Grünwashing im Kapitalismus

Bio-Produkte Konzerne wie Bioland stehen als Aushängeschild eines grünen Moralismus um das Endstadium des Kapitalismus zu legitimieren und rechtzufertigen.

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"Wer beim billigen Discounter kauft, zerstört alles Schöne in der Landwirtschaft. Komm sei schlauer, kauf direkt beim Bauer!"steht Slogan auf einem LKW von Bioland im Südwesten Deutschlands. Eine ökologische Landwirtschaft ist prinzipiell nichts verwerfliches, allerdings hat sie im Kapitalismus zwei entscheidene Probleme: sie ist teuer und heuchlerisch. Der oft beteuerte Vorsatz, Arbeiter*innen auf dem afrikanischen und lateinamerikanischen Kontinent werden "fair" bezahlt schlägt sich mitnichtem im Preis nieder, denn die Bäuer*innen, die die Kaffee- und Kakaobohnen abbauen, verarbeiten und frachtfertig machen bekommen inflationsbereinigt nicht mal ansatzsweise den Lohn eines*r Facharbeiters*in. Sie mögen mehr verdienen als traditionelle Betriebe, doch ist dieses Mehrwert kaum der Rede wert. Es ist linksliberales Grünwashing. Der ökologische Faktor wird spätestens bei der Verfrachtung in frage gestellt, denn der dreckige Austoß von Flugzeugen und Schiffen machen keinen Unterschied zwischen einer konventionellen oder einer biologischen Fracht. Die Fairneß, die ihr in euren Produkten verkauft, ist keine ökonomische oder proletarische Gerechtigkeit, sondern eine oberflächliche Zielsetzung eines grünen Kapitalismus, sprich: Akkumulation von Kapital und weniger Ausbeutung der Arbeiter*innenklasse bei einer etwas längeren Beibehaltung der natürlichen Ressourcen.

Die ökologische Industrie ist fest verzahnt im Neoliberalismus und dient als moralisches Schutzschild zur Verteidigung des diskrepanten Mittelstands. Doch diesen Moralismus muß man sich leisten können. Und genau das wirft Bioland dann jenen vor, die in einem "billigen Discounter" einkaufen. Der ökologische Moralismus in Form von überteuerten Lebensmitteln ist ein Alleinstellungsmerkmal der Industriestaaten. Doch der internationale Klassenkampf findet in jenen Staaten im kleinen genauso statt. Es ist eine bewußte Entscheidung, seinen Lohn für ökologische Produkte auszugeben, es ist jedoch ein Affront, jenen Leuten es zum Vorwurf zu machen, die es a) nicht wollen oder b) schlicht nicht können. Die globalen Probleme werden dann auf sie abgewälzt, da der "billige Discounter... alles Schöne in der Landwirtschaft (zerstört)." Die dahinter fußende Dialektik treibt den ökologischen Moralismus auf eine neue Spitze. Wer sich den Moralismus nicht leisten kann ist hernach selbst schuld und als Sündenbock gebrandmarkt, worauf sich ein weiterer Teufelskreis zu etablieren weiß: Menschen, die keine biologisch einwandfreie Milch kaufen wollen wir nicht in unserer grünliberalen Mittelschicht haben.

Desweiteren ist der von euch hochgepriesene Bauer selbst in einer widersprüchlichen Lage. Neben der Arbeiter*innenklasse ist die sterbende Klasse der Bäuer*innen das größte Opfer der kapitalistischen Produktionsweise. Der verrohende Konkurrenzkampf bspw. um Butter und Milch (den Moralist*innen wie Bioland nur mit ein paar mehr Cent subventionieren) treibt den neoliberalen Wachstumsdruck ins groteske. Dadurch entsteht eine weitere Klassenspaltung, denn wenn ein Bauernhof es sich schlicht nicht leisten kann, ökologische Sojabohnen für das Vieh zu ordern, wird er quasi gezwungen, die dreckigen Regeln des tradierten Kapitalismus zu spielen. Der daraus resultierende Elitismus ist die eigentliche Verrohung der Endstufe des westlichen Kapitalismus, der versucht, sich mit solch Spinnereien selbst zu legitimieren und zu rechtfertigen. Darum nur noch eines, liebes Bioland: nicht der Mensch, der seine Nahrung in einem "billigen Discounter" kauft zerstört die "schöne Landwirtschaft", sondern das System und die derzeitigen Produktionsverhältnisse, in deren Verzahnung ihr mehr als fest verankert seid. Es mag sein, daß es Konzernen wie Bioland um das Wohl des Planeten geht und auch den Tierschutz, aber den Menschen stellen sie an zweite oder dritte Stelle und sehen es als gesetzt an, daß der Kapitalismus das Ende der Menschheit sei.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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