Schwarzbuch SPD

Erneuerung Die Sozialdemokratische Partei gibt sich gerne als einzig wahre Verteidigerin der Weimarer Republik. Die Realität ist jedoch von Terror und Fememorden geprägt.

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Erneuern. Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) spricht nach jeder folgenden Wahlniederlage von einer „Erneuerung“, ohne sie jemals zu konkretisieren. Bis auf einige Korrekturen an der Agenda 2010 oder einem vorsichtigen Rückbesinnen auf tatsächlich sozialdemokratische Werte bleibt es jedoch bei der Theorie. Praktisch befindet sich eine bürokratische Elite in den Führungspositionen, die die SPD gegen jeglichen Willen der Basis autoritär führt. Oppositionelle Stimmen werden zwar gehört, doch haben realpolitischen keinerlei Einfluss, wie der Austritt Marco Bülows zeigt. Er versucht nun sein Glück bei der kontroversen Aufstehen-Bewegung, nach dem seine Erneuerungswünsche kein Fuß fassen konnten. Er plädierte für eine konsequente Oppositionsarbeit ohne jedoch das ewige Mantra von „Verantwortung“ nicht zu vergessen. Verantwortung für eigene Fehler, Verantwortung für „die vielen, nicht die wenigen“, wie es auch schon Jeremy Corbyn von der britischen Schwesterpartei äußerst erfolgreich plädiert. Sprechen Sozialdemokrat*innen von „Erneuerung“ und „Verantwortung“, bleibt es in der Regel bei inhaltsleeren Hülsen, die rhetorisch sauber trotz der Ablehnung ein „Weiter so“ fordern. Der grundsätzliche Fehler der SPD wird während der Regierung Schröders gesucht, als nach 1945 wieder Krieg von deutschem Boden ausging und die Sozialpolitik erheblich angegriffen wurde. Das Jubiläum der Novemberrevolution und hiernach Ermordung Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs offenbart allerdings einen zentralen Punkt, dem sich die SPD seit je her verweigert: eine konsequente Erneuerung bedarf einer objektiven und ideologiefreien Aufarbeitung der eigenen Geschichte.

Der weit verbreite Irrglaube, die SPD wäre das Bollwerk der Demokratie während der Weimarer Republik gewesen und darüber hinaus, deckt sich nur schwer mit der historischen Realität. Unglücklicherweise wurde die Historische Kommission der Partei 2018 aufgelöst, auch wenn sie im Internet noch weiter betrieben wird. Die ursächliche Intention solch einer Kommission ist neben der Entwicklung und Aufarbeitung der Sozialdemokratie auch deren objektive und materialistische Analyse des Werdegangs. In dieser Hinsicht scheiden sich jedoch die Geister, wenn es um die Rolle in der Zeit vor dem Hitlerfaschismus geht. Man wird nicht müde der heutigen Linkspartei eine unkritische Solidarität mit Kommunist*innen vorzuwerfen, während die eigenen Persönlichkeiten, die im direkten und indirekten Dienst der SPD tätig waren, gerne verschwiegen werden. Tilman Fichter betont zwar im Zentralorgan „vorwärts“ vom 16. Januar 2019 die nötige Verantwortung des Doppelmords durch den damaligen Volksbeauftragten für Heer und Marine Gustav Noske und fordert zu Recht, „dunkle Flecken“ aufzudecken. Doch auch er steckt in einer romantisierten Erzählung fest, die die Politik und Person Rosa Luxemburg missinterpretiert. Luxemburg war nicht nur eine konsequente Kritikerin der SPD nach Bewilligung der Kriegskredite vom 4. August 1914, sondern stand auch in kritischer Solidarität mit der russischen Oktoberrevolution und der bolschewistischen Partei unter Wladimir Lenin und Leo Trotzki. Das erzwingt regelrecht eine unvollständige Aufarbeitung und Analyse.

Wolfgang Thierse, ehemaliger Präsident des Deutschen Bundestag und SPD-Mitglied, gab jüngst der Leipziger Volkszeitung ein Kurzinterview, in dem die „Schuld der Sozialdemokratie“ bejaht und beklagt wird. Dennoch kommt auch er nicht umhin, in die Defensive zu gehen, in dem er in völliger Leugnung der damaligen Verhältnisse von einer möglichen „brutalen Revolution“ sprach, und die Mehrheitssozialdemokratie als „gemäßigte Kräfte“ bezeichnete. Diesen anerkennt er das Verdienst, „sich für die Demokratie, den Rechtsstaat [und] den Sozialstaat einzusetzen“. Ein nüchterner Blick in die Geschichte zeigt allerdings eine andere Realität. Nicht nur war der Reichspräsident Friedrich Ebert, dessen Name bis heute die Stiftung der SPD trägt, ein erklärter Feind seines eigenen Programms, in dem er sich fürchtete, die USPD würde das Programm der Mehrheitssozialdemokratie umsetzen. Auch favorisierte er anstelle eines demokratischen Staates eine konstitutionelle Monarchie, heimlich im Sinne eines preußischen Militärstaats. Denn die Spaltung der USPD von der SPD war nicht nur kriegspolitischer Natur, sondern hatte einen grundsätzlichen Bruch zur Folge. Die rechten Sozialdemokrat*innen zu jener Zeit waren nationalistisch, mindestens demokratiespektisch und antikommunistisch politisiert. Diese Vorstellung war bereits Anfang des 20. Jahrhundert zutage.

Die Ideologie des „Kriegssozialismus“, die zuvor bereits von den Revisionist*innen unter Eduard Bernstein propagiert wurde (freilich nicht unter diesem Namen), war sich der Notwendigkeit eines dezidiert nationalen Sozialismus mehr als bewusst. Die völkische Ideologie machte nicht Halt vor sozialdemokratischem Parteibuch und so fanden sich auch Vertreter*innen eines völkischen Nationalismus in der SPD, die durch Ebert auch mindestens einen Sympathisanten fanden, der während seiner Regierungszeit von einer „Volksgemeinschaft“ sprach. Die „Burgfriedenspolitik“ war sonach ein Eingeständnis des deutschnationalen Patriotismus und markierte den eigentlichen Bruch vom genuinen Internationalismus. Der Rätekommunist Willy Huhn brachte es in seiner Schrift „Die Ideen von 1914“ zitiert wie folgt auf den Punkt: „Das war wiederum ein Zug jener tiefen Ironie, an der die Weltgeschichte so reich ist: Der Sozialismus als Retter des Nationalismus!“ Diese unrühmliche Rolle wurde in der jungen Republik fortgesetzt, maßgeblich befeuert durch die Duldung präfaschistischer Kräfte, die bereits unter Gustav Noske im März 1919 in Berlin mehr als 1200 Menschen hinrichteten. Der weiße Terror, der in der Aufarbeitung der deutschen Geschichte viel zu oft und gerne verschwiegen wird, fasste nach Russland nun auch im Deutschen Reich Fuß. Von einem Bürgerkrieg lässt sich schwer reden, denn der Feind war klar benannt. Auch Waldemar Pabst sprach von einer Hinrichtung im Gespräch mit dem SPIEGEL 1962. „Das hat man jetzt endlich begriffen und erkannt“, antwortete Pabst und verteidigt in Tradition der Sozialdemokratie den Terror gegen die einstigen Genoss*innen und Kolleg*innen.

Was bleibt ist eine klaffende Lücke, die die SPD bewusst im Dunkeln lässt. Die Linkspartei mit ihrer kommunistischen Vergangenheit wird mehr als häufig instrumentalisiert und in eine moralische Verpflichtung genommen, um auch von der eigenen Tragödie abzulenken. Es ist daher auch nicht überraschend, dass der Vorstand der Historischen Kommission der SPD der Historiker Professor Bernd Faulenbach ist, zwischen 1992-1998 Sachverständiger der Enquete-Kommission „Aufarbeitung der SED-Diktatur“. Die Frage muss erlaubt sein, ob bei der kurzen Zeit des Terrors der SPD unter Gustav Noske nicht von einer SPD-Diktatur gesprochen werden muss. Die Rolle der Hüterin der Demokratie und der Weimarer Republik wird sie allerdings in keinster Weise gerecht. Ein Teil der Erneuerung muss es daher auch sein, die eigene Vergangenheit, wie es der Linkspartei nahezu ständig aufgetragen wird, aufzuarbeiten. Die „Fememorde“ waren dem zusätzlich ein Instrument der damaligen Sozialdemokratie*. Als Verteidigerin der Weimarer Republik befahl sie die Liquidierung von „politisch missliebigen Personen“. 1924 war ein gewisser „Fähnrich Höß“ Führer eines solchen Kommandos, die für bestialische Morde bekannt waren. „Fähnrich Höß“ hieß Rudolf Höß und war später unter den Faschist*innen zuständig für die Vernichtung von Jüd*innen in Auschwitz und Ravensbrück.

*siehe zusätzliche Erklärung im verlinkten Kommentar.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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