Spiel mit dem Feuer

Hisbollah-Verbot Die BRD verbietet die islamistische Hisbollah und der Iran droht mit Konsequenzen. In letzter Konsequenz war die Entscheidung der BRD eine rein provokative.

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Dem am 19. Dezember 2019 erlassenen Verbotsantrag der libanesischen radikal-islamistischen Hisbollah folgte diese Woche die praktische Konsequenz. Obgleich sie nicht als Verein in der BRD existiert, wurde sie nach diesem Gesetz verboten, was auch Symbole wie deren Flagge beinhaltet. Nach dem der Hisbollah nahestehende Moscheen durchsucht wurden, kam die Antwort aus dem Iran prompt: die Hisbollah als schiitische Organisation versteht sich als Anhängerin der Lehren der im Iran verteidigten „Islamischen Revolution“ und der daraus gezogenen theokratischen Ansprüche. Die iranische Regierung argumentiert mit einer „respektlosen“ Ignoranz gegenüber den real existierenden politischen Bedingungen im Libanon und unterstreicht zu Recht, dass die Hisbollah seit Jahren eine relevante Rolle in der herrschenden libanesischen Klasse spielt. Die Begründung der BRD fußt auf der antisemitischen Ausrichtung der Schiit*innen sowie deren Leugnung des israelischen Existenzrechtes. Bedingt durch die Geschichte der BRD ist die Verteidigung Israels eine unumstößliche Staatsraison, hiernach wirkt die Entscheidung in der eigenen Logik folgerichtig und schwer zu kritisieren. Dennoch ist der iranischen Argumentation durchaus zuzuhören, ob ihres propagandistischen Charakters. Doch freilich ist auch die Entscheidung der BRD, die Hisbollah zu verbieten, nicht in einem politischen Vakuum gefällt worden und muss sich an den spezifisch objektiven Bedingungen und den eigenen Interessen messen lassen.

Wirft man einen Blick in das Verbotsregister des sogenannten Verfassungsschutzes und widmet sich den „ausländerextremistischen“ und islamistischen Organisationen, stellt die Hisbollah durchaus ein Novum da. Während besonders linksradikale und revolutionäre Organisationen aus der Türkei und Kurdistan dort ihren Platz finden, sind auch islamistische Terrororganisationen wie der Da’esh gelistet. Die Besonderheit der Hisbollah verbirgt sich hinter der strukturellen Methodik: linke türkische und kurdische Organisationen werden in der BRD verfolgt, da eine militärische, politische und ökonomische Partnerschaft mit der Türkei vorliegt und der Druck aus Ankara nicht zu unterschätzen ist. In diesem Fall handelt es sich um die exekutive Macht nach Regeln eines anderen souveränen Staates. Gewiss ist auch das zu einem Punkt zu kritisieren. Islamistische Organisationen, die verboten wurden, stehen größtenteils in der Tradition der sunnitischen Terrorgruppen Daesh und Al-Qaida und sind hiernach keine parteipolitischen Vertreter*innen eines souveränen Staates, obgleich sie im Begriff waren und sind, solche auszurufen oder zu besetzen. Die islamistische Hisbollah indes ist eine im bürgerlichen Apparat des Libanon verankerte relevante Partei, deren Verbotsantrag nicht auf Grundlage libanesischer Entscheidungen getroffen wurde, sondern in letzter Konsequenz ein Resultat des Krieges im Nahen Osten und logische Schlussfolgerung gemäß westlicher und nationaler Interessen ist. Die iranische Empörung ist unter diesem Blickwinkel nicht zu leugnen und verliert ob des iranischen Charakters auch keine Relevanz.

Im internationalen Kontext ist das Vorgehen gegen die Hisbollah alles andere als einheitlich. Während Frankreich sich weigert, die Partei zu verbieten, wurde unter anderem in der EU der militärische Flügel der Partei als „terroristisch“ eingestuft. Neben der BRD stufen lediglich freilich Israel und die USA als auch Kanada, Großbritannien, Argentinien, Honduras und die Niederlande die komplette Organisation als „terroristisch“ ein. Gewiss sind solch Erwägung immer und ausschließlich politischer und folglich auch ökonomischer Natur, deren moralische Implikatur nur einen Vorwand suggerieren soll. Ginge es tatsächlich um den von SPD-Außenminister Heiko Maas definierten Duktus, dass die Entscheidung primär auf der Leugnung des Existenzrechts als auch der Anwendung von Gewalt fußt, käme die Bundesregierung schlechterdings nicht mehr hinterher mit der Anwendung des eigenen Instruments. Der antisemitische und gewaltanwendende Charakter ist kein exklusiv libanesisches Phänomen, sondern in dieser Kombination der islamistischen Bewegung und Ansprüche inhärent wohnendes. Inwiefern man einerseits den Moralismus über die Brutalität der Hisbollah schüttet, beim strategischen Partner der sunnitischen Kopf-ab-Diktatur Saudi-Arabien und ihren Verbündeten schweigt, ist mindestens diskussionswürdig.

Hinzu kommt eine Entscheidung der belgischen Justiz, die auf den ersten Blick für die Hisbollah irrelevant wirkt. Anfang des Jahres 2020 bestätigte Belgien die Aufhebung des Verbots der kurdischen Arbeiter*innenpartei (PKK) als „Terrororganisation“ und argumentierte, es handelte sich um einen kriegerischen Konflikt, hiernach sei die PKK „Kriegspartei“. Diese Entscheidung ist freilich eine nationale und hat bis dato keinen Einfluss auf andere Staaten oder supranationale Organisationen. Dennoch ist unter dieser Betrachtung auch die Hisbollah als „Kriegspartei“ zu werten, die freilich aus anderen Motiven als die PKK Gewalt und Terror anwendet. Es darf hierbei trotz des antisemitischen Charakters nicht die israelische Militärgewalt geleugnet werden, die den Libanon in eine defensive und weitergehend proto-offensive Rolle bringt. Die BRD-Entscheidung greift hierbei unweigerlich Partei eines internationalen Konflikts, was ihrem Wesen als Vertreterin eigener nationaler Interessen geschuldet ist. Es handelt sich hierbei jedoch um eine tief greifende Einmischung und folglich auch strukturell imperialistische Machtpolitik, die – wie bei der PKK mit der Türkei – als Exekutive westlicher Interessen zu werten ist. Ein Verbot ändert hierbei auch kaum bis gar nicht irgendwelche Strukturen im Nahen Osten. Die Kriminalisierung von Sympathisant*innen und Mitgliedern der Hisbollah in der BRD wird nur marginal seinen Ausdruck in der geostrategischen und politisch-ökonomischen Konfliktkonglomeration im Nahen Osten finden.

Dennoch ist es besonders für politische Linke wichtig, den dialektischen Prozess hinter dieser Entscheidung zu analysieren und folgerichtig Position zu beziehen. Dass die Entscheidung der BRD eine unnütze und unnötig provokative war, steht außer Zweifel. Dennoch gilt es nicht, trotzig das Recht der Hisbollah auf Widerstand und Existenz zu verteidigen. Der Charakter der libanesischen Islamist*innen ändert sich keineswegs. Mit der Hisbollah ist keine gerechte Gesellschaft zu gewinnen noch irgendeine Hoffnung, die zur Befreiung der Menschheit führt. Sie ist Teil der Unterdrückung der werktätigen Klassen und mit ihrer Anwendung von Gewalt und Terrorismus unter keinen nur erdenklichen Umständen eine politischer Partnerin. Hiernach ist eine Kritik an der Politik der BRD keine zwangsläufige Solidarität mit der Hisbollah, denn die Welt war noch nie nur schwarz und weiß. Sonach ist auch die Reaktion der Iran eine zu erwartend gewesene und dient ebenfalls nicht zur Übernahme eigener Forderungen. Vielmehr muss die Frage im Raum stehen, inwieweit ein Verbot einer nichtdeutschen Organisationen oder Partei für einen politischen Nutzen hat, der nicht von eigenem und partnerschaftlichem Interessen abhängig ist. Mit dieser Entscheidung, die Hisbollah zu verbieten, mag sich die BRD als Gewinnerin und Wahrerin der Freiheit und Demokratie in Szene setzen, doch mittelfristig hat sie sich dabei nur Wege verbaut, ihre eigenen Interessen und auch als Vermittlerin zwischen Israel und dem Libanon zu verteidigen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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