Satire als Ausdruck der Wut

Freiheit des Wortes Wenn Satire die herrschende Klasse in Aufruhr bringt und Rage zwingt, hat sie - wie Hengameh Yaghoobifarahs Kolumne - alles richtig gemacht.

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Die Kolumne „All Cops are berufsunfähigHengameh Yaghoobifarahs hat bundesweit einen Shitstorm ausgelöst. Nicht nur arbeiten sich Rechtsradikale daran ab, sondern auch Vertreter*innen höchster Ämter des bürgerlichen Staates. Nicht nur die rechtslastige Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) fühlt sich genötigt, formal juristische Wege einzuleiten. Auch CSU-Innenminister Horst Seehofer hat lauthals angekündigt, die Kolumnistin anzuzeigen. Begründet wird das unter anderem damit, dass Yaghoobifarah eine „Enthemmung der Worte“ herbeiführen würde, welche zu „Gewaltexzessen“ führe. Die jüngsten Ausschreitungen in Stuttgart geben Seehofer dabei genug Munition, um seine Position zu stärken. Dem zusätzlich sah sich allerdings auch die tageszeitungin der die Kolumne erschiengenötigt, in mehreren Statements eine Distanzierung zu formulieren, die Yaghoobifarah weiter unter Beschuss treiben sollte. Statt sich hinter die Freischaffende zu stellen und die Freiheit des Wortes hochzuhalten, wird der satirische Wert entkoppelt und in ihr Gegenteil interpretiert. Die Satire als scharfe Waffe der Polemik gegen die Herrschenden ist schon lange nicht mehr das, wie sie verstanden werden möchte. Die Auseinandersetzung mit der taz-Kolumne offenbart diese Entwicklung eindeutig. Hierbei bezieht sich die Empörung gar nicht auf das inhaltliche Subjekt des Textes, sondern hangelt sich vulgaristisch an einzelnen Worten entlang und argumentiert dabei genau so, wie es die Satire vorhält.

Die bundesweite Empörung kumuliert in der Konklusion, dass Polizist*innen auf „Mülldeponien“ arbeiten solltenwenn überhaupt arbeiten. Dass das stark vereinfacht und inhaltlich nicht mal korrekt ist, wurde bereits nachgewiesen. Dabei wird gerade auf die eigentliche Kritik Yaghoobifarahs nicht eingegangen, die wenig bis gar keine Zurückweisung erfährt, nämlich die Argumentation zur Konklusion, die falsch aufgenommen wurde. Es wiegt freilich auch schwer, die Wahrheit hinter der polemischen Sprache zu leugnen, wenn die Kritik an der exekutiven Gewalt der Polizei bis ins Kleinbürgertum vorgedrungen ist: faschistische Netzwerke, Deckung von rechtsradikalen Terrorist*innen sowie der strukturellen Hingezogenheit zum rechten Rand der Gesellschaft. So könne Yaghoobifarah Polizist*innen, würde ihre Institution abgeschafft werden, ihr Wirken eben nicht in solch Berufszweigen sehen, die diese strukturellen Verwandtschaften reaktivieren würde, darunter „Baumärkte, Tankstellen und Kfz-Werkstätten“. Eben Orte, an dem „Bomben oder Brandsätze“ gebaut werden könnten. Erst diese Herausbildung der DNA der (deutschen) Polizei, die eine alternative Berufsausübung erschwert, lässt den polemischen Schluss zu, der „Müllhalde“ nicht abgeneigt zu sein. Hieraus nun zu lesen, was gelesen worden ist, sprich falsch zu verstehen, ist keine Verwunderung, denn schlechterdings geht es nicht um die Kritik an diesem Text, sondern der Zementierung einer autoritären Entwicklung, die absolut jede Kritik daran stumm halten möchte.

Polizist*innen wurden nicht mit Müll gleichgesetzt, sondern die polemische Satire eröffnet die Diskussion zur Rolle der Polizei in einer formal demokratischen Gesellschaft, die selbst an einem Umbruch steht. Dass sich alle parlamentarischen Vertreter*innen von Linkspartei bis AfD in einem Kanon wiederfinden, der Gewalt an Polizist*innen grundsätzlich kritisiert, die staatliche Gewalt jedoch in dem Sinne gutheißen, so sie einer Verteidigung des Status Quo dient, ist hierbei eine nur folgerichtige Entwicklung. Die „Enthemmung“, von der Seehofer spricht, ist dabei einer selektiven Wahrnehmung geschuldet, denn es ist nicht die Satire Yaghoobifarahs die die Wut auf Polizist*innen erwirkt, sondern es ist das Wirken der Polizei, die diese provoziert. Es ist das martialische Auftreten jener Kräfte, die auf dem rechten Auge nicht blind sind, sondern es bewusst schließen. Die Verhältnisse von Polizeieinsätzen bei linken und rechten Demonstrationen ist dabei nicht von der Hand zu weisen, bei der das Gewaltmonopol bei jenen verstärkt Anwendung finden, die jenes infrage stellen.

Die Aufgabe der Satire ist es hierbei, diese Entwicklung und normative Einschätzung polemisch zu fassen und es ist ihre Pflicht, eine scharfe Sprache zu verwenden. Doch in der BRD ist die Satire eine okkupierte der Herrschenden, die nicht nach oben, sondern nach unten tritt, wenn sie als gelungen und verteidigungswert gelesen werden möchte. Die Satire ist schon längst zur Waffe jener geworden, die sie missbrauchen, um ihren Menschenhass zu kolportieren, um ihren Rassismus, Klassismus und Antisemitismus zu kaschieren. Der Satire wird dann ihr Wert entzogen, wenn es zum Instrument der herrschenden Klasse wird und jener, die sich ihr wohlerzogen, um auf die Schwächsten zu treten, mit dem Verweis, dass Satire nun mal alles dürfe, was häufig missverstanden wird. Denn die Satire als Wesen hat freilich ihren Wirkungsradius und dieser wird verlassen, wird die Satire nur als Synonym für eine Diskriminierung genutzt. Die Aufgabe der Satire ist das, was Yaghoobifarah getan hat: das herrschende System dort zu kritisieren, wo es aktuell die größte Schwierigkeit gibt, bei der Polizeigewalt, der exekutiven Gewalt an sich. Die Satire kann ihrem Wesen nach keine Aufstachelung erwirken, sondern sie ist die Begleiterscheinung einer bereits entwickelten Phase, die den satirischen Wert ermöglicht.

Es ist nicht die Satire, die die Wut auslöst, sondern es die Wut, die die Satire ermöglicht. Der Skandal, den Hengameh Yaghoobifarah vollzog, war hierbei, die Satire als das zu setzen, was sie eigentlich ist: die Kritik am herrschenden System. Es ist hierbei nicht verwunderlich, dass die liberale tageszeitung sich dagegenstellt, wenngleich formal die Presse- und Meinungsfreiheit verteidigt wird. Doch dass sie in Gefahr steht, zeigen die Reaktionen der Gewerkschaft und Seehofers. Es geht letztlich auch nicht um eine Kritik an dem Text oder einer vermeintlichen Beleidigung, sondern darum, die grundsätzliche Kritik am aktuellen Geschehen zu bekämpfen, mit Worten und mit Taten, mit Gewalt und der Justiz, denn die Sicherheit der Herrschenden, das alles so bleibt, wie es zu bleiben haben soll, schwindet seit geraumer Zeit, besonders torpediert durch die antirassistische Bewegung in allen Teilen der Welt und die Folgen der Weltwirtschaftskrise. Wenn ein satirischer Text als Staatsfeind deklariert und die Autorin von der herrschenden Partei wie eine Terroristin gebrandmarkt wird, zeigt es die Schwäche der Herrschenden und das immer noch starke Wirken der Satire, der es ermöglicht, im Zusammenspiel mit objektiven und subjektiven Bewegungen des Widerstands, ein Zeichen zu setzen. Schlechterdings ist die Reaktion auf Yaghoobifarahs Kolumne eine konsequente: denn wäre sie von allen Beteiligten und Herrschenden applaudiert und geteilt worden, wäre es keine Satire gewesen, sondern ein harmloses Sticheln, was als Satire missverstanden wird.

Solidarität mit Hengameh Yaghoobifarah.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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