Keine Einheitsfront

Fusion von SPD und Linke Eine Fusion zwischen Linke und SPD wäre unter den heutigen Begebenheiten eine schlechte Entscheidung. Erst bei einem sozialistischen Minimalkonsens wäre sie denkbar.

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"Alleine der Größe wegen würde die SPD die Linkspartei formal schlucken"
"Alleine der Größe wegen würde die SPD die Linkspartei formal schlucken"

Michele Tantussi/Gettyimages

Wenn es um Bündelung von linken Kräfte geht, steht primär die Frage des theoretischen Dissens im Raum. Laut dem Tagesspiegel könnte sich der ehemalige Finanzminister der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und heutiges Mitglied der Linkspartei Oskar Lafontaine eine Fusion der genannten Parteien vorstellen. Auch Daniel Cohn-Bendit von den Grünen erklärte im Interview mit der taz vom 8. Juni 2019 mit Hinblick auf den sozialdemokratischen Charakter der Linkspartei eine Rettung der „zersplitterten Linken“ nur mit einem Zusammengehen. Namentlich werden Katja Kipping (Linke) und Juso-Chef Kevin Kühnert genannt.

Während Kipping für den reformistischen Flügel steht repräsentiert Kühnert den verbleibenden linken Flügel der SPD, der sich nicht weigert, genuine sozialdemokratische Punkte anzusprechen, beispielsweise die Frage nach einer Verstaatlichung von Schlüsselindustrien. In welchem Verhältnis der Produktionsverhältnisse sowie der Funktion des Staates es stattfindet, bleibt natürlich unbeantwortet, ist im Charakter der Sozialdemokratie jedoch durchaus abstrahierbar. Sowohl die Linkspartei als auch die SPD wurden bei der EU-Wahl abgestraft, zusammen kämen sie auf etwa 21%. Den Verlust von 11,5% zur vorherigen Wahl könnte die SPD zwar nicht auffangen, dennoch wäre sie dem Verständnis einer Volkspartei ein Stück näher. Die grundsätzliche Frage, die daran hängt, ist allerdings die Zukunftsperspektive der Sozialdemokratie und die historische als auch gegenwärtige Rolle der Arbeiter*innenklasse.

Die SPD erlebt aktuell etwas verspätet den üblichen Niedergang der europäischen Sozialdemokratie. Sowohl in Frankreich, Italien als auch Griechenland spielt die traditionelle Sozialdemokratie keinerlei Rolle mehr, da sie an ihrem eigenen Widerspruch im Zusammenhang mit dem System zugrunde gingen. In der BRD spielt die Linkspartei eine historisch besondere Rolle, denn nach der „Wiedervereinigung“ wurde anders als in den ehemals stalinistischen Blockstaaten eine Transformation vollzogen, die die ehemaligen staatstragenden Parteien entweder zur Sozialdemokratie zwangen oder in die Bedeutungslosigkeit. Die Rolle Deutschlands war jedoch gekennzeichnet durch eine starke SPD, die die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) – der Vorgängerorganisation der Linkspartei – in die Rolle einer pluralistischen Partei links der SPD brachte, welche als Brückenkopf sowohl für Kommunist*innen als auch Reformist*innen fungierte.

Das Dilemma, das der Linkspartei innewohnte, war der widersprüchliche Anspruch einer genuin linken Opposition, die das Ziel einer Regierungsbeteiligung verfolgt. Durch die Verschmelzung mit der Wahlalternativen für Arbeit und Sozialen Gerechtigkeit (WASG) – einer Linksabspaltung der SPD aus dem Jahre 2004 – wurde das Ziel einer modernen sozialistischen Partei verfolgt. Ohne einer näheren politisch-theoretischen Positionierung wurde links der SPD Platz genommen mit dem weitgehenden Anspruch, eine große Fläche linker Ideen zu vereinen. Während die SPD seit knapp 20 Jahren einem kontinuierlichen Niedergang gegenübersteht, wurde die Linkspartei in eine Position gezwungen, darauf zu reagieren. Während der linke Flügel rote Haltelinien verabschiedete bis hin sich dazu bekannte, eine revolutionäre Partei aufzubauen, entwickelte sich ein rechter Flügel, der in den Reformen den Ausweg aus dem Kapitalismus zu sehen mochte, ohne ihn jedoch infrage zu stellen.

Eingeständnis der historischen Niederlage

Dieser reformistische Weg, welcher sich in Regierungsbeteiligungen in Berlin, Brandenburg, Berlin und höchstwahrscheinlich in Bremen abzeichnet, ist sowohl Belastungsprobe für die innerparteiliche Demokratie und Ausrichtung als auch für die Außendarstellung der Partei als solcher. Als eine Partei der Arbeiter*innen wird die Linkspartei zwangsläufig zur Verwalterin des Kapitalismus, hiernach auch in Stellung gegen die Interessen der Arbeiter*innenklasse, wenn sie in Regierungsverantwortung ist. Die euphorisch begleitenden Sondierungsgesprächen zwischen SPD, Grünen und Linkspartei in Bremen sind hierbei kein „starkes Signal“ für eine Weichenstellung, sondern sedierende Negation des eigenen Bewusstseins. Zynisch wird es besonders, wenn die Linkspartei in Bremen gewichtete Punkte des Wahlprogramms aufgibt, um Verankerung im Apparat zu erreichen. Sonach befindet sich die Linkspartei in der idealen Position, die SPD als sozialdemokratische Partei zu beerben, wonach die Frage durchaus ihre Berechtigung hat, ob eine Fusion mit der SPD einen Sinn hat. In dieser Konstellation wäre es jedoch keine Stärke des linken Lagers, sondern Eingeständnis des historischen Niedergangs und der absolut fehlenden politischen Perspektive, die in der Zeit des Spätkapitalismus essenziell ist, besonders für die politische Linke. Alleine der Größe wegen würde die SPD die Linkspartei formal schlucken und letztlich in die Nichtigkeit schicken, besonders dann, wenn der Name der SPD beibehalten wird. Es würde den linken Flügel der SPD nur kurzfristig stärken, derweil der der Linkspartei vernichtet wird, was ein Zirkelwesen nach sich ziehen wird, denn eine genuin revolutionäre Partei hat aktuell nahezu keine Chance auf parlamentarischer Ebene.

Nichtsdestoweniger ist eine absolute Absage an Fusionsgedanken naiv. Wer eine Fusion alleine aus subjektiv-organisatorischen Erwägungen ablehnt, verkennt den Gedanken der Einheitsfront der Linken. Würde sich aus einer Fusion eine tatsächlich spürbare Stärke einer angriffslustigen Linken ergeben, die sich nicht scheut, die Systemfrage zu stellen – und hiernach auch eine pragmatische Radikalität an den Tag legt – würde sie eine fehlende Stimme ergeben. Radikale Ideen und das Bewusstsein zur Überwindung des Kapitalismus sind keine losen Ideen, sondern unausweichlich im Interesse der Arbeiter*innenklasse.

Ganz besonders mit Blick auf die Klimakatastrophe steht die zentrale Frage im Raum, auf welchem Wege diese geklärt werden soll. Das ist eines der Gründe der kurzfristigen Stärke der Grünen, welche jedoch nicht lange brauchen werden, um am eigenen Anspruch zu scheitern. Anstatt auf parlamentarischem Wege die Frage zu eruieren, wie „Mehrheiten“ bewerkstelligt werden, gilt es nun, den eigenen Kompass neu zu justieren und anzuerkennen, dass die Sozialdemokratie keine Antwort auf die herrschenden Bedingungen hat. Es wäre schlechterdings ein doppelter Untergang der Linkspartei, würde sie die Gedankenspiele in Realpolitik umsetzen. Um der Arbeiter*innenklasse eine schlagkräftige Stimme zu geben, bleibt nichts anderes übrig, nicht nur semantisch und mit Samthandschuhen den Kapitalismus infrage zu stellen, sondern konkrete Forderungen an konkrete Bedingungen zu knüpfen. Erst wenn es eine starke sozialistische Opposition mit dem Willen einer Umwälzung gibt, ergibt es Sinn, über Fusionen innerhalb des linken Spektrums zu diskutieren, um die Einheit zu wahren. Das ist heute nicht gegeben. Es ist lediglich der Hilferuf der sterbenden Sozialdemokrat*innen, ihren Niedergang in die Länge zu ziehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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