzuwarten, jedoch ist die Tendenz kaum erkennbar. Dafür spricht auch, dass sie den Dialog mit verschiedenen Strömungen in der Partei nicht wirklich fördern wollen, sondern eine Vorverurteilung mittels monokausaler Erklärungsmuster fördern, die sowohl den Charakter der Linkspartei als ostdeutsche Partei als auch der Stimmen traditioneller Linke, also wohl Kommunist*innen jeglicher Couleur, kritisieren. Die Frage, ob es wirklich eine neue Vertreterin des rechten, reformistischen Flügels bedarf, die die Linkspartei weiter in die Unkenntlichkeit treiben wird, darf getrost verneint werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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