Mein rechter, rechter Platz ist (nicht) frei

Sitzordnung Die FDP will nicht mehr neben der AfD sitzen und fordert, mit der Union zu tauschen. Dabei gibt es für die Liberalen politisch und ideologisch keinen besseren Platz.

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Der neue Bundestag konstituiert sich am 26. Oktober 2021; ob es dann bei einer „Ampel“-Koalition oder einer „Jamaika“-Koalition sein wird, wird bis dahin wohl noch längst nicht entschieden sein. Nichtsdestoweniger haben die Freien Demokrat*innen (FDP), die sowohl eine CDU- als auch eine SPD-Regierung stützen würden, verlauten lassen, die Sitzordnung im Plenarsaal ändern zu wollen. Seit ihrem Einzug 1949 sitzen die FDP-Abgeordneten rechts von den Unionsparteien. Mit Hinweis auf die Alternative für Deutschland (AfD), die seit 2017 rechts neben der FDP sitzt, wollen sie faktisch den Platz mit der Union tauschen, die sich jedoch vehement dagegen wehrt. Die Spitze der Liberalen argumentiert, dass ihr Platz in der „Mitte“ sei, wie es ihr selbstgewählter Anspruch widerspiegele. Sie würden nichts mit den Rechtsnationalist*innen der AfD verbinden. Die Sitzordnung setzt sich aus dem klassischen Rechts-Links-Schema zusammen, das auf die verfassungsgebende Nationalversammlung 1789 in Frankreich zurückführt: vom Präsidenten aus links saßen die Republikaner*innen, rechts die Monarchist*innen. Dieses Muster hat sich auch in der BRD gefestigt. Heute entscheidet die Ordnung freilich nicht mehr über die Republik oder die Monarchie, sondern ist in Gesellschaftsentwürfen verankert, die sich im klassischen Duktus zumeist auf ökonomische und gesellschaftliche Felder konzentrieren.

Dass die FDP seit dem 1. Bundestag rechts der Union sitzt, ist hiernach nicht dem Zufall geschuldet. In ihr versammelten sich nach Ausrufung der BRD verschiedenste Strömungen des Liberalismus, der sowohl Sozial- als auch Nationalliberale miteinbezieht. Sie stimmten damals nicht nur nicht dem sogenannten „Entnazifizierungsverfahren“ zu, sondern forderten auch eine Straflosigkeit von faschistischen Kriegsverbrecher*innen. Faschistische Kräften konnten hiernach durchaus ein Zuhause finden. Allerdings siedelten sich bereits vor der AfD Fraktionen rechts der FDP im Deutschen Bundestag an. Von 1953 bis 1957 zogen die Vertriebenenpartei GB/BHE, die deutschnationalistische und monarchistische Deutsche Partei (DP) sowie die katholisch geprägte Zentrumspartei ein. Damals war die Nähe von FDP und Deutschnationalen durchaus näher als heute, wenngleich es sich bei der Frage um die AfD um ein tiefergehendes Moment handelt, dass durchaus eine nähere Betrachtung der Schnittmengen von FDP und AfD ratsam ist. Denn dass die Freien Demokrat*innen bis jüngst nie Probleme hatten, rechts von den Unionsparteien zu sitzen, ist politischen Wirklichkeiten zu verdanken, die darauf schließen lassen, dass die FDP sich selbst zwar als Partei der Mitte versteht (welche Partei tut dies fei nicht?), ausgehend von materiellen und messbaren Werten jedoch im rechten Spektrum einzuordnen ist.

Zieht man den Begriff des Etatismus heran, kommt die FDP gar nicht herum, die Nähe von Sozialdemokrat*innen und Bündnisgrünen zu meiden. Denn wie schon in den Gesprächen zur „Ampel“-Koalition ersichtlich ist, steht besonders diese Frage in einem entscheidenden Diskurs. Die liberale Ideologie der FDP mündet in einen schlanken Staat, der sich den Gesetzen des neoliberalen Kapitalismus unterwirft; ähnlich wie übrigens auch besonders der wirtschaftsliberale Flügel der AfD bemüht ist, zu betonen. Die kulturalistischen Unüberwindbarkeiten von AfD und FDP, die sich im gesellschaftlichen Duktus vereinen, stehen dabei jedoch nicht im Widerspruch zur ökonomischen Schnittmenge, die sich in der Verteidigung des Kapitalismus in unterschiedlicher Intensität widerspiegelt. Die Unionsparteien als konservativ-bürgerliche Kraft steht hiernach mit der Regulierung des Kapitalismus näher am sozialdemokratischen Staatsglauben, als eben die teils libertären Grundzüge der deutschen Liberalen. Auch die Vehemenz in individuellen Freiheitsrechten steht inhaltlich näher an den Rechtsnationalist*innen. So waren es besonders die AfD und FDP, die sich als Kritiker*innen der Politik zur Coronapandemie verstanden; auch eint beide die teils wissenschaftsfremde Argumentation, die das individuelle Bestreben über die kollektive Einheit stellt.

Dass die AfD faschistoide Flügel besitzt, die marktwirtschaftlichen Freiheiten befremdlich gegenüberstehen, macht die Nähe nicht widersprüchlich, sondern in ihrer dialektischen Vielschichtigkeit, auch in Hinblick auf das Erstarken faschistischer Bewegungen in den 1920- und 1930er Jahren, erklärbar. So war und ist es das Kleinbürgertum, das den Faschismus stärkt, eine Klasse, auf die sich auch der politische Liberalismus stützt, was jedoch keine immanente Gleichsetzung bedeutet. Es bedeutet vielmehr, dass in der Verteidigung der kapitalistischen Wirklichkeit gegen jede (politische) Entfremdung eine liberalnationalistische Einheit unausweichlich ist. Das wird nicht nur in Teilen des Wirtschafts- und Sozialprogramms der beiden Parteien deutlich, die besonders die Schwächsten der Gesellschaft trifft, aus unterschiedlichen Perspektiven: ob gegen Ausländer*innen oder Arbeiter*innen gewettert wird, ist dabei sekundär, da sich das selektive Narrativ hier nicht abgrenzt, sondern ergänzt. Welch teils verbalradikale Propaganda besonders die Jugendorganisation der FDP bemüht, ist dabei häufig auf der Nachrichtenplattform Twitter zu sehen. Sowohl die FDP als auch die AfD sind trotz ihrer kulturalistischen Unvereinbarkeit Parteien der selbsternannten gehobenen Mittelschicht, die weiterhin dem Traum verfallen ist, im herrschenden System als emporsteigende, und hiernach gewinnende, Mehrheit wahrgenommen zu werden. Dass die FDP zwischen den Unionsparteien und der AfD sitzt, ist also politologisch und ideologisch nicht zu beanstanden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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