Die Linkspartei in der Sinnkrise

Parteitag 2018 Der Ruf nach Grenzkontrollen treibt nicht nur den Klassenkampf auf die Spitze, er steht auch diametral zu einer internationalistischen Linken.

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Gestern fand der bundesdeutsche Parteitag der Linkspartei ihren Abschluss. Interne wie äußere Konflikte wurden trotz betonter Solidarität scharf geäußert und von einer geschlossenen Partei kann nach wie vor keine Rede sein. Fundamental war die Haltung zur Asyl- und Migrationspolitik im Zeichen des Kapitalismus im 21. Jahrhundert und wie eine internationalistische Linke damit umgehen soll. Der Internationalismus an sich wird jedoch vorsichtig und dezent in frage gestellt, wenn beispielsweise Sahra Wagenknecht meint, man müsse "um dieses Land" kämpfen. Gewiss lässt sich daraus kein Nationalismus ableiten, allerdings wird dadurch dem eigentlichen sozialistischen Anspruch das Wasser abgegraben. "Offene Grenzen" nicht näher zu definierende Aussage mutiert schnell zu einem inklusiven oder exklusiven Anspruch, denn der Unterschied zwischen ökonomischen und gesellschaftlichen Grenzen ist dabei essentiell. Das internationale Kapital bedarf keiner Grenzen, und wenn, wie im protektionistischen Sinne, wird die Ausbeutung anders verlagert, was folglich die Klassenunterschiede noch stärker provoziert.

Doch es geht bei der Frage in der Linkspartei nicht um den Warenverkehr, sondern um Menschen. Der Ruf nach Grenzkontrollen resp. des primären Fokus' auf die eigene Bevölkerung treibt nicht nur den Klassenkampf auf die Spitze, er mutet auch bonapartistisch an und steht diametral zu einer internationalistischen Linken. Das Ausspielen der Arbeiter*innenklasse im eigenen Land un der ausländischen ist ein altbekanntes Rezept des sozialdemokratischen Reformismus, der 1914 zur internationalen Spaltung führte. Die Schizophrenie der heutigen Linkspartei findet sich in der positiven Bezugnahme auf revolutionäre Größen wieder, wie Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und Franz Mehring, die den proletarischen Internationalismus über jede nationalistische Spielart von Grenzkontrollen stellten. Andererseits ist der selbst definierte Pluralismus mehr ein Scheinobjekt, gerade auch dann, wenn Katja Kipping meint, man stünde "links der CDU", was durchaus als Hinwendung zur bürgerlichen Sozialdemokratie gelesen werden kann.

Der Streitpunkt manifestierte sich nicht nur auf die Migrationspolitik, sondern auch die Idee einer parteiübergreifenden "Sammlungsbewegung", die sich gerne Jean-Luc Mélenchon zum Vorbild nimmt. Es ist richtig, dass eine Verankerung in den Massen essentiell ist, um ein gesellschaftliches Bewusstsein zu schaffen, allerdings ist die Form der Organisation dabei sekundär. Eine von oben hervorgerufene Bewegung ist dabei kein Garant und treibt die Spaltung der politischen Linken nur voran. Das lässt sich auch in der Frage des Parlamentarischen Untersuchungssauschusses bzgl. des BAMF herauslesen: die AfD und die FDP fordern jenen, die Linkspartei streitet über das korrekte Instrument. Darüberhinaus wird kindisch gestritten, ob man die FDP mit der AfD vermengen dürfe, was den Grundcharakter dessen jedoch verschleiert. Die AfD und die FDP sind beide Parteien des rechten Bürgertums, und gerade Christian Lindner machte in den letzten Wochen mehrmals klar, was für ein gesellschaftlicher und ökonomischer Kurs er gerne einschlagen würde.

Das Wesen der Linkspartei ist auf den Prüfstand, weil der Pluralismus die eigentliche Funktion nur beeinträchtigt. Die Partei muss sich selbst die Frage stellen, was das Ziel sein soll und wie es zu erreichen ist. Die Überwindung des Kapitalismus hin zu einem demokratischen Sozialismus ist nur eine Wortspielerei, solange nicht eruiert wird, was man unter Sozialismus genau versteht. Die Linkspartei muss, um sich selbst gerecht zu werden - und auch den Politiker*innen, zu denen sie sich bekennt - eine sozialistische Transformation in den eigenen Reihen einleiten, in der jede tagespolitische Diskussion von einem klar sozialistischen und internationalistischen Standpunkt geführt werden muss. Die Partei muss eine konsequente Opposition zur herrschenden Klasse darstellen. Die Spaltung kann erst dann überwunden werden, wenn ausgelotet wird, ob man eine reformistische Regierungspartei sein möchte oder revolutionäre Opposition.

Gewiss, es ist nicht mehr 1917, allerdings haben sich die Klassenkämpfe und Instrumente der herrschenden Klasse, die ökologischen und ökonomischen Widersprüche nicht verübrigt, sondern radikalisiert und verstärkt. Die Bundesrepublik braucht keine "Sammlungsbewegung", sondern eine Partei, die fest verankert ist in den Gewerkschaften, der Arbeiter*innen und Armen der Bevölkerung. Die soziale Frage muss stringend antikapitalistisch formuliert werden, um auch eine Spaltung zwischen Flüchtlingen und "heimischen" Arbeiter*innen zu verhindern. Die Flüchtlingspolitik kann und darf nur internationalistisch beantwortet und geklärt werden, das heißt: Entwaffnung der herrschenden Klasse in Form Zerschlagung des Militarismus, internationale Solidarität und finanzielle so gesellschaftliche Unterstützung mit den unterdrückten Klasse aller Nationen sowie die Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise hin zu globalisierten, demokratischen Planwirtschaft als Grundvoraussetzung einer aufbauenden Gesellschaft, die die Menschen final von ihren eigenen Ketten befreien wird.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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