Geordnete-Abschiebe-Gesetz

Asylverschärfung Die Vorlage des „Geordnete-Rückkehr-Gesetzes“ offenbart eine radikale Entrechtung von Flüchtlingen. Die Fakten zeigen jedoch, dass eine Gefahr von ihnen nicht ausgeht

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Geordnete-Abschiebe-Gesetz

Foto: Uwe Lein/AFP/Getty Images

Die „demokratische Rechte“ müsse sich in der Christlich-Sozialen Union (CSU) aufgehoben fühlen, sagte einst Günther Beckstein 2004. Und rechts von den Unionsparteien dürfe es nach Franz-Josef Strauß „keine demokratisch legitimierte Partei“ geben. Innenminister Horst Seehofer scheint sich diesem Mantra vollumfänglich unterworfen zu haben, als er das sogenannte „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“ am 17. April 2019 vorstellte. Inhaltlich wird de facto die Politik eines starken Rechtspopulismus vollzogen, der sich - so bestätigt es auch Seehofer - primär einer „gefühlten Gefahr“ seitens der Bevölkerung verpflichtet fühlt. Dem zusätzlich hat die Bundesregierung am selben Tag das Asylbewerberleistungsgesetz einer Revision unterworfen, was in Augen von Pro Asyl einer „Entrechtung“ von Menschen gleichkomme. Maßgeblich zentral stehen radikale Kosteneinsparungen, eine Verschärfung der Abschiebepolitik sowie eine Kriminalisierung der Zivilgesellschaft, die daran gehindert werden soll, geplante Abschiebungen in der Öffentlichkeit zu teilen. Zwar wurden Akzente der Gesetzesvorlage leicht entschärft - wie einer mittelfristigen Aussetzung der Abschiebung bei triftigen Gründen sowie die Streichung einer Verknastung von zehn Tagen bei fehlender Mitarbeit - bleibt die strikte Law-and-Order-Handschrift lesbar. Nicht erwähnte Politiker*innen der CSU waren darüber hinaus zwecks der Entschärfung entrüstet, was als indirekte Warnung gewertet werden muss, dass der Spielraum der Unionsparteien noch lange nicht ausgereizt ist.

Der vom Populismus zerfressene Gesetzesentwurf und die Politik der Rechtskonservativen, doch auch der Sozialdemokrat*innen, die sich trotz Versprechungen von besseren Integrationen mehrheitlich hinter das Paket stellen, konzentriert sich in der Argumentation auf subjektive Stimmungsbilder und „gefühlte Wahrheiten“, die in der Tragweite Flüchtlinge unter Generalverdacht stellen. Befeuert von Parteien wie der Alternativen für Deutschland (AfD) erfolgt eine graduelle, doch bestimmte Unterscheidung der Kriminalitätsstatistiken, die in der Interpretation rassistisch motiviert ist. Die Konsequenz bezüglich der Abschiebepraxis ist besonders mit Blick auf den mutmaßlichen Terroristen Anis Amri, der 2016 einen Anschlag in Berlin verübte, stets dem eigenen Interesse unterworfen. Während tatsächliche sogenannte Gefährder vom Staatsschutz und den Behörden faktisch freie Hand gelassen werden, ist die Abschiebung von Menschen, die gerade die Berufsschule oder eine Ausbildung erfolgreich beendeten, besonders drastisch. Die Unversehrtheit der Person gilt in der BRD in diesen Fällen tatsächlich nur denjenigen, die einen Identitätsausweis mit sich tragen - mit Hinblick auf rechtsradikale Netzwerke in den Polizeibehörden sollte es wenn möglich ein Pass der BRD sein. Im ursprünglichen Text wurde der Polizeigewalt mehr Machtbefugnisse zugeteilt, die ebenfalls durch eine kleine Entschärfung korrigiert wurde. Auch dieser Umstand wird von Seiten der CSU kritisiert, die nun bemängelt, die Polizei müsse an der Türschwelle halt machen, selbst bei einer Abschiebung. Das Menschenbild der sogenannten Christsozialen zeigt sein grässliches Gesicht.

Wenn es um Kriminalität geht, sind Statistiken das beste Geschenk der Befürworter*innen von Abschiebungen. Doch eine nüchterne Analyse dessen wird tunlichst vermieden, denn es wird der Kontext herausgezogen, der der eigenen Ideologie wohlgesonnen. Der Bericht des Bundeskriminalamt (BKA) zur „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ zeigt in einer allgemeinen Statistik aus dem Jahr 2017/2018 etwa 2.000.000 Tatverdächtige, wovon 8,5% Zuwander*innen waren. Im Bereich von sogenannten „extremistischen Straftaten“, das heißt politisch motivierte einer „ausländischen Ideologie“ zählt das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) 2017 1.187 Straftaten, wovon alleine 48% lediglich gegen Vereins- und Versammlungsgesetze verstießen. Zum Vergleich zählt das BfV (2017) bei rechten und rechtsradikalen Straftaten mehr als 20.000 Täter*innen, die etwa zur Hälfe rassistische und antisemitische „Hasskriminalität“ in sich vereinte. Angriffe auf Asylunterkünfte sind zwischen 2015 und 2017 zwar erheblich zurückgegangen, mit einer Anzahl von 312 handelte es sich dennoch um fast tägliche rassistisch motivierte Übergriffe und Angriffe auf Flüchtlingsheime. Das Ungleichgewicht der Straftaten ist der Bundesregierung und Horst Seehofer sehr wohl bewusst, doch es geht ihnen nicht um eine realistische Bestandsaufnahme, sondern dem Bedienen eines populistischen Phantoms, getrieben von einem grundsätzlichen Rechtsruck in der Gesellschaft.

Das Spiel geht dennoch auf. Die aktuellen Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zeigen beispielsweise dass bis auf Syrien mit einer Schutzquote von 85% Flüchtlinge aus Staaten wie Irak (Schutzquote von 36%), Nigeria (8,4%) und Georgien (0,5%) in großer Mehrheit abgeschoben werden. Im Zeitraum von Januar bis März dieses Jahres wurden 46.000 Asylanträge gestellt, wovon 18.500 abgelehnt wurden - eine Quote von 40%. Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, beanstandet gerade die niedrige Schutzquote von Menschen aus Nigeria, in das trotz des Wissens von „willkürlichen Festnahmen, Misshandlungen, Folter und außergerichtlichen Hinrichtungen“ schonungslos abgeschoben wird. Es wird alles daran getan, die kurzfristige humanistische Grenzöffnung von 2015 mit allen Mitteln zu „korrigieren.“ Selbst Menschen, denen im Herkunftsland Folter angedroht werden, sollen nach dem neuen Gesetz, sollten sie mehrmals straffällig werden, abgeschoben werden. Die Erleichterung dessen, was einer Entmenschlichung der Realpolitik der Bundesregierung gleichkommt, zaubert Seehofer jedoch ein Lächeln auf die Lippen. Das Strauß’sche Mantra hat er perfekt verinnerlicht, die Weichen werden weiterhin gestellt, die BRD radikal nach rechts zu schieben. Es sind die wirklich Gefährlichen, die bürokratische Arbeit im Staatsbetrieb vollziehen, als jene, die laut und deutschnational schreien. Horst Seehofer und die Bundesregierung - im Einklang mit einer gespaltenen SPD - führen in der sogenannten Flüchtlingspolitik das aus, was von ganz rechts stets gefordert wird. Es ist sowohl ein Angriff auf die Zivilgesellschaft, des legitimen Widerstands als auch des Menschenrechts, das die Christsozialen so sehr für sich gepacht haben.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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