Kunst gegen Corona?

#allesdichtmachen Mehr als 50 Schauspieler*innen wenden sich in Clips gegen die Coronamaßnahmen. Ob trotz oder wegen der Ironie: die Nähe zu Leugner*innen ist unübersehbar.

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Die Coronapandemie hat die BRD seit mehr als einem Jahr fest im Griff. Um sie unter Kontrolle zu bringen, werden Verordnungen und Allgemeinverfügungen unterschiedlicher Intensität verabschiedet, welche in ihren Ausrichtungen jedoch sehr einseitig sind. Kritik daran gibt es seit der ersten Verabschiedung – und das nicht nur von verschwörungstheoretischer Seite wie der Querdenker*innen. Um die Pandemie langfristig zu besiegen respektive zu kontrollieren, kommt man um Maßnahmen, die die primären Verbreitungen eindämmen, nicht herum. Weil es eine Tröpfcheninfektion ist und Aerosole eine wichtige Rolle spielen, ist die Einschränkung des direkten Kontaktes ein wichtiger, aber nicht einziger Faktor. Die BRD-Regierung fokussierte sich jedoch im vergangenen Jahr größtenteils nur auf den sozialen und privaten Faktor, wonach nach aktueller Verordnung beispielsweise nur eine weitere Person eines anderen Haushaltes getroffen werden darf oder nächtliche Ausgangssperren verkündet wurden. Die „Wirtschaft“ wird nach wie vor nicht in die Pflicht genommen, diverse Appelle unterstreichen viel mehr ihre Wirkmächtigkeit im herrschenden System. Alternative und wirksame Konzepte wie ein solidarischer, ökonomischer Lockdown finden demgemäß kein Gehör. Wenn man einzig auf die Impfung und starker Beeinträchtigung sozialer Kontakte setzt, wird man der Pandemie nicht Herr, sondern verzögert sie weiter nach hinten, was verständlicherweise nach mehreren Monaten faktischem „Dauer-Lockdowns“ zu Erschöpfung, Frustration und Hoffnungslosigkeit führt.

In diese Bresche sprangen nun mehr oder minder namhafte Schauspieler*innen, die unter #allesdichtmachen in kurzen Videoclips Kritik an den Coronamaßnahmen äußern. Dass das künstlerische Leben faktisch eingefroren ist und in der Berücksichtigung diverser Hygienekonzepte und Abstandsregelungen keinen Eingang in Verordnungen findet, ist dabei mindestens fragwürdig und zu kritisieren. Der Appell der Schauspieler*innen wirft allerdings nach Betrachtung der einzelnen Clips die Frage auf, was man eigentlich gedachte, zu bewirken. Die durch und durch voller Zynismus und Ironie produzierten Clips lassen kein konstruktives Dialogangebot erkennen, sondern spielen auf einer eklektischen Klaviatur der Widersprüchlichkeit. Statt die Coronamaßnahmen in ihren Auswirkungen einer Kritik zu unterziehen, scheint der Minimalkonsens der Schauspieler*innen zu sein, sowohl die Maßnahmen als auch die Pandemie an sich infrage zu stellen. Wenngleich sich mittlerweile einige der Akteur*innen nach harter Kritik davon distanzierten, wird eine allgemein postulierte Angst als Instrument herangezogen, was die Intention dahinter in die Bredouille bringt, mehr mit Coronaleugner*innen gemein zu haben als wissenschaftlicher Kritik.

So werden neben der Ansteckungsgefahr und Tödlichkeit des Virus' minimale Vorsichtsmaßnahmen negativ-instrumentalisiert, in dem sich beispielsweise empört wird, man erfahre sofort eine Kritik, trüge man keinen Mund-Nasen-Schutz. Gedankt wird auch der Medienlandschaft, welche vermeintlich jede Kritik vermissen lässt und die Aufrechterhaltung der „Angst“ durch die Bundesregierung unterstützt und verbreitet. Wenn alsbald auch die Teststrategie in die Lächerlichkeit gezogen wird und Äußerungen fallen wie, „nur mit einem negativen PCR-Test“ dürfe man einen PCR-Test machen, ist man sich gar nicht mehr sicher, ob man nun bei einer lokalen Querdenker*innen-Kundgebung ist oder Schauspieler*innen zuhört. Dieser skeptizistische Ansatz kommt immer wieder zum Ausdruck, in dem verlautbart wird, dass man sich über nichts mehr sicher sein dürfe und man eine „eigene Meinung“ oder „selbst denken“ lieber lassen solle. Unterstrichen wird das durch die Informationskampagne der BRD, wie man sich während einer Pandemie zu verhalten hat (Abstandsregelungen, Informationen zur Impfkampagne u.dgl. m.), das in deren Dialektik als befreite Meinungsfreiheit verstanden wird und man sich, so ein Akteur der Clips, einer preußischen Tugend nähere. Anleihen an Gedankengut, wonach die Maßnahmen als autoritärer Mechanismus verstanden wird, der auch nach der Pandemie verankert bleibt, hört man ebenfalls.

Hier wird deutlich, dass sich die Schauspieler*innen eher einer emotionalisierten Betrachtung widmeten als empirischer und nachweisbarer Fakten. Der Vorwurf, sie würden ein eher rechtes Narrativ bedienen, das unter dem Deckmantel der „Freiheit“ fungiert, wird mindestens dreimal unterstrichen, als dass man gar nichts mehr sagen dürfe, weil man keinen Applaus von „rechts“ wolle. Das Spiel, das hier getrieben wird, ist offenkundig: mit überspitzten, wissenschaftsfeindlichen und libertaristischen Argumenten soll auf das Versagen der BRD hingewiesen werden, die Pandemie irgendwie unter Kontrolle zu bringen. Allerdings ist nicht klar erkennbar, was der Sinn dahinter genau sein soll und die Frage weiterhin im Raum stehen bleibt, was anstelle eines Lockdowns geschehen soll. Denn es ist mehr als deutlich erkennbar, dass sich hier nicht direkt Betroffene der Coronapandemie meldeten, die in einer ökonomischen Existenzkrise stecken und in der Arbeitsstätte nur unzureichenden bis keinen Schutz erfahren. Die Entfremdung wird dadurch nur weiter torpediert, besonders weil ein Narrativ der Verharmlosung benutzt wird, welches selbst in einer ironischen Absicht seine Wirkung nicht verfehlt. Ob die Ironie bei einigen Akteur*innen nicht vielmehr ein Schutzmechanismus ist, um in ihrem Namen das auszusprechen, was auszusprechen gedacht ist, liegt ebenfalls auf der Hand, besonders wenn es um die politische Komponente linker und rechter Einordnung geht: Applaus von „links“ sei erwünscht, der von „rechts“ verpönt.

Was bleibt ist ein absurder und eklektischer Versuch von Schauspieler*innen, die in ihrer Funktion als Künstler*innen jeden Grund haben, Kritik zu äußern und empört zu sein. Doch dieser Weg, wie er hier eingeschlagen wurde, ist der völlig falsche. Die Pandemie mit all ihren Folgen, den Intensivstationen auf Anschlag, der Toten, Mutationen und nicht zu unterschätzenden Langzeitfolgen sind nicht wegzudiskutieren und alltägliche Realität. Die Maßnahmen, die die BRD-Regierung verabschieden, haben eine völlig falsche Priorisierung, unter der auch die Kunst leidet. Dennoch ist die subkutan propagierte Nachricht der Akteur*innen der Clips, den Lockdown zu lockern, ebenfalls der falsche Weg. Vielmehr müsste ein konsequent harter Lockdown kurzer Intensität, der insbesondere die Wirtschaft betrifft und jede Produktion und jeden Vertrieb für wenige Wochen einstellt, die nicht lebenswichtig sind, der notwendige Weg sein. In dieser Hinsicht ist #allesdichtmachen nur zu begrüßen, mit hoher Priorität der Betriebe, Büros und Schulen. Hernach ist das, was die Schauspieler*innen verbreiteten, nicht nur ein Schlag ins Gesicht der Covid-Toten und Schwächsten der Gesellschaft, die besonders stark unter der Pandemie und Krise leiden, sondern es reicht auch denen die Hand, die all das, was in den Clips zu hören ist, frei jeglicher Ironie, auf die Straße tragen. Der Applaus von rechts bleibt also gewiss.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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