Verrat auf Raten

Richtungswechsel Die Mehrheit der Linke-Abgeordneten enthielt sich am Mittwoch der Stimme, Soldat*innen nach Afghanistan zu schicken. 7 stimmten dafür. Ein Affront gegen die eigene Werte.

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Am Ende waren es bei der Linksfraktion dann doch fünf Abgeordnete. Am Mittwoch, dem 25. August 2021, stimmte der Bundestag darüber ab, ob für die Evakuierung von Menschen aus Afghanistan bewaffnete deutsche Streitkräfte entsandt werden sollen. Von 636 abgegebenen Stimmen votierten 538 Abgeordnete für das Mandat: neben den Regierungsfraktionen der Sozialdemokratischen Partei (SPD, 143 Ja-Stimmen) und der Unionsparteien (229 Ja-Stimmen) die Oppositionsparteien Freie Demokratische Partei (FDP, 71 Ja-Stimmen) und Bündnis 90/Die Grünen (60 Ja-Stimmen). Die Linksfraktion enthielt sich mit 43 Stimmen mehrheitlich. Bemerkenswert ist hierbei auch, dass bei sieben konsequenten Gegenstimmen fünf Abgeordnete dem militaristischen Mandat zustimmten: Klaus Ernst, Matthias Höhn, Thomas Nord, HelinEvrim Sommer und KerstenSteinke. Diese Entwicklung seitens der Spitze der Linkspartei ist auch trotz der extrem gefährlichen Lage in Afghanistan eine Aufweichung des friedenspolitischen Profils sowie ein Zugeständnis an machtpolitische Bestrebungen der herrschenden Klasse, die nach 20 Jahren (asymmetrischer) Kriegsführung im islamischen Land das eklatante Versagen als kollektive Mammutaufgabe interpretiert wissen möchte.

Die Frage, wie die politische Linke auf das Desaster antworten muss, wird kontrovers und vielfältig diskutiert. Innerhalb der Partei werden erneut die Gräben zwischen dem konsequenten linken Flügel, der ein mehr oder minder antikapitalistisches Profil verteidigt, und dem rechten, reformistischen Flügel, der eine dezidiert sozialdemokratische Politik verfolgt, deutlich. Da in einem Monat der neue Bundestag gewählt wird und eine theoretische Möglichkeit eines potenziellenLinksbündnisses bestehend aus SPD, Grüne und Linkspartei realistisch scheint, ist bereits die namentliche Enthaltung der Stimme als schleichender Konsens zu werten, in den bürgerlichen Betrieb der Regierungsverantwortung integriert zu werden. Denn die größte Problematik seitens der SPD und Grünen ist es stets, dass der außenpolitische Charakter der Linkspartei eine Verantwortung verunmöglicht. Hier steht besonders der antimilitaristische Punkt im Zentrum, der jedoch von den reformistischen Hardlinern in der Linkspartei nach und nach aufgeweicht wird. Die Mandatierung einer militaristisch koordinierten Evakuierung ist hiernach als Ausdruck einer sich entwickelten Routine zu verstehen, wonach Friedensbewegungen, antimilitaristische Sozialist*innen und Kriegsgegner*innen den letzten parlamentarischen Anker im Bund verlieren könnten.

Dass die Evakuierung von Menschen aus Afghanistan nur über dieses Mandat möglich sei, ist dabei gelogen. In einer Erklärung von unter anderem Ulla Jelpke und Heike Hänsel, die gegen das Mandat stimmten, wird anstelle einer militärischen Lösung eine politisch-diplomatische Offensive vorgeschlagen, die eine Anerkennung der de-facto herrschenden Taliban mit einschließt. Der Aufschrei, man könne Islamist*innen nicht anerkennen, ist mehr als heuchlerisch, denn wenn es den geostrategischen und teils imperialistischen Interessen der herrschenden Klasse hilft, ist man fern jeglicher Scheu bereit, mit islamistischen Kopf-ab-Diktaturen wie Saudi-Arabien zu paktieren. Wohin die Reise einer von der Linkspartei getragenen Regierung hingehen wird, machte Dietmar Bartsch in seiner Rede am 25. August im Bundestag deutlich, der im Chor mit allen anderen Parteien dem deutschen Militär seinen Dank aussprach. Eine sich als sozialistisch gebärende Partei, die ein Loblied auf den Militarismus singt, ist nicht nur ein Verrat an den eigenen Werten, sondern kumuliert auch in eine Politik, die dem sterbenden Kapitalismus dienlich ist, der seine Interessen unter anderem mit militärischer Gewalt zu lösen versucht. Statt mit den anderen bürgerlichen Parteien in Reih und Glied die Kriegstrommel (egal, unter welchem Mantel) zu rühren, muss ein konsequenter Antimilitarismus verteidigt werden.

Der schleichende Rechtsruck der Linkspartei macht sich in den Umfragen deutlich, die sie nur knapp über 5 % sehen. Die Frage ist hierbei auch, worin sich eine reformistische Linkspartei noch von einer SPD unterscheidet, wenn selbst konsequente, antikapitalistische Forderungen über Bord geworfen werden. Gerade im bevorstehenden Urnengang muss es im Interesse der Linkspartei sein, sich nicht nur in Worten, sondern auch in Taten von bürgerlichen Kräften zu distanzieren. Schlechterdings ist die Katastrophe in Afghanistan auch ein Produkt ihrer Politik und des Kapitalismus, die mit der Unterstützung der Mudschaheddin durch das US-Militär und den deutschen Geheimdienst ihren Anfang nahm. Die fünf Gegenstimmen innerhalb der Bundestagsfraktion und bemerkbarer Gegenwind in den Basisorganisationen lässt jedoch Hoffnung aufkommen, die Linkspartei nicht nur an ihre Grundsätze zu erinnern, sondern auch die Notwendigkeit zu verdeutlichen, dass in der heutigen Zeit eine konsequent sozialistische Partei zu gebrauchen ist. Will die Linkspartei die Stimme der Unterdrückten bleiben und für die Überwindung des Kapitalismus kämpfen, kann sie nicht im selben Atemzug den deutschen Militarismus huldigen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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