Wie erwartet wurde der konstruktive Misstrauensantrag der Alternative für Deutschland (AfD) in Thüringen abgelehnt. Die Landtagsfraktion der AfD wollte den Ministerpräsidenten der Linken, Bodo Ramelow, zu Fall bringen und ihren Chef, den Rechtsextremen Björn Höcke, als Kandidaten aufstellen. Während die AfD-Fraktion geschlossen für den konstruktiven Misstrauensantrag stimmte, votierten die Regierungsfraktionen der Linken, der Grünen und SPD dagegen. Die CDU, die mit Fraktionschef Mario Voigt die rot-rot-grüne Minderheitsregierung bis zur Sommerpause unterstützt, zog es vor, der Abstimmung fernzubleiben. Mit Hinweis auf Bedenken, dass Teile der CDU-Landtagsfraktion für Höcke stimmen könnten, verließen die Christdemokrat*innen geschlossen den Saal. Bereits zuvor wurde dieses Manöver angekündigt, was medial und politisch scharf kritisiert wurde: Wie weit rechts steht eine konservative Partei, die keine Garantie geben kann, dass niemand aus der Fraktion für einen Faschisten stimmt?
Dass die CDU nach rechts weit offen ist, ist weniger ein Geheimnis als vielmehr der politischen Realität geschuldet, dass diese Ideologie besonders in den sogenannten „neuen“ Bundesländern auf fruchtbaren Boden fällt. Auch in Sachsen-Anhalt paktiert die CDU taktisch mit den Rechtsextremen der AfD, besonders dann, wenn es gegen eine vermeintliche „Gefahr von Links“ geht. Thüringen steht hierbei exemplarisch für eine Entwicklung, die einerseits die kumulative Schwäche des bürgerlichen Parlamentarismus offenbart, andererseits eine diskursive Verschiebung der bürgerlich-konservativen Partei zeigt, die in der höchsten Phase des Kapitalismus nicht überraschend. Die Normalisierung der AfD, die 2013 als EU-kritische Partei aus der Taufe gehoben wurde und unterdessen mehr oder minder ein Sammelbecken rechts- und marktradikaler Ideologen darstellt, ist nicht nur bei konservativen Parteien hoch im Kurs, sondern auch dort, wo man sich vermeintlich liberal gibt.
Ein Blick nach Baden-Württemberg zeigt, wie diese Normalisierung gelebt wird: Der Kandidat der AfD im Südwesten, Bert Matthias Gärtner, wurde im Landtag im dritten Wahlgang zum stellvertretenden Mitglied des Landesverfassungsgerichtshofs gewählt. Die AfD selbst hat nur 17 Abgeordnete, Gärtner bekam allerdings 37 Stimmen. Während die SPD beteuert, geschlossen gegen den Kandidaten gestimmt zu haben, bleibt die Frage, inwiefern es Stimmen von den anderen Parteien – CDU und Grünen – gegeben hat. Bemerkenswert ist auch, dass sich die Grünen teilweise der Stimme enthielten – und so eine politische Positionierung verweigerten. Dieses taktische Manöver ist ein Indiz dafür, dass die AfD als legitimer Konkurrent akzeptiert wurde und im neoliberalen Unterbietungswettbewerb, der ebenfalls im Parlament ausgetragen wird, angekommen ist. Wenngleich die Partei keine faschistische Organisation ist, bietet sie dennoch versprengten Neofaschist*innen eine politische Heimat. Besonders der rechte Rand der AfD vermengt maskulinistische, chauvinistische und autoritäre und faschistische Elemente, die auf wenig bis keinen Widerspruch stoßen.
Trauriger Alltag
Die Übergänge ins bürgerliche Lager sind nicht von der Hand zu weisen. Auch das ist nicht verwunderlich, ist der deutsche Faschismus doch eine aus dem radikalisierten Kleinbürger*innentum entstandene Ideologie, die politisch die Großbürger*innen und Kapitalist*innen zwar politisch entmachtete – aber eben nicht ökonomisch. Mit Björn Höcke – der in seinen Ausführungen keinen Hehl daraus macht, wessen Geistes Kind er ist – ist mindestens eine Person auf der parlamentarischen Bildfläche vertreten, die sich zwar stets im Hintergrund hält, aber mit Taktiken wie der eines konstruktiven Misstrauensantrags dem bürgerlichen Parlamentarismus aufzeigt, dass Spielregeln schnell ad absurdum geführt werden können. Schon 2020 wurde mit den Stimmen der AfD Thomas Kemmerich von der FDP zum Ministerpräsidenten gewählt. Der daraus entstandene Sonderstatus, wonach die Minderheitenregierung unter Bodo Ramelow von Teilen der CDU und FDP unterstützt wurde, zeigt die Vulnerabilität einer Politik, die teilweise an den eigenen Regeln und Gepflogenheiten scheitert.
Wenngleich der Faschismus in Deutschland (noch) nicht die höchsten Ämter ergriffen hat, ist die Kungelei von den Grünen bis zur CDU ein erster Hinweis auf die Normalisierung einer Partei, die kein Problem mit Faschist*innen in den eigenen Reihen hat. Um eine potenzielle faschistische Gefahr jedoch im Keim zu ersticken, wäre ein konsequenter antifaschistischer Konsens notwendig, der die Nöte und Sorgen der Unterdrückten der Gesellschaft nicht außen vor lässt. Eine faschisierende AfD daran zu hindern, parlamentarische Macht zu ergreifen, darf niemals ein Bündnis mit bürgerlichen Kräften bedeuten, da das Bürgertum in der entscheidenden Phase – wie auch jüngste innenpolitische Geschehnisse zeigen – ständig Gefahr läuft, nach rechts zu kippen. Linke Alternativen und Gesellschaftsmodelle werden weiterhin mit harter Hand verfolgt, während rechte Alternativen und entsprechende Radikalisierungsprozesse mehr und mehr toleriert werden. Die Normalisierung der AfD gehört zum traurigen Alltag in einem Land, das es besser wissen sollte.
Kommentare 8
Gerade die permanente Ausgrenzung von Andersdenkenden als rechtslastig oder rechtsoffen treibt unzufriedene Bürger in die offenen Arme von AfD und faschistischen Rattenfängern. Dort angekommen, werden sie erst zu Gefährdern der Demokratie erzogen. "Macht mir den rechten Flügel stark", ist ja im Sinne von CDU, ... aber doch nicht im Sinne der Linken. Als neue Corona-Blockpartei und Hüter von Identitätsdus(s)eleien sägen sie trotzdem an ihrem eigenen Ast.
Link gerne gelesen, konstruktives Denken und Persönlichkeitsentwicklung bis zum zivilen Ungehorsam - ohne auszugrenzen - sowas mag ich ...
merci
Die Linke muss knallharte Sachpolitik bringen. Bloß keine Personaldebatten. Da freut sich nur die Konkurrenz. Viele Rentner tendieren zur AfD. Wenden sich ab von SPD und CDU/CSU. Die Leistungsträger (Mitte), Alten und die Jungen sind zu focussieren.
Kernkompetenz der Linken muss sein, HartzIV, Niedriglohnsektor, Rente, Pflege und Soziales in die Diskussion zu bringen. Bürgerversicherung sowie Rentenversicherung für Alle wie es die VDK Vorsitzende Frau Bentele fordert. Im Kontext zu Klima - und Entmilitarisierung.
Und sich von Marktradikalen und den Medien nicht unnötig in ideologische Debatten verstricken lassen.
Klimapolitik ist insofern wichtig, damit der Nachwuchs nicht den Grünen überlassen wird. Die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 ist notwendig um der Demokratie den entscheidenden Drive zu verpassen...
meine ich ...
Das Gesundheitswesen als öffentliche Daseinsvorsorge ist m. E. das oberste Ziel linker Ambitionen.
LG
Die weitere hohe Zustimmung der AfD in Thüringen ist das eigentliche Scheitern von RRG um Ramelow. Doch von Selbstkritik und Analyse ist wenig zu hören. Man verliert sich in handwerklichen Fehlern beim Regieren ... und redet schabloniert gegenüber der AfD wie einst die CDU in den frühen 9zigern gegenüber der PDS. Soll heißen ... eine echte Auseinandersetzung finden nicht statt. Das "Angekommen" symbolisiert sich in der Anrede im Landtag: "Demokratische Fraktionen". Am Ende wird es auch in Erfurt ein spätes Erwachen geben ...
Die potenzielle Gefahr gut antipiziert, Elisa Nowak.
„Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch.“ ???
Rechtes, eng nationalistisches, völkisches Denken oder eine assoziierte Organisationstruktur gibt es wohl in fast jedem Land, manchmal gesprenkelt mit einem mehr oder weniger eloquenten Antisemitismus, oder der gezielten Aussonderung einer anderen, oft ethnischen oder religiösen, Gruppe.
Wenn sich die darin prinzipiell angelegten politischen Spannungen in einer zivilen Weise entfalten, ist daran methodisch auch wenig auszusetzen.
Unglücklicherweise ist dies in Deutschland historisch nicht der Fall, hier zeigte sich eine rassistische, militaristische, organisierte Rechte oft tödlich polarisierend und hochgradig menschenverachtend.
Die theoretische und praktische Unterscheidung zwischen ‚zivilen‘ Rechten und der rassistisch-militaristischen Rechten konnte in Deutschland bisher nicht ausreichend erfolgen.
In einem parlamentarischen Set-up, das auf einfache, numerische Mehrheiten gebaut ist, wird sich eine parlamentarische Zusammenarbeit mit der AfD nicht vermeiden lassen, solange diese politische Ausrichtung ausreichend Wählerstimmen bekommt.
In der deutschen Realität macht eine allzu besessene AfD-Abgrenzung auch wenig Unterschied; falls die rechte Bandbreite durch die AfD nicht abgedeckt wird, stehen immer noch andere zur Verfügung, bis hinein in die schwarze, herrschende Staatspartei.
Nichtsdestotrotz, denke ich, dass an dem folgenden Brecht-Zitat immer noch sehr, sehr viel Wahres ist:
„Dass keiner uns zu früh da triumphiert -
Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!“
(»Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui«)
Natürlich ist es wichtig, zu verunmöglichen, dass sich der rechte Block weiter ausbaut, auch durch fortgesetzte Teilhabe in lokalen und nationalen Regierungsinstitutionen.
Die beste Möglichkeit dafür liegt, m.E., in der aktiven Konsolidierung und Kooperation der verschiedenen sozialen und ökologischen Positionen (sozialistisch über grün bis mitte-links) in der BRD.
Elisa Nowak schreibt: "Um eine potenzielle faschistische Gefahr jedoch im Keim zu ersticken, wäre ein konsequenter antifaschistischer Konsens notwendig...".
Die kommende Bundestagswahl wird die faschistische Gefahr erhöhen, weil es inzwischen die Desiderius-Erasmus-Stiftung gibt, die im November 2017 von der AfD gegründet wurde, also gleich nach der Bundestagswahl.
Damals erhielten die bestehenden Stiftungen der anderen Parteien (Heinrich-Böll-Stiftung der Grünen, Hanns-Seidel-Stiftung der CSU...) zusammen 581 Millionen Euro, die nach Proporz unter den im Bundestag vertretenen Parteien verteilt werden. Dieses Mal sitzt die AfD mit großer Wahrscheinlichkeit am Verteilungstisch, obwohl ihre Klage, an der Mittelvergabe nach der Wahl 2017 beteiligt zu werden, scheiterte. Das bedeutet, dass deren Stiftung entsprechend des Wahlproporzes ca. 60 Millionen Euro an Steuergeldern zufließen könnten. Damit lässt sich durchaus faschistische Politik betreiben. Die demokratischen Parteien sind anscheinend nicht bereit, diesen Vorgang zu hintertreiben, weil es wohl keinen juristischen Grund gibt, die Stiftung der AfD anders zu behandeln, außer das gesamte Stiftungswesen würde umgemodelt werden. Aber davon sind die demokratischen Parteien weit entfernt.
Die afd ist doch FleischvomFleisch und BlutvomBlut der CDSU.
Da die Konzernmedien allerdings, in Tateinheit mit den Parteien, jegliche Kritik am Regierungskurs als rechts dämonisieren, treiben sie denen doch die Hasen in die Küche.
Ich stamme aus der Zeit als Regierungskritikern nachgesagt wurde sieseien "von Moskau bezahlt".