Linksruck der CDU. War da was?

Kapitalismus Die CDU hat nie einen Linksruck erfahren. Es liegt in der Logik eines regenerativen Kapitalismus, sich selbst "sozialer Geschenke" zu verpflichten.

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Man hört sie spätestens seit drei Jahren krakeeln und schreien. Das rechtsliberale Bürgertum und ihr Anhängsel hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Bundeskanzlerin mitsamt ihrer Partei eines Linksrucks zu bezichtigten. Ausschlaggebend war der Sommer der offenen Grenzen 2015, als ein scheinbar liberaler Humanismus die Gesellschaft überkam. Doch neben der Flüchtlingspolitik wird den Christdemokrat*innen vorgehalten, im Schulterschluss mit der SPD den Mindestlohn, die Energiewende und andere progressive Taten durchgebracht zu haben. Alles scheinbar linke Grundthemen? Blickt man hinter die Fassade, ist schnell ersichtlich, dass an dem vermeintlichen Linksruck nichts übrig bleibt. Der Bruch des Vorwurfs lässt sich schon dann manifestieren, wenn beleuchtet wird, in welchem Kontext eine Verschiebung der Wahrnehmung vonstatten ging resp. wie der gesellschaftliche Wandel seinen Einfluss darauf hatte. Eine Politik ist nie ein starres Momentum, sondern stetiges Spiegelbild der herrschenden Bedingungen. Der Vorwurf eines expliziten Rucks in ein politisches Lager lässt sich jedoch weitgreifender deuten und veranlasst eine stringentere Betrachtungsweise.

Um den Punkt der Flüchtlingspolitik zu behalten, treibt Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer Partei und den Koalitionspartner*innen mitnichten eine Politik der offenen Grenzen, sondern war stets darauf bemüht, die sogenannte "gesteuerte Migration" arbeitgeberfreundlich, d.h. im Sinne des Kapitals zu beeinflussen. Der daraus kolportierte Rassismus war dahingehend kein unerwünschter Nebeneffekt, sondern notwendiges Instrument. Wie weit es die Christdemokrat*innen mit der Nächstenliebe halten, ist beim schmutzigen Deal mit der Türkei ersichtlich, bei der die ärmsten der Armen bereits an der Festung Europas zugrunde gehen. Wobei es hier sekundär ist, ob sie die Balkan- oder Mittelmeerroute bedienen. Der vermeintliche Liberalismus der CDU ist der Deckmantel einer rigorosen Abschottungspolitik, die auch mit offenem Zynismus bedient werden, wenn beispielsweise Afghanistan oder die Mahgreb-Staaten als sicherer Länder deklariert werden sollen.

Die Quintessenz dessen lässt sich auch im derzeitigen internen Streit der Unionsparteien beobachten. Der Wandel des Konservativismus hat sich im Laufe der letzten fünf Jahre ein interessantes Instrument bedient: die diametralen Zielsetzungen bei gleichbleibender, desaströsen Analyse. Natürlich geht es bei der CSU auch um die Landtagswahl in Bayern, jedoch bemüht sich der rechte Flügel des Konservativismus lediglich einer maroderen und direkteren Sprache. Grundsätzlich eint die Unionsparteien jedoch dasselbe Ziel: die Stärkung des Standordnationalismus, die Bekämpfung der globalen Flüchtlingsproblemen anhand von Abschottungsphantastereien und die Forcierung des Klassenkampfes durch Konkurrenzkampf. Dadurch, dass sich viele Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt bewähren müssen, wird bewusst eine Feindseligkeit im Proletariat provoziert, die auch vom "liberalen" Flügel der CDU befeuert wird.

Der eigentliche Linksruck der CDU ist keiner, sondern die rationale Weiterentwicklung des politischen Konservativmus im 21. Jahrhundert. Die subjektive Empfindung resultiert aus der Stärke des rechten Flügel. Spätestens sei Aufkommen der AfD traut sich auch der Rechtskonservativismus in der Union Stellung zu beziehen, lautstarkt, polemisch und irrational. Es liegt in ihrer politischen Natur, einen gesellschaftlichen Rollback zu etablieren, d.h. auch die Negation der progressiven Anpassung des rechten Bürgertums in den herrschenden Zeiten. Angela Merkel und ihre CDU werden als liberale Kraft stilisiert, der sie nicht gerecht sind und werden können. Das Novum in Deutschland ist das politische Sprachrohr des Teils der Gesellschaft, die nie verschwunden waren, die einen Patriotismus und Wohlstandnationalismus fordern ohne Beachtung der eigentlichen ökonomischen Verhältnissen. Es ist dem Kapitalismus ein sehr willkommenes Geschenk, die derzeitigen Flüchtlingsbewegungen und Kriege für protektionistische Ziele zu instrumentalisieren, um den eigentlichen Feind der Gesellschaft - das Kapital - reinzuwaschen.

Die CDU hat nie einen Linksruck erfahren. Es liegt in der Logik eines regenerativen Kapitalismus, sich selbst "sozialer Geschenke" zu verpflichten, um seinen Sturz und Niedergang in die Länge zu ziehen. Diese vermeintlichen "Geschenke" an die arbeitende Klasse und Bevölkerung soll darüber hinwegsehen, dass das heutige Wirtschaftssystem nur Elend, Krieg, Ausbeutung, Terror und Naturkatastrophen produziert. Um den Widerstand in den eigenen Reihen zu unterdrücken, wird alljährlich versprochen, eine "soziale Politik" zu betreiben, in dem jeder, der hart arbeitet, an Wohlstand heranzuführen. Es ist die Aufgabe der Unionsparteien, diesen Schein hochzuhalten. Das vermeintlich liberale Gesicht der Kanzlerin und der CDU ist der natürliche Abwehrmechanismus des Kapitals.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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