Was geschah mit Matiullah?

Aufklärung Vor zwei Jahren wurde Matiullah Jabarkhil mit 3-4 tödlichen Schüssen von einem Polizeibeamten ermordet. Bis heute wird um Aufklärung und Gerechtigkeit gekämpft

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Was geschah mit Matiullah? Unter diesem Hashtag wird dieser Tage an den Geflüchteten Matiullah Jabarkhil gedacht, welcher vor zwei Jahren von einem Polizisten erschossen wurde. Den polizeilichen Informationen nach wurde der Afghane aus „Notwehr“ erschossen. Eine Notwehr, die aus zwölf Pistolenschüssen bestand. Nach Angaben von „AfghanRefugeesMovement bestand zur Tatzeit allerdings keine Notwendigkeit, das Feuer zu eröffnen. Dass die Staatsanwaltschaft kein Interesse daran hat, den Vorgang aufzuarbeiten, lässt sich an den wenigen Informationen ablesen, die ans Tagelicht kommen. Der nachzukonstruierende Hergang offenbart hiernach ein anderes Bild, was Jabarkhil nicht als Gefahr, sondern als Opfer darstellt. Die Szene spielte sich am 13. April 2018 in Fulda ab. In der Nähe der Geflüchtetenunterkunft gibt es eine Bäckerei, die den geflüchteten Menschen hin und wieder Brot schenkte. An diesem Tag schien sich Jabarkhil auf den Weg zu machen, doch fand sich vor einer Türe, die kurz vor seinem Eintreten geschlossen wurde. Einer emotionalen und unter Stress ausgesetzten Bedingung geschuldet bewarf der die Bäckerei mit Steinen. Der zum Zeitpunkt 19-Jährige floh 2015 aus Afghanistan vor Krieg und Terror, dem in der BRD jedoch keine Hoffnung gegeben wurde. Er stand kurz vor seiner Deportation. Als die Polizei eintraf, fanden sie einen 1,70 m großen und unbewaffneten Mann vor sich. Dass sich der Polizeibeamte in einer lebensgefährlichen Situation befand, ist schwer nachzuzeichnen und wird nicht der Wahrheit entsprechen können. Die Entscheidung, Jabarkhil mit zwölf Schüssen zu begegnen – wovon 3–4 tödlich waren –, nach dem er vor den Beamt*innen floh, entbehrt jeglichen Maß, die Situation einzuschätzen. Es handelt sich hier nicht um „Notwehr“, sondern eine Tötung.

Zwei Jahre nach dem Mord an Jabarkhil bleiben zentrale Fragen offen. Weshalb wurde nicht auf Verstärkung gesetzt? Wieso wurden auf Bauch- und Brustbereich gezielt? Was erklären die zwölf Schüsse bei einem unbewaffneten und unter Stress leidenden Menschen? Das Verschleppen respektive Ignorieren der Aufarbeitung muss als Signal gewertet werden, dass es sich hierbei um einen weiteren Fall der Polizei handelt, welcher sich im institutionellen Rassismus kulminiert. Kritik direkt nach der Tat vonseiten AbdulkerimDemir, dem Vorsitzenden des Ausländerbeirats Fulda, wurde sowohl vom Oberbürgermeister Heiko Wingenfeld als auch rechtsradikalen Organisationen und Parteien wie der AfD nicht ernst genommen. Das polizeiliche Bild, worin Jabarkhil aggressiv und mit einem Schlagstock auf die Beamt*innen losging, festigte sich im Weltbild und rezipiert das Vorurteil der gewaltbereiten Flüchtlinge. Die Polizei als ausführende Gewalt scheint über jeden Fehler erhaben. Dabei ist der Mord an Jabkarkhil freilich kein Einzelfall, sondern reiht sich ein in eine tief gehende Verstrickung von Polizeigewalt und migrantischen und flüchtenden Menschen. Die stets postulierte Neutralität der im Dienste des Staates handelnden Menschen ist hierbei eine illusorische und in letzter Konsequenz auch nicht lapidar als Querschnitt der Gesellschaft zu werten. In ihrer Position birgt sich eine Machtfülle, die der der Normalbürger*innen hinausgeht und geschuldet von kooperativem Verhalten innerhalb der Strukturen auch selten Konsequenzen nach sich ziehen.

Die Polizei steht im Dienst der herrschenden Ideologie und ist ihr zwangsläufig unterwürfig. Hiernach sind diese Taten nicht gesondert von weitreichenden Verstrickungen zu betrachten, sondern müssen als Produkt der hierarchischen Struktur des Staates verstanden werden. Der Rassismus innerhalb polizeilicher Strukturen wurde in den vergangenen Jahren mehrmals deutlich, in denen der Tod von Menschen, die Migrant*innen oder Flüchtlinge sind, keine Seltenheit sind. Das berühmteste Beispiel ist der bis heute nicht aufgeklärte Tod von OuryJalloh, der am 7. Januar 2005 in einer Polizeizelle in Dessau verbrannte. Die Beweislast, dass es sich hierbei um einen gezielten Mord handelte, ist gewaltig. Doch die Macht, die sich hinter der polizeilichen Ausführung verbirgt, ist nicht zu unterschätzen. Ein weiterer Mord fand am 20. August 2019 statt, als in Stade in Niedersachsen der 19-jährige Afghane Aman A. von Beamt*innen erschossen wurde. Der 29-jährige Flüchtling Hussam H. aus dem Irak fand im September 2016 durch die Waffe eines Berliner Polizisten seinen Tod. Doch die Problematik findet sich nicht alleine in der Polizei. Auch die Presse spielte gerade im Fall um Jabarkhil eine negative Rolle.

Wie Darius Reinhardt und Leila Robel in einem Gastbeitrag für „Belltower News“ schrieben, wurde beim Gedenken an dem Mord 2019 relativ viel Abneigung und als Kritik getarnter Rassismus kolportiert. Hervorgehoben wird ein Kommentar der „Osthessen News“, der sich einem Narrativ bedient, welches direkt aus der Polizeizentrale käme. Die Kritik, die hier angebracht ist, ist freilich nicht jene, einen Meinungsethos aufzuoktroyieren, sondern die Methodik. Dieses Beispiel zeigt den roten Faden, der sich in der ausführenden Gewalt entlädt und hieraus seine Unantastbarkeit zieht. Was mit MatiullahJabarkhil geschah, wird die Staatsanwaltschaft den Betroffenen, Hinterbliebenen und anderen Menschen, die sich für die Wahrheit einsetzen, unter den gegebenen Umständen nicht aufarbeiten werden. Weshalb OuryJalloh, Aman A., Hussam H, MatiullahJabarkhil und viele weitere flüchtenden Menschen, deren Namen nicht publik werden, da die Maschine des Verschweigens zu mächtig ist, sterben mussten, wird von den Täter*innen nicht aufgeklärt werden. Dabei ist das Motiv offenkundig und die Problematik bewusst: Rassismus. Eine gerechte Verurteilung der Beamt*innen, die tödliche Schüsse abgaben, bleibt allerdings illusorisch. Dem Kampf aufgeben, um für Gerechtigkeit zu kämpfen, sollte man allerdings nicht. Die stetige und ununterbrochene Betonung des Unrechts, das permanente Fordern für lückenlose Aufklärung trotz Hoffnungslosigkeit als auch das Benennen der Namen der Opfer muss ein Teil dessen bleiben, um für eine Gesellschaft zu kämpfen, die den Rassismus mit seinen Wurzeln vernichtet.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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