Naht das nd?

Medien Wie geht es weiter mit der linken Tageszeitung „neues deutschland“? Die Entwicklungen offenbaren ein falsches politisches Bewusstsein seitens der Linkspartei

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Das Verlagshaus der sozialistischen Tageszeitung „neues deutschland“ in Berlin
Das Verlagshaus der sozialistischen Tageszeitung „neues deutschland“ in Berlin

Foto: Dirk Sattler/Imago Images

Sind die Tage des neuen deutschland (nd) gezählt? Den Mitteilungen der vergangenen Tage nach scheint das nicht auszuschließen zu sein. Das ehemalige Zentralorgan der SED, das heute de facto zu 50 Prozent in den Händen der Linkspartei ist, erhielt von eben dieser Partei die Information, dass geplant sei, die GmbH aufzulösen. Begründet wird das vom Geschäftsführer der „Neues Deutschland Druckerei und Verlag GmbH“ Matthias Schindler – welcher im Besitz der restlichen 50 Prozent ist – damit, dass die linke Tageszeitung „modernisiert“ werden müsse. Diese Entscheidung des Prozesses fiel jedoch ohne Rücksprache mit der Belegschaft, die durch diesen Schritt keine Umgestaltung der Zeitung sieht, sondern deren faktische Abwicklung.

Dass das sich selbst als „sozialistische Tageszeitung“ verstehende nd innerhalb vergangener Jahre in der Außendarstellung mehr und mehr den historischen Hintergrund gerückt ist und hiernach auch die politische Ausrichtung vernebeln will, wird nicht nur in der Verkürzung des Namens deutlich. Davon abgesehen bedeutet dieser Schritt für die freien und fest angestellten Journalist*innen und weiteren Arbeiter*innen eine unsichere Zukunft. Denn wenngleich die Linkspartei vorschlug, eine Verlagsgenossenschaft zu gründen, hüllt sie sich in Schweigen darüber, ob sie Teil dieser Entwicklung sein möchte oder nicht. Der Gedanke an eine Verlagsgenossenschaft, ähnlich wie bei der taz und der jungen Welt, stößt dabei nicht auf Ablehnung. Die Frage ist mehr, so nd-Redakteur Daniel Lücking, welche Rolle die Linkspartei dabei spielen wird.

Bürgerliche Trennung zwischen Partei und Medien

In einer (bevorstehenden) Weltwirtschaftskrise die subkutane Entscheidung anzustoßen, Arbeitsplätze zu vernichten respektive in Form einer Umgestaltung diese zu gefährden, ist besonders für eine Partei zynisch, die sich der Verteidigung der Rechte von Arbeiter*innen verpflichtet fühlt. Die Begründung, eine „journalistische Unabhängigkeit“ würde sich nicht entfalten, wenn eine Partei Anteile am Verlag halte, ist unglaubwürdig, weil es unweigerlich die Frage aufwirft, ob das neue deutschland seit der Umwandlung in eine GmbH denn keine „journalistische Unabhängigkeit“ praktizierte. Die Unabhängigkeit ist jedoch immer eine subjektive, die sich der politischen Ausrichtung unterordnet; hiernach ist es sekundär, ob eine Zeitung nun in Teilen von einer Partei getragen wird oder nicht, denn den eigentlichen Charakter des nd wird es dadurch nicht ändern, so auch keine zusätzliche „Unabhängigkeit“ erwirken.

Vielmehr scheint die Befürchtung im Raum zu stehen, dass die permanent fallenden Abozahlen die finanzielle Frage aufwerfen, wonach die Gesellschafter*innen kein Interesse haben, in etwas zu investieren, dass kaum oder keinen Mehrwert abwirft. In dieser Debatte greift die kapitalistische Logik, in der die Zeitung als Produkt verstanden wird, welches sich in einem Wettbewerb zu vermarkten hat, um zu überleben. Der Inhalt scheint keine zentrale Rolle zu spielen, dabei ist es gerade für linke Periodika essenziell, den Mehrwert nicht über die Akkumulation zu definieren, sondern der Bewusstseinsbildung der Massen.

In diesem Sinne ist eine Genossenschaft durchaus der bessere Weg als die GmbH. Doch die Problematik liegt in dem zeitlichen Druck und der unzureichenden Kommunikation nach innen. Der politische Charakter spielt dabei eine weitere wesentliche Rolle, die von der Linkspartei jedoch rein bürokratisch betrachtet wird. Dass das nd nicht als Parteiorgan verstanden werden soll, ist in Teilen nachvollziehbar. Jedoch ist eine Zeitung auch immer ein Organ der politischen Information und Kommunikation. Die Trennung zwischen Partei und Medien ist eine bürgerliche.

„Gründet eine Genossenschaft – oder das war’s“

Eine sozialistische Partei und eine sozialistische Zeitung haben dasselbe Interesse, wodurch eine politische Bindung eher zu fördern ist, als die Trennung zu forcieren. Das Rückziehen auf formaljuristische und politisch aufgebauschte Debatten, die eine „Unabhängigkeit“ postulieren, zeugt eher von einem Generalversagen, den eigenen politischen Charakter anzupassen. Will heißen: Der Skandal ist nicht, dass das neue deutschland von einer GmbH in eine Verlagsgenossenschaft umgestaltet werden soll, sondern er ist jener, dass eine sich als sozialistisch verstehende Partei es als Hindernis interpretiert, eine sozialistische Zeitung zu halten.

Anstatt die Zeitung abzustoßen, ist es dringender, die politische Ausrichtung zu verschärfen. Wenn die Doktrin wirklich lautet „Gründet eine Genossenschaft – oder das war’s“, dann offenbart das in Verbindung mit der auch in der Linkspartei wieder aufkommenden Flügelkämpfe die Kapitulation in einer Phase des vulnerablen Kapitalismus’. Die Medienlandschaft ist geprägt von groß- und kleinbürgerlichen Blättern, die mehr oder minder das herrschende System stützen und verteidigen. Die notwendige linke Gegenwehr ist schwach und den Klassenkämpfen ständig ausgesetzt.

Wenngleich sich das neue deutschland nicht als revolutionäres Blatt versteht, bietet es Raum und Möglichkeiten, Stimmen zu lesen und zu hören, die eine grundsätzliche Kritik am bestehenden System formulieren. Die Verteidigung des nd, die Verhinderung der Abwickelung und die Forderung, einen konsequent sozialistischen Kurs einzuschlagen, ist dabei besonders in diesen Zeiten eine unabdingbare Notwendigkeit. Das neue deutschland ist das mediale Ebenbild der Linkspartei und ihrer Führung. Der Versuch, es abzuwerfen, kann nur scheitern, denn seine Geschichte ist eng mit der Partei verbunden. Die Lanze, die gebrochen werden muss, ist klar: Die Einheit der linken Kräfte steht über verschiedene Formen der Organisation. So ist es nicht widersprüchlich, sondern folgerichtig, diese Einheit zu wahren und zu verteidigen. Das nd und die Linkspartei sind Ausdruck desselben historischen Prozesses und der simultanen Ausrichtung im sozialistischen Pluralismus.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden