Die schwarzen Schafe der Linken

Antideutsche Sie sorgen für Kontroversen in der politischen Linken und fallen mit ihrer unkritischen Haltung zu Israel auf. Von den radikalen Wurzeln merkt man jedoch nichts mehr.

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Sie erscheinen mit den Nationalfahnen der USA und Israel auf Demonstrationen, verteidigen die bürgerliche Demokratie und nennen sich doch Kommunist*innen. Als die DDR zusammenbrach und über die sogenannte „Wiedervereinigung“ gesprochen wurde, wurden schnell Stimmen laut, die ein Erstarken des deutschen Nationalismus befürchteten und speziell Frankreich und Polen in Gefahr sahen. Die damals legitime Kritik fand ihre Bestätigung in den rassistischen Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 und im Zuge dessen dann in der Verschärfung der Asylgesetze („Asylkompromiss“) durch die bürgerliche Koalition von SPD, FDP, CDU und CSU. Der erste Bruch respektive die Verschiebung der gemeinsamen Nenner der damaligen pluralistischen linken Strömung, die das Erstarken der BRD mit Sorge verfolgten, war der Irak-Krieg 1991, der von einem Teil in Bezug auf eine unabdingbare (sprich: kritiklose) Solidarität mit Israel begrüßt wurde. Dies markierte die erste Weichenstellung, die auf einen antiimperialistischen Antinationalismus und einen imperialistischen Antinationalismus hinauslief, die in ihrer Struktur trotz des gemeinsamen Nenners des Bekämpfens eines deutschen Nationalismus einen ideologischen Bruch darstellte, der ironischerweise von den heutigen Antideutschen mit teils hegelianischer Dialektik als dezidierte „Ideologie-Kritik“ gewertet wird, da für sie der Nationalismus kein Feind der Arbeiterklasse ist, sondern variabel erscheint, der gerade jenen strukturellen Antisemitismus offenlegt, den sie so scharf verurteilen (wollen).

Die strikte Solidarität mit Israel wurde spätestens seit dem Terroranschlag in den USA am 11. September 2001 mit einer Ablehnung des Antiamerikanismus erweitert, doch gleichzeitig als Fundament antimuslimischen Rassismus begrüßt. Die Fokussierung auf den Antisemitismus eruiert in einem nahezu besessenen Denunziantentum, da trotz der selektiven Bezugnahme auf Marx und Engels Vokabeln seit Auschwitz korrumpiert zu sein scheinen, was nahtlos einhergeht mit der Bejahung der Totalitarismustheorie, trotz der gleichzeitigen Bejahung der Singularität Auschwitz'. Das mag nur im ersten Moment widersprüchlich klingen. Die Vereinnahmung Israels, der als mahnende Konsequenz gegründet wurde, fungiert als Katalysator und Schild gleichermaßen, wodurch die Aufarbeitung Auschwitz’ zu einer subjektiv-deutschen Interpretation verkommt. Die dadurch bedingte gefährliche Gleichsetzung des Antisemitismus mit Antizionismus wird von der antideutschen Strömung gerne als Indiz genommen, die die politische Linke grundsätzlich in einer Schizophrenie weiß. Solidaritätsbekundungen für Palästina werden dort mit einer Negation Israels gleichgesetzt wird. Die zionistische Bewegung wurde schon früh Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts bis (spätestens) zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges von vielen jüdischen Personen abgelehnt, weil die Schaffung eines jüdischen Staates idealistisch anmutet, damit den gesellschaftlich verankerten Antisemitismus zu bekämpfen. Dass der bürgerliche Staat jedoch erst eine Keimzelle für Diskriminierungen schafft, wird dabei gerne ignoriert, wodurch auch die jüdischen Kommunist*innen wie Rosa Luxemburg und Leo Trotzki die Schaffung eines jüdischen Staates ablehnten, weil damit dem Antisemitismus konsequent in die Hände gespielt wird. Das australische Beispiel zeigte dieses Phänomen eindrucksvoll, den meisten Jüd*innen die Einreise im Zuge der faschistischen Pogrome zu verweigern mit der Begründung, sie können sie nicht einreisen lassen, weil bei ihnen Antisemitismus nicht vorhanden sei.

Gemäß der (post)strukturellen Prämisse, dass Sprache essenziell ist, um ein Gewissen zu formen beziehungsweise es Fundament einer Gesellschaft ist (was von den Antideutschen jedoch – mit Verweis auf Judith Butler, die sich propalästinensisch positionierte – stets abgelehnt wird), ist für die Antideutschen jegliche Form des Antiimperialismus Ausdruck einer antisemitischen Logik, da „regressive Kapitalismuskritik“ stets auf die Vokabeln reduziert werden, die einer vermeintlichen „jüdischen Weltverschwörung“ Futter gibt. Dass das jüdische Volk dabei nicht homogen ist, sondern in allen gesellschaftlichen Strukturen verankert (sowohl Arbeiterklasse als auch Bourgeoisie), wird geflissentlich ignoriert. Jüdischen Linken, die antizionistisch eingestellt sind, wird eine Form von Selbsthass attestiert wird, denn, wer sein Volk oder seine Kultur hasse, könne sich nur selbst nicht im Spiegel erblicken, und hab seinen Stand verwirkt, teil dessen zu sein. Eine Argumentationsweise, die man eher von patriotischen oder nationalistischen Struktur erwartet hätte. Antideutsche propagieren den Kampf gegen Staat und Nation, doch verteidigen den US-Imperialismus mit Verweis auf den Schutz Israels, was zur Bejahung der Vernichtung muslimischer Strukturen hindeutet, denn Antisemitismus, egal welcher Maske, ist grundsätzlich rassistisch konnotiert, derweil die antideutsche Islamfeindlichkeit stets eine progressive Haltung darstellt.

Die Aufgabe der Linken darf es nicht sein, das Schwarz-Weiß-Bild der Antideutschen zu übernehmen, sondern konsequent eine marxistische Analyse zu formulieren, und nicht davor zurückschrecken, das richtige Wort zu formulieren, selbst wenn es für die Nationalist*innen der Antideutschen einen „antisemitischen Beigeschmack“ hat. Die Kritik am bürgerlichen Staat ist nicht die Negation eines Volkes und deren Recht auf Existenz. Das Bürgertum hat keine Lösung für die Bekämpfung jeglichen Rassismus', sondern verlagert es stets. Die Bejahung des Existenzrechts Israel geht nur einher mit der Bejahung des Selbstbestimmungsrechts des palästinensischen Volkes. Es ist nicht die Aufgabe der politischen Linken, bürgerliche Staaten oder Imperialismen jeglicher Couleur zu verteidigen oder zu legitimieren. Die Antideutschen haben keine Antwort auf die Frage, wie die klassenlose Gesellschaft erreicht werden kann, wenn sie vom israelischen und US-amerikanischen Bürgertum nicht loslassen kann. „Bürgerliche Gelehrte und Publizisten treten als Verteidiger des Imperialismus gewöhnlich in etwas verkappter Form auf, indem sie die völlige Herrschaft des Imperialismus und seine tiefen Wurzeln vertuschen, dafür aber Einzelheiten und nebensächliche Details in den Vordergrund zu rücken versuchen“, schrieb Lenin bereits in seiner Schrift „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“. Diese Worte sind nach wie vor eins zu eins auf die gegenwärtige, antideutsche Strömung anzuwenden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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