Das Ende der Linkspartei

Jubiläum Am 16. Juni feierte die Linkspartei ihr 15-jähriges Bestehen. Angesichts der dramatischen Lage der Partei, sowohl intern als auch extern, wird es womöglich der letzte Geburtstag sein.

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Vor wenigen Tagen, am 16. Juni 2022, feierte die Linkspartei ihr 15-jähriges Bestehen. Der Zusammenschluss aus PDS und der SPD-Linksabspaltung WASG war der Versuch, eine moderne sozialistische Partei in der ganzen Bundesrepublik zu etablieren. Der damit einhergehende Pluralismus sollte bis heute ein Markenkern der Partei sein, der es sich zum Anspruch machte, mehr oder weniger ein breites Spektrum an linken Ideologien und Strömungen unter einem Dach zu vereinen. Konsequenterweise war und ist die Linkspartei daher auch kein Mitglied einer sozialistischen Internationalen, jedoch auf EU-Ebene in Strukturen verankert. Während die PDS aus der ehemaligen Regierungspartei der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) - die SED - hervorkam, war die WASG ein Sammelbecken von linken Sozialdemokrat*innen und Kritiker*innen der Agenda 2010, die von der damaligen SPD-geführten Bundesregierung gegen großen Widerstand aus der Arbeiter*innenklasse durchgeboxt wurde. Die PDS selbst war bereits eine besonders im Osten der Republik verankerte, teils pluralistische Partei, die sowohl Marxisten-Leninist*innen als auch rechte Sozialdemokrat*innen in sich vereinte. Strenggenommen war der Zusammenschluss vor 15 Jahren mehr ein Schlucken der WASG in die Strukturen der PDS, mit besonderer Betonung auf innerparteilicher Strömungen, die bis heute die ehemaligen Vorgängerorganisationen reflektieren.

Was ist aus dem Anspruch geblieben, eine Partei der Schwächsten der Gesellschaft zu sein? Da sowohl PDS als auch WASG nicht in einem luftleeren Raum entstanden, kamen beide bereits mit Ballast, Erfahrungen und Misskonzeptionen in die Runde, sich neu zu konstituieren. De jure ist die Linkspartei Nachfolgeorganisation der SED, was in der parlamentarischen Auseinandersetzungen mit anderen Parteien bis heute Zentrum ist, wenn es darum geht, der Partei wie auch immer eine Regierungsverantwortung abzusprechen. Genau diese Debatten sind erneut maßgeblich, denn die Partei steht vor einem massiven Scherbenhaufen. In den vergangenen Jahren, spätestens seit der Bundestagswahl 2017, entwickelte sich die Organisation hin zu einer Partei, die den bürgerlichen Parlamentsbetrieb vollends verinnerlichte und die Überwindung des Systems nur noch als Fernziel proklamiert, ohne auszubuchstabieren, wie der „demokratische Sozialismus“, wie er im Parteiprogramm verankert ist, genau aussehen wird. Besonders dramatisch sind auch Sexismus-Vorwürfe sowie das Aufweichen von Positionen, die eigentlich unverrückbar schienen, doch heute zur Diskussion gestellt werden, gerade in Hinblick auf den außenpolitischen Charakter der Partei.

Die zentrale Frage, die sich stellt, muss beim kommenden Parteitag in wenigen Wochen beantwortet werden. Nach 15 Jahren steht die Frage im Raum, was von den Ursprungsideen noch übrig ist und ob die Partei in der Lage ist, die Rolle zu spielen, die sie sich einst selbst gab. Will sie sozialistische Partei sein, mit dem Anspruch, den Kapitalismus zu überwinden hin zu einer klassenbefreiten Gesellschaft, oder wird sie den Weg der Bündnisgrünen und der Sozialdemokrat*innen gehen, das heißt den Verrat an den eigenen Idealen weitertragen und einen reformistischen als auch opportunistischen Kurs fahren, um die herrschende Klasse nicht zu verunsichern? Alles deutet schlechterdings darauf hin, dass sich die Partei in die Bedeutungslosigkeit zwingen wird. Linke Kritiker*innen innerhalb der Strukturen werden mundtot gemacht, derweil Kriegstreiberei und selbst der urdeutsche Russlandhass sich in den Parteivorständen bemerkbar macht. Die Erfahrung zeigt abermals eindrucksvoll, dass eine Regierungsverantwortung, wie derzeit in Berlin, Thüringen und Bremen, die Partei in das Dilemma zwingt, einerseits sozialistische Partei dem Namen nach zu bleiben, doch Politik nach den Regeln des Kapitals zu machen. Derzeit sind Stimmen zu hören, die die Partei als Partei der Mieter*innen und sozial Schwachen verstanden wissen möchten, derweil sie in actumieter*innenfeindliche Politik betreibt und den Sozialstaat als Grundakteur versteht, den sie, so wird es immer deutlicher, mit sozialistischen Ideen parallelisiert, und hiernach selbst eine Absage an theoretische Grundpositionen negiert.

Bei der vergangenen Bundestagswahl konnte die Partei nur dank dreier direkt gewonnener Mandate einziehen, denn sie scheiterte formal an der Fünf-Prozent-Hürde. In den vergangenen zehn Jahren ist der Trend unumkehrbar nachzuzeichnen, wonach die Linkspartei immer dann abgestraft wurde, wenn sie sich anmaßt, Regierungsverantwortung zu übernehmen. Wohin die Reise gehen wird, ist eigentlich schon längst gesetzt: Eine sozialistische Oppositionspartei wird diese Organisation nicht mehr, dafür sind die Reformist*innen und Freund*innen bürgerlicher Parteipolitik zu stark in Führungspositionen vertreten, die jeden innerlinken Konflikt, zuletzt zur Frage des Ukraine-Krieges und diverser Erklärungsmuster, im Keim ersticken. Politiker*innen treten aus, es wird mit infantilen Vorwürfen eine emotional-persönliche Ebene betreten, die aus der Linkspartei einen regelrechten Scherbenhaufen macht, der nicht nur einfach ein „Update“ benötigt, sondern eine Bezugnahme auf existenzielle Fragen, die sich in seiner Notwendigkeit begründet. Das Projekt einer pluralistisch-sozialistischen Partei ist gescheitert, der permanente interne Konflikt lähmt die Entwicklung der Partei, wonach eigentlich nur eines bleibt, um zu überleben: zurück zu wirklich sozialistischen Idealen und die Absage an jegliche bürgerliche Anbiederung.

Der Kampf dafür scheint nicht zu gewinnen. Es wird lieber ein dichotomes Weltbild herangezogen und rezipiert, um komplexe, objektive Bedingungen zu erklären, um so dann Kritiker*innen in den eigenen Reihen kaltzustellen. Prominentestes Beispiel ist der derzeitige außenpolitische Kurs in Hinblick auf Russland und der Ukraine. Bis tief in die Reihen der Linken ist Solidarität mit der Ukraine vermengt mit einem extrem einseitigen Blick auf geostrategische Interessen, die zu dieser Eskalation seitens der Russischen Föderation führte. Es wurde ein Punkt erreicht, wonach alleine das Gedankenspiel, man müsse Frieden mit Russland schaffen, der Aufschrei so immens ist, dass man seinen eigenen Gedanken nicht mehr folgen kann. Die Linkspartei hat es geschafft, sich im bürgerlich-kapitalistischen System gemütlich zu machen und somit jedes Ideal verraten. Vor dem Parteitag ist letztlich nach dem Parteitag: Der Geburtstag mutiert zu einer Existenzkrise. Da helfen auch keine warmen Worte und optimistische Gedanken weiter. In der BRD gibt es derzeit keine sozialistische Partei, die sich wirklich für die Belange der Ärmsten der Armen einsetzt, in einer Intension, die über das Sektierertum hinausgeht. Falls es zu einer sozialistischen Revolution kommen sollte, man darf das allmählich infrage stellen und sich dem Zynismus hinwenden, wird sie definitiv nicht in der BRD stattfinden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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