Schützenhilfe von rechts

Machtkampf Eine neue Kampagne von Jungkonservativen will das bürgerliche Deutschland vor einem „Linksruck“ bewahren. Sie funktioniert als Scharnierfunktion zwischen Union und AfD

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Das Logo der jüngst gestarteten Kampagnenagentur „The Republic“ ist ein Adler. Nach eigener Aussage kämpft die Agentur für ein „bürgerliches Deutschland“ und für „Freiheit, Sicherheit und Wohlstand“
Das Logo der jüngst gestarteten Kampagnenagentur „The Republic“ ist ein Adler. Nach eigener Aussage kämpft die Agentur für ein „bürgerliches Deutschland“ und für „Freiheit, Sicherheit und Wohlstand“

Foto: OLI SCARFF/AFP via Getty Images

Die bürgerliche Demokratie neigt sich dem Ende zu. Die BRD erlebt seit dem 26. September 2021 einen radikalen Linksruck, der sich besonders der hart arbeitenden Mittelschicht bedient und die Bundesrepublik in den Abgrund führen wird. So oder so ähnlich hört man die vergangenen Tage das Geschrei von vereinzelten Unionspolitiker*innen, die eine Koalition aus der neoliberalen Freien Demokratischen Partei (FDP), den bellizistischen Bündnisgrünen und den Rechtssozialdemokrat*innen (SPD) als Wiederaufstieg der Deutschen Demokratischen Republik interpretieren. Wie groß die Angst vor dem Machtverlust tatsächlich ist, lassen seit dem vergangenen Donnerstag Jungkonservative inner- und außerhalb der Union erkennen, die nichts weniger als eine – vorerst – publizistische konservative Revolution beschwören, um dem eigenen Narrativ, welches sich nicht auf die objektiven Bedingungen übertragen lässt, zu begegnen; der Antikommunismus findet unabhängig von einer tatsächlichen kommunistischen Bewegung immer dann Anwendung, wenn die eigene bürgerliche Perspektive in eine Schieflage gerät respektive im Parlamentarismus abgestraft wird. So werden reformistische, soziale Fragen mit Zielen einer klassenlosen Gesellschaft parallelisiert, und das Bürger*innentum als Bastion des allumfassenden Widerstands gegen jegliche Verdrehung eigens komponierter Normen in Stellung gebracht.

So ist seit gestern die selbsternannte „Start-Up-Plattform“ „The Republic “ online gegangen, die nichts weniger als die beschriebene Revolte herbei beschwört. Aus dem Dunstkreis von rechten Kräften zwischen Unionsparteien und der Alternativen für Deutschland (AfD) emporgestiegen, ist deren primäre Aufgabe die Bedienung des rechtsbürgerlichen Repertoires: der Verteidigung des tradierten Status Quo in ihrer faktisch konservativistischen Reaktion. Sie sehen sich in Stellung gegen die „Gender-Ideologie“, den Rundfunk und sogenannten Radikalen. Bei ersterem machen sie deutlich, dass sie nicht nur gegen die „Gender-Sprache“ aufbegehren, sondern gegen die „revolutionären Aktivist*innen“ grundsätzlich. Wie weit ihre Definition des Radikalismus greift, machen sie anhand der Umweltschutzorganisation „Greenpeace“ deutlich, denen sie die Gemeinnützigkeit absprechen wollen. Antirassistische Bildungsarbeit sowie Umweltschutz werden als „schädlich für das Land“ umdefiniert, was als Furcht vor einem grundsätzlichen Wandel, welcher mit oder ohne subjektiven Faktor eintreten wird, gewertet werden kann. Darüber hinaus werden hier auch Diskurse von protorassistischen und klimawandelleugnenden Argumentationen bedient.

Die Feindschaft gegenüber dem Rundfunk wird sodann als Kampf gegen einen vermeintlichen linken Staatsfunk bezeichnet, der sich besonders in den Moderatoren des TV-Satirikers Jan Böhmermann und des Monitor-Reporters Georg Restle wiederfindet. Diese drei als „Kampagnen“ betitelte Aktionsfelder sind hiernach kein Novum einer sich selbstradikalisierenden Rechte, sondern bereits tief im Bewusstsein des Bürger*innentums verankert, die durch gesellschaftlichen und politischen Wandel als Verlierer*innen dastehen könnten. Jedoch war die Rückbesinnung auf bereits vergangenes, das konservativistische Modell als solches, immer konterrevolutionär und mehr Wegbereiter einer sich noch weiter radikalisierenden Reaktion. Dass es den „The Republic“-Macher*innen um eben das apokalyptische Bild geht, macht deren „Trailer“ deutlich, der primär auf die Enteignungsfrage von Wohnraum sowie die Besatzung von Wäldern zielt, die mit einer grundsätzlichen Gewaltaffinität beschrieben wird, welche vom vermeintlich bürgerlichen Block zurückgeschlagen werden soll. Hier werden Parallelen von anderen rechtsalternativen Medien und Organisationen deutlich, wie sie auch die AfD bedienen, aber auch eine Ähnlichkeit mit dem US-amerikanischen Sender „Fox News“ aufweisen.

Wie selbsterklärend kommt es daher, dass „The Republic“ freilich einen Telegram-Kanal hat, der etwa 450 Abonnent*innen hat. Dass der Telegram-Kanal bereits am 2. August 2021 gegründet wurde, macht deutlich, dass dieses Projekt schon länger geplant war, also unabhängig vom eigentlichen Wahlergebnis der Bundestagswahl 2021 zur Verfügung stand. Namentlich hinter dem Projekt steht Armin Petschner-Multari, der für die Christlich-Soziale Union in Bayern (CSU) bereits das YouTube-Format #CSYOU mehr oder minder erfolgreich lancierte. Anders als damals bedient sich Petschner-Multari jedoch eines noch rabiateren und populistischen Tons, der ipso facto keinen, nicht vorhandenen gesellschaftlichen Linksruck begegnen möchte, sondern die Unionsparteien aus einer herbei fantasierten Linksentwicklung unter Angela Merkel in eine Stahlhelm-Fraktion führen möchte. Inwieweit das Projekt realpolitischen Einfluss auf die Oppositionsarbeit der Unionsfraktion hat, wird sich herausstellen. Fakt ist jedoch mittlerweile: Die herrschende Krise trifft nahezu alle politischen Akeur*innen im parlamentarischen Betrieb, die sich in entsprechenden Radikalisierungen bemerkbar machen, will sie nicht den eigenen Untergang einläuten. Hiernach ist mit einer Annäherung zwischen CDU/CSU und AfD unter diesen rechtskonservativistischen Prämissen vorauszusagen, deren semantische und narrative Auseinandersetzung keine Hürden mehr kennt, und dem Populismus jegliche Ernsthaftigkeit raubt; die Kalte-Krieg-Rhetorik setzt sich hartnäckig fest, diesmal flankiert von Jungkonservativen, die hinter einem Sozialstaat eine bolschewistische Diktatur vermuten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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