Grenzen der Pressefreiheit

Debatte „Reporter ohne Grenzen“ sieht die Pressefreiheit in der BRD in Gefahr. Die Freiheit ist allerdings an ökonomische und ideologische Faktoren gebunden.

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„Reporter ohne Grenzen“ stufte jüngst die Pressefreiheit in der BRD auf Platz 13, was keine „gute“, sondern nur noch eine „zufriedenstellende“ Freiheit bedeutet. Begründet wird das primär mit sich häufenden Angriffen auf und Behinderung von Journalist*innen während Demonstrationen von Coronaleugner*innen. Der Schutz von Journalist*innen werde vonseiten der Polizeibeamt*innen nur unzureichend gewährleistet. Die Ausübung der Pressefreiheit wird allerdings nicht nur von rechten Demonstrant*innen behindert, sondern – anders als es im Bericht bemerkt wird – auch von der Staatsmacht an sich. So werden besonders Fotojournalist*innen, mehrheitlich bei der Dokumentation von Polizeigewalt gegen linke Demonstrant*innen, daran behindert, ihrer Arbeit nachzugehen. Direkte Übergriffe und Gewaltanwendungen sind dabei auch keine Seltenheit mehr. Hervorzuheben ist in diesem Kontext die Berichterstattung der Journalistin Kim Winkler, die unter anderem davon schrieb, dass ein Berliner Polizeibeamter „auch an Querdenker-Protesten teilgenommen hätte.“ Dass dadurch die vermeintliche politische Neutralität bedroht ist, weiß die vollziehende Staatsmacht durchaus. In einer kontroversen Online-Auseinandersetzung kam das Verhältnis zur Pressefreiheit zur Geltung, wonach Winkler mit Gewalt gedroht wurde. Wenn es hernach also um die Pressefreiheit geht muss die Frage genauer definiert werden, woran diese ihre Behinderung erfährt und besonders den ökonomischen und ideologischen Kontext der real existierenden Freiheit in der BRD betrachtet werden.

Die Pressefreiheit wird in der westlichen Demokratie gerne als Identifikation der Freiheit an sich interpretiert, wonach sich entsprechende Entwicklungsprozesse zu orientieren hätten. Das ist bei „Reporter ohne Grenzen“ deutlich, die von einem stark eurozentrischen Gesichtspunkt arbeitet und die Pressefreiheit von einem bürgerlich-ideologischen Moment aus definiert. Das führt zwangsweise zur politischen Wertung, die dialektischen Vielschlechtigkeiten und die Komplexität demokratischer Partizipationen entweder negiert oder einzig auf westlich definierte Eigenschaften reduziert. Die ökonomischen und ideologischen Komponenten, die die Pressefreiheit unter anderem in der BRD ausmachen, bewirken unweigerlich eine Monopolstellung, die in der Außenkommunikation der Herrschenden als „Vielfalt“ beschrieben wird. Doch dass Vielfalt nicht zwangsläufig zu einer demokratischen Partizipation führt und den Meinungsaustausch über die Ideologie hinweg bedeutet, wird durch Medienunternehmen wie Hubert Burda Media, Bertelsmann und Axel Springer deutlich. In den Händen dieser drei Konzerne befindet sich der Großteil der Vertriebe der Berichterstattung, darunter nicht nur boulevardeske Blätter wie „Bunte“ (Burda), „Barbara“ (Bertelsmann) und „BILD“ (Springern), sondern auch vermeintlich meinungsbildende Organe wie „Focus“ (Burda), „SPIEGEL“ (Bertelsmann) und „WeLT“ (Springer).

Konkret bedeutet das eine Zentralisierung der Meinungsübermittlung beziehungsweise eine Kontrolle der herrschenden Ideologisierung. Die Existenzberechtigung eines Medienorgans ist am ökonomischen Faktor gebunden, der durch den inszenierten Wettbewerb innerhalb der Medienkonzerne unabhängige Medien permanent schädigt. Doch neben dem ökonomischen Faktor spielt auch der ideologische Faktor eine nicht zu unterschätzende Komponente. So sind unabhängige Medien wie beispielsweise die „taz“, die sich mittels einer Genossenschaft mehr oder minder selbst tragen, durch die ideologische Reproduktion der herrschenden Ideen weitaus weniger gefährdet als dezidiert linke Zeitungen, die das ideologische Monopol, also in dem Fall die bürgerliche Herrschaft, infrage stellen. Dass die postulierte Pressefreiheit eine direkte Zensur jedoch verhindert, stört die Herrschenden jedoch nicht, eine unmittelbare Einflussnahme im Sinne der Verteidigung der Pressefreiheit im engen Sinne vorzunehmen. Das ausschlaggebende Beispiel in dieser Debatte ist die Tageszeitung „junge Welt“, die nicht nur in ihrem Vertrieb eine Behinderung erfährt, sondern seitens der Herrschenden mithilfe des Inlandsgeheimdienstes effektiv daran gehindert wird, das verbriefte bürgerliche Recht der Pressefreiheit wahrzunehmen.

Die Meinungsfreiheit wird zwar nicht eingeschränkt, wohl aber die Möglichkeit, diese kundzutun und unter die Bevölkerung zu bringen. Mit totalitarismustheoretischen Argumenten, wonach die „junge Welt“ normativ betitelt „linksextremistisch“ sei, wird die Pressefreiheit dahingehend unterminiert, dass das Zerrbild einer Staatsgefährdung herbei geschworen wird. Die Ironie dahinter ist freilich, dass die Ideologie einer herrschaftskritischen Zeitung den bürgerlichen Staat in den Grundfesten attackiert, wodurch die Ideologisierung der Herrschenden direkt zutage tritt. Während andere europäische Staaten linke und linksradikale Zeitungen nicht zum Objekt des Inlandsgeheimdienstes machen, legt die bürgerliche BRD jedes Kriterium einer Klassenherrschaft offen zur Schau: Die Pressefreiheit findet ihre Schranken dort, wo das eigene Monopol und die Gewalt infrage gestellt wird. Würde sich „Reporter ohne Grenzen“ dieser Offenheit ehrlich widmen, müsste sie die BRD auf dieselbe Stufe stellen wie von ihr definierte „Diktaturen“. Doch das würde nicht nur ihre Arbeit erübrigen, sondern das bürgerliche Narrativ einer Pressefreiheit erschüttern, denn: Die größte Gefahr einer wirklichen Freiheit der Presse ist nicht das Individuum, sondern die herrschende Staatsmacht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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