Ein rechter Aufstand

Gelbwesten Die deutsche radikale Rechte instrumentalisiert die Bewegung in Frankreich. Anstatt gegen Benzinsteuern wird für die Souveränität der BRD und völkisches demonstriert.

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Seit mehr als einer Woche sorgen die sogenannten „Gelbwesten“ (französisch: gilets jaunes) in Frankreich für internationale Schlagzeilen. Am 17. November startete die erste großangelegte Demonstration, die sich primär auf die Erhöhung der Steuerabgabe auf Treibkraftstoffe bezieht. Ausgelöst wurde sie durch eine Online-Petition, die 300.000 Menschen auf die Straße brachte. Der Unmut über die höhere Besteuerung ist weitreichend auch eine Anklage gegen die reformistische Politik des Präsidenten Emmanuel Macron, woraufhin oppositionelle Parteien versuchten, die Bewegung für sich zu vereinnahmen. Neben der rechtsradikalen Rassemblement National (RS) schaltete sich auch Jean-Luc Mélenchon von der Bewegung La France Insoumise (LFI) ein, um den Protest stärker zu politisieren. Das Konzept der gilets jaunes wurde auch im frankophonen Teil Belgiens aufgegriffen, in dem ebenfalls Menschen auf die Straßen gingen. Bis zum heutigen Tag zählten die Demonstrationen in Frankreich mehrere hundert Verletzte und zwei Tote. Die Gewalteskalationen finden hauptsächlich in Paris statt, wonach sich die Bewegung von der Großstadt entfernte. Da die Bewegung noch sehr jung und im Begriff einer eigentlichen Politisierung steht, ist noch nicht abzuschätzen, welche Richtung sie einschlagen wird. Da sie vollkommen frei von politischen Organisationen spontaneistisch entstand, wurde sie auch von diversen Akteur*innen überrascht. Sie zeigt jedoch, dass der neoliberale Umbau der Französischen Republik unter Macron auf immer größeren Widerstand stoßen wird. Eine Kristallisation lässt aktuell jedoch eine mögliche Schlussfolgerung zu: die politische Linke schafft es bislang nicht, den Protest für sich zu gewinnen, derweil die radikale Rechte davon profitiert. Der Populismus der Massen ist ein leicht zu führendes Instrument der Rechten.

Neben Belgien, deren Proteste sich ebenfalls primär auf die Besteuerung des Kraftstoffes beziehen, formiert sich auch eine Gruppe in der BRD. Anders als die Gelbwesten in Frankreich ist die Intention der deutschen Gelbwesten durch mehrere Publikationen und Äußerungen jedoch bereits klar benannt. Teils anachronistisch muten ihre Forderungen, die unter einer dezentralen Fokussierung leiden. In sozialen Netzwerken versammeln sich Bürger*innen, die das französische Modell übernehmen wollen und gleichermaßen etwaige Besteuerungen anprangern, doch relativ bald entwickelte sich das Konzept in eine andere Richtung. Mit Bezug auf den buddhistischen Mönch Dalai Lama wird in diversen Foren der UN-Migrationspakt attackiert, wodurch eine rassistische Ausländerfeindlichkeit abstrahiert wird. Tageszeitungen wie die rechte Junge Freiheit stellen mittels antisemitisch konnotierter Karikaturen den unverbindlichen Pakt als direkte Kriegserklärung an die deutsche Bevölkerung da, was kritiklos in Foren der deutschen Gelbwesten geteilt wird. Katja Thorwarth zitiert in der Frankfurter Rundschau den Aktivisten Frank Stollberg mit den Worten, dass es „nichts Neues“ sei, wenn sich radikale Rechte im Netz vernetzen. Die Intensität dahinter werde durch „Verschwörungstheorien und Geschichtsleugnungen“ untermauert, wonach auch bei den Protestaktionen der Gelbwesten am 1. Dezember 2018 nicht weniger als von einer „Deutschen Revolution“ gesprochen wird.

Es existiert allerdings eine Art „Benimm-Katalog“, der die Aktionen und öffentlichen Darstellungen dieser Gruppen koordinieren soll. Obligatorisch wird sich von rechten und linken radikalen Methoden distanziert, was allerdings durch eines ihres Selbstverständnisses konterkariert wird. Neben dem Appell einer gewaltfreien Kommunikation mit politischen Gegner*innen wird ein ähnliches Konzept verfolgt, wie es die radikale Rechte seit Pegida anwendet. Es wird ein selbstauferlegter „Schutzraum“ konzipiert, der der eigenen Radikalisierung dient. Der daraus ziehende Zusammenhalt wird durch die Forderung „Vereinigt euch! Lasst euch nicht spalten!“ unterstrichen, der nicht von ungefähr an proletarische Parolen erinnert. Die Akteur*innen definieren sich als Teil der Arbeiterklasse, die sich als unparteiisch und selbstorganisiert verstehen, obgleich es dennoch Überschneidungen mit der Alternativen für Deutschland (AfD) gibt. Die Landessprecherin der AfD Schleswig-Holstein Doris von Sayn-Wittgenstein, der eine Nähe zur sogenannten Bewegung der Reichsbürger*innen attestiert wird, solidarisierte sich unlängst mit den gilets jaunes. Darüber hinaus bekannte sich das Frauenbündnis Kandel, eine von der AfD und weiteren rechten Organisationen unterstützte Bewegung, zu den Forderungen und Zielen der Gelbwesten.

Der jüngst veröffentlichte Forderungskatalog der Gelbwesten gibt einen weiteren Eindruck darüber, wohin die Reise gehen soll. Neben der Absetzung des Kabinetts Merkels wird ein Gerichtsverfahren gegen sie gefordert, in dem Glauben, dass die Regierung gegen geltendes Recht verstieß. Dahingehend bekennt sich die Bewegung auch bewusst zu Artikel 20 (4) des Grundgesetzes, wodurch sie ihre Forderungen ableitet. Etwas konzeptlos erscheint die Forderung nach der Verstaatlichung von Banken, Pharmaindustrien und der Bahn, da wenig später die absolute Abschaffung des parlamentarischen Systems gefordert wird. Der immense Widerspruch findet sich auch in der Aussetzung der Steuerpflicht, die durch weitere Forderungen wie der grundsätzlichen gerechten Bezahlung des „Volks“ in Form von kostenloser Bildung, Arbeitszeitverkürzung und der Herabsetzung des Renteneintrittsalters konterkariert wird. Der Katalog bedient sich vulgaristischer Kapitalismuskritik bei gleichzeitigem Bekenntnis eines völkischen Nationalismus. Besonders deutlich wird das bei der Anklage gegen eine nicht näher definierte „Frühsexualisierung“, der Impfpflicht und den Schutz und „Reinigung“ der Natur. Es ist eine deutlich rechts-esoterische, völkische Handschrift erkennbar, die mit der französischen Bewegung überhaupt nichts mehr gemein hat.

Ein weiteres Anliegen der deutschen Gelbwesten ist die „Wiederherstellung“ der staatlichen Souveränität, womit der rechte Duktus einer Besatzung der BRD angesprochen wird. Vermeintlich progressive Forderungen wie eine Cannabis-Legalisierung, der Entmilitarisierung oder der Medienfreiheit sind dabei klassische Instrumente der Querfront-Strategie, das bewusste Fischen in politisch linken Kreisen. Doch der Erfolg wird nicht gekrönt sein, denn aus ihrer rassistischen Ader wird ebenso kein Geheimnis gemacht, in dem mehrmals von „Messerimmigranten“ gesprochen wird, strenge Grenzkontrollen gefordert werden und die Flüchtlingspolitik grundsätzlich wie ein roter Faden durch die Diskussionen führt. Unterstützung erfahren die Gelbwesten von einschlägigen rechten Blogs, die die Gelegenheit für ihre rassistischen Eskapaden nutzen und dadurch die Bewegung in ihr absolute Gegenteil der Französ*innen kehrt. Es ist nicht auszuschließen, dass die Bird. Das Ausmaß dieser Spontaneität ist schlecht einzuschätzen, wird ihre Generalprobe jedoch im Dezember erleben, wenn dem nicht ein konsequenter Widerstand entgegengestellt wird. Antifaschist*innen und Linke muss bewusst sein, dass der französische Widerstand von deutschen Rechtsradikalen erfolgreich gekapert wurde, was unpolitische Menschen in absolut falsche Richtungen politisieren könnte. Die Struktur hinter den deutschen Gelbwesten ist eine dichte Vernetzung und Kommunikation rassistischer und patriotischer Persönlichkeiten, die mit hoher Wahrscheinlich in sehr geraumer Zeit auch von der AfD für sich in Anspruch nehmen wird.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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