Wieder nichts neues

Parteigründung Am Sonntag gründete sich mit dem Bündnis Deutschland eine weitere faktische Abspaltung der AfD. Trotz ihrer Distanzierung von der Partei haben sie mit ihr mehr Gemeinsamkeiten, als ihnen genehm ist.

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Das rechte Lager erfuhr am vergangenen Sonntag eine Neugründung. In Fulda trafen sich etwa 50 Interessierte, die die Partei Bündnis Deutschland (BD) ins Leben riefen und damit nach eigenen Angaben die Lücke zwischen der CDU und der AfD füllen wollen. Anders als Bernd Lucke 2015 mit den Liberal-Konservativen Reformern und die nicht mehr existenten Parteien Blaue Partei von Frauke Petry aus 2017 und Aufbruch deutscher Patrioten Mitteldeutschlands von André Poggenburg aus 2019 ist das BD keine gezielte AfD-Abspaltung. Besonders im Parteivorstand versammeln sich ehemalige Unionsmitglieder und Mitglieder des Bürgerlich-Freiheitlichen Aufbruchs, dessen Vorsitzender Mario Mieruch ist, der erst Mitglied der AfD war und später kurzzeitig in den Abspaltungen Blaue Partei und LKR. Dem eigenen Verständnis nach positioniert sich das BD rechts von der CDU und links von der AfD, was auch klar im (provisorischen?) Grundsatzprogramm ersichtlich ist. Ob es dabei bleibt, wird sich im Januar zeigen: Dort wollen sie ihren ersten Parteitag abhalten. Dabei ist jetzt schon ersichtlich, dass es sich ideologisch um eine marktradikale Alternative zur AfD handelt, die mit ihr mehr Gemeinsamkeiten hat, als sie zugestehen möchten.

Wirft man einen Blick auf das Grundsatzprogramm, werden Parallelen zur Bürgerallianz Deutschland deutlich, die im Januar 2021 gegründet wurde. Das ist wenig verwunderlich, denn deren Gründer Stefan Große ist auch Bundesvorsitzender der BD. Dem Vernehmen nach soll die Bürgerallianz in die BD überführt werden. Doch wie positioniert sich nun die BD, die sich primär gegen Ideologien stellt und für Bürger*innen dar sein möchte? Dieses Narrativ wird von jeder (rechts-)bürgerlichen Partei bedient, welche letztlich selbst ideologisch argumentiert, was aber gar nicht zu vermeiden ist. Das BD ist davon ebenfalls nicht gefeit. Interessant ist dabei, dass sie sich im ersten Punkt mit der Klimapolitik beschäftigt und wenig übrig für die Bekämpfung des Klimakollaps hat. So wird sowohl für Atomkraftwerke als auch die Beibehaltung von Kohlekraftwerken plädiert, während später im Programm im nationalen Rahmen gefordert wird, einzig etwas gegen die Symptome des Kollapses zu unternehmen. Konterkariert wird das vermeintliche Umweltbewusstsein der Rechtsbürgerlichen mit einem Plädoyer des Individualverkehrs und dem Bekenntnis zum „Autoland Deutschland“. Einen Ausbau des öffentlichen Netzwerks im ländlichen Raum weisen sie mit Hinweis auf zu hohe Kosten ab.

Herzstück ist jedoch einerseits das Bekenntnis zur marktradikalen Ideologie und einer vermeintlichen Tradition des Deutschen. Während die Bürgerallianz Deutschland noch den Austritt der BRD aus der Europäischen Union forderte, begnügt sich das BD mit der Kritik, dass die BRD unter der aktuellen Schuldenpolitik der EZB zu leiden habe. Der EU-Skeptizismus erinnert dabei an die Anfänge der AfD, in dem beispielsweise gefordert wird, den EU-Apparat zu entbürokratisieren, sowohl nationale als auch regionale Tendenzen zu stärken. Ihr Marktradikalismus zieht ist dabei auch im innenpolitischen Profil erkennbar, in dem das ohnehin schon stark entstellte „Bürgergeld“ abgelehnt und als „bedingungsloses Grundeinkommen“ diffamiert wird. Für einfache Werktätige hat die Partei jedoch nicht viel übrig, denn ihr arbeitspolitischer Fokus liegt auf der Stärkung des Kleinbürger*innentums und einer agrarischen Orientierung. Auch Rentner*innen werden alleine gelassen: als Marktradikale befürworten sie selbstverständlich wie die FDP eine Aktienrendite. So ist es auch nur konsequent, dass migrationspolitisch eine Abschottung befürworten und geflüchtete Menschen in ökonomisch wertvolle und wertlose Menschen unterteilt werden: nur wer primär der Wirtschaft diene, könne bleiben. Das alles klingt schon eher nach AfD.

Was bei Rechtsbürgerlichen freilich nicht fehlen darf, ist die Verteidigung tradierter, familiärer Werte sowie ein entschlossener Kampf gegen eine vermeintliche „Sprachpolitik“. Das Gendern wird als Eingriff auf die Freiheit des Einzelnen interpretiert und mit Verweis auf die Entwicklung der deutschen Sprache abgelehnt. Dabei argumentieren sie, dass Sprache „organisch wächst“ und man daher „Neuschöpfungen“ als Angriff auf die deutsche Identität ablehne. Dass Gendersprache allerdings ebenfalls ein subjektiver Ausdruck objektiver Bedingungen und Entwicklungsgrade ist, wird dabei wissentlich ignoriert. Trotz ihres Bekenntnisses zur Wissenschaftspolitik halten die Rechtsbürgerlichen allerdings nicht viel von wissenschaftlichen Erkenntnissen – ungeachtet dessen, ob bei der Sprache oder der Pandemiepolitik. Bei letzterem plädieren sie freilich alle Maßnahmen fallen zu lassen und positionieren sich gegen eine Impfpflicht, die ohnehin keine Bedeutung in der BRD mehr hat.

Was bleibt? Das BD erfindet nicht das Rad neu, sondern reiht sich ein in weitere rechtsbürgerliche Organisationen, die mit der AfD nichts anfangen können, aber in ihrem Dunstkreis existieren. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich sowohl frustrierte Unionsmitglieder als auch rechte FDP-Mitglieder dahin verirren, ist dabei genauso hoch wie ein Abwandern von marktradikalen AfD-Anhänger*innen. Allerdings wird diese Partei wohl kaum das (vermeintliche) Vakuum schließen können, da die CDU – und besonders ihre bayerische Schwesterpartei – selbst daran arbeiten, den rechten Flügel zu stärken. Dass besonders im Osten immer wieder die Union mit der AfD auf verschiedenen Ebenen zusammenarbeitet, ist dabei kein Zufall, sondern ideologische Konsequenz. Dafür braucht es keine BD, die wahrscheinlich das gleiche Schicksal erleiden wird wie Bernd Lucke, Frauke Petry und Jörg Meuthen – mit großem Geschrei in die Bedeutungslosigkeit verschwinden. Vielmehr zeigt sich hier ein subjektiver Ausdruck, etwas retten zu wollen, was nicht mehr zu retten ist. Das Programm verweigert sich der Anerkennung der objektiven Realität und rezipiert die Illusion, dass das herrschende System zu retten ist, in dem man reaktionäre Mittel anwendet. Das wird nicht funktionieren, was auch gut so ist. Die Parteiensplitterei der (klein)bürgerlichen Klasse und Kapitalist*innen wird die Krise des herrschenden Systems nicht aufhalten können.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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