Die Freiheit des Wortes?

Pressefreiheit Der Farbanschlag auf die junge Welt ist Teil einer politischen Entwicklung einen medialen Konsens zu erzwingen, der jede oppositionelle Stimme mundtot machen möchte. Gerade jetzt ist eine Zeitung wie die jW mehr als nötig.

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Bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr ist die marxistische Tageszeitung junge Welt Opfer eines Anschlags respektive Einbruchs. Verschafften sich am Freitag, dem 8. April 2022 Unbekannte gewaltsam Zugang zu den Räumen der Redaktion, fand vom Dienstag auf den Mittwoch dieser Woche ein Farbanschlag auf das Gebäude der Tageszeitung in Berlin statt. Mit dem Schriftzug Fuck Putin soll wohl darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der Tageszeitung um ein Kreml-Propagandablatt handelt beziehungsweise eine putinfreundliche Linie vertreten wird. Dass dem freilich nicht so ist, wird jedem ersichtlich, der nur einen kurzen Blick in die tägliche Berichterstattung der jungen Welt wirft. Es geht dabei gar nicht mehr um einen differenzierten Blick in der medialen Aufarbeitung politischer Geschehnisse, sondern um die Festigung eines klassenpolitischen Blockes, dem auch sehr viele Linke und sich selbst als solche Bezeichnete unterworfen haben. Dass dabei die junge Welt besonders ins Visier der herrschenden Klasse und der von der Kriegspropaganda eingelullten Individuen steht, ist wenig verwunderlich, macht sie doch keinen Deut aus ihrer klassenpolitischen Orientierung im Sinne einer befreiten, sozialistischen Gesellschaft.

Dass die Zeitung und Redaktion nach wie vor vom Inlandsgeheimdienst beobachtet wird, ist dabei Teil des Ausdrucks des herrschenden bürgerlichen Rechts und des Postulats der zu verbreitenden Ideologie, welche seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine am 24. Februar 2022 besonders kenntlich wird. Die Aufgabe von Journalist*innen und Medienschaffenden ist primär eine Einordnung objektiver und subjektiver Bedingungen. Dass sie dabei nicht wertneutral arbeiten können, sondern einen gesonderten Standpunkt einnehmen, liegt in der Sache an sich. Denn der Journalismus war und ist noch nie unpolitisch und neutral gewesen. Seit zwei Monaten wird das im bürgerlichen Presseblock ganz deutlich, der sich nahezu geschlossen hinter die Propaganda der herrschenden Klasse stellt und einen tief im deutschen Geschichtsbewusstsein verankerten Russlandhass verbreitet, welcher unter anderem von der jungen Welt entschieden bekämpft wird. Die konsequent und radikale linke Linie des Blattes wirkt für die herrschende Klasse wie ein Störfaktor, der bekämpft gehört. Die Zeitung steht dabei exemplarisch für eine gefährliche Entwicklung, die die gesamte politische Linke betrifft, welche sich in den vergangenen Tagen stark verdeutlichte.

Temporäre Verbote von roten Flaggen und Symbolen der Arbeiter*innenbewegung, ein schleichender russophober Geschichtsrevisionismus und die Verherrlichung rechtsradikaler und faschistischer Elemente in Teilen der ukrainischen Elite machen den Kampf gegen diesen Amoralismus wichtiger denn je. Attacken auf Friedensbewegte und andere kritische Stimmen, die den Krieg in seiner Vielschichtigkeit analysieren und sowohl Russland als auch die NATO kritisieren, werden immer häufiger und der Vorwurf, man sei eine Kolonne Putins wirkt dabei wie eine gefühlte Entlastung des Deutschen, sich endlich seiner selbst bewusst zu werden, und klar zu benennen, wer der Todfeind ist und schon immer war. Geht es gegen den Russen und Russland ist man zu allem bereit, da hat Differenziertheit, Ausgewogenheit und Nüchternheit keinen Platz mehr. Der Farbanschlag auf die junge Welt ist Teil dieser reaktionären Entwicklung, die alles und jeden mundtot machen will, die es nur wagen, Opposition zu betreiben. Natürlich wähnt man sich dabei in der Sicherheit, alles andere als rassistisch zu sein, gleichwohl russischstämmige Menschen in der BRD seit Wochen Diskriminierung erfahren und erleben. Man pocht dabei auf die hochgelobte Pressefreiheit, doch verbietet russischsprachige Kanäle und macht es deutschen Blättern schwer, zu überleben.

Die mediale Berichterstattung ist immer und ausschließlich Ausdruck der ideologischen Bestimmung im herrschenden System. Oppositionelle Meinungen und Stimmen werden zu einem gewissen Grad toleriert und unter dem Deckmantel der Pressefreiheit hochgehalten, jedoch ist die Grenzziehung sehr konkret und klar definiert. In der BRD ist im Umgang mit der jungen Welt seit Jahren ersichtlich, wie es darum bestimmt ist. Der Inlandsgeheimdienst und seine Bürokrat*innen gehen dabei so weit, selbst den Marxismus als eigenständige Ideologie mit den Grundsätzen der BRD und seiner Staatsraison als verfassungsfeindlich zu deklarieren, um überhaupt nicht den Anschein zu erwecken, als gäbe es eine Alternative zum derzeitigen Wirtschaften und Leben. Dabei ist die Geschichte der Menschheit kein mechanistisches Moment, sondern seinen dialektischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen und keine Ideologie sowie kein System ist auf ewig in Stein gemeißelt. Der Krieg in der Ukraine wird als Vorwand genutzt, einen ideologischen und propagandistischen Feldzug im Inneren zu führen, um ureigene Interessen zu verteidigen und zu festigen. Die schleichende Kriminalisierung der jungen Welt sowie der Einbrüche und Farbanschläge sind nicht im luftleeren Raum entstanden, sondern Ausdruck der toxischen Entwicklung in einem Land, in dem der Russlandhass seines gleichen sucht. Der Chauvinismus mit all seinen hässlichen Seiten bahnt sich seinen Weg, und die Presse mach mit. Kritische Gegenstimmen sind da unerwünscht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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