Was ist die Linkspartei und wohin treibt sie?

Die Linke Will die Partei sozialistisches Sprachrohr oder Steigbügelhalterin des Kapitals sein?

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Quo vadis?
Quo vadis?

Foto: Ralph Orlowski/Getty Images

Stellt man die Frage in den Raum, wann die Partei Die Linke gegründet wurde, lassen sich mehrere Antworten sammeln. War es 2007, als die damalige PDS mit der linkssozialdemokratischen WASG zusammenschmolz? Oder doch bereits 1989/1990, als die SED nach dem Fall der Berliner Mauer sich programmatisch und personell einem reformistischen Kurs öffnete? Da wir hierbei bereits bei der SED sind, können wir auch die KPD und die SPD erwähnen, welche 1946 in der SBZ zur marxistisch-leninistischen Partei zusammengeführt wurden. Die Frage ist daher interessant, weil sich dadurch mehrere Herangehensweisen eröffnen, um das Wesen der heutigen Partei Die Linke zu eruieren und analysieren. Im Jahr 2018 wird sie ihr 11jähriges Bestehen feiern und ist trotz des signifikanten Parteitages 2011, der die Streitereien überwinden sollte, eine zutiefst gespaltene Partei. Das liegt in ihrem Selbstverständnis einer pluralistischen Massenpartei, deren größtes Hindernis die Selbsterklärung einer tradierten Partei des Parlamentarismus ist. Diese Diskrepanz lässt die verschiedenen Ausrichtungen innerhalb regelrecht aufeinander prallen, ohne sich eingestehen zu müssen, ein grundsätzliches, diskursives Problem zu haben. Daher muss sich die Die Linke folgendes fragen: was ist die Partei und wohin treibt sie? Will sie parlamentarischer Arm einer sozialen Bewegung sein, oder kapitalistischer Katalysator radikaler Ideen? Ist die Funktion einer parlamentarischen Partei der radikalen Linken im heutigen Jahrtausend zeitgemäß oder stößt sie vielmehr an ihre selbst auferlegten Grenzen, wie sie rezidivierend erkennbar sein, alsbald Die Linke Regierungsverantwortung übernimmt?

Der Kampf für soziale Reformen bei gleichzeitigenden revolutionären Ideen ist spätestens seit Rosa Luxemburg kein Widerspruch mehr. Der inhärente Antagonismus kommt erst dann zutage, wenn der Stagnation kein Einhalten geboten wird und man sich in Ausreden wie „Das kann nur der Bund regeln“ flüchtet. Als reformistische Kraft der politischen Linken mit pluralistischen Anspruch kommt der Partei eine Schanierfunktion zugute: um als sozialistische Kraft ernstgenommen zu werden, ist ihr die Rolle in der Opposition auf den Leib geschrieben, um so einerseits den Wähler*innen die Widersprüche unsozialer Politiken wie Hartz IV, Massenabschiebungen und Steuererleichterungen der kapitalistischen Klasse vorzuführen. Andererseits muss sie Sprachrohr der arbeitenden und armen Bevölkerung sein und bleiben, um selbstverständlich die Forderungen der großen Mehrheit ins Parlament zu tragen, um den Konflikt nicht zu scheuen, sondern in regelrecht herauszufordern. Gewiss negierten Karl Marx und Friedrich Engels keineswegs die Möglichkeit einer gewaltfreien Transformation des Kapitalismus in den Sozialismus, jedoch wird dies nicht anhand von Spielereien wie utopischen Rot-Rot-Grün-Ideen oder alternativen Regierungsbeteiligungen erreicht. So lange die grundsätzliche Frage des Privateigentums und der Produktionsweise nicht gestellt wird, wird eine Linke nur Steigbügelhalterin des dahinsterbenden Kapitalismus.

Die Regierungsbeteiligungen in Thüringen, Brandenburg und Berlin demonstrieren das kontinuierlich. Dabei ist es primär irrelevant, in welcher Position sich Die Linke befindet. Gleichwohl als Juniorpartnerin in Brandenburg und Berlin als auch als Ministerpräsident stellende stärkste Kraft in der Koalition Thüringens betreibt sie, stets gestärkt vom reformistischen Flügel, eine arbeiternehmerfeindliche Politik im Interesse des Kapitals. Bestünde die Möglichkeit, dass Die Linke eine wirklich sozialistische Politik verwirklichen wollen würde, wäre diese in einer Rot-Rot-Grünen Regierung dem Untergang geweiht, denn weder SPD (die mit hoher Wahrscheinlichkeit den*die Kanzler*in stellen würde) noch die Grünen fühlen sich einem Gesellschaftswechsel verpflichtet. Die altehrwürdige Sozialdemokratie befindet sich derzeit im freien Fall, meidet jedoch selbst in dieser dunklen Stunde die Option eines Linksschwenks. Und spätestens nach Cem Özdemirs nationalistischen Rede im Bundestag lassen sich die Grünen trotz stetiger Beteuerungen nicht mehr als linke Partei bezeichnen. Der Griff nach der Macht wird der Untergang der parlamentarischen Linken sein, was unweigerlich zu ihrer Erosion führen wird. Die Kritik an der herrschenden Klasse und Gesellschaft ist essentiell für eine oppositionelle, parlamentarische Politik. Die Linke ist prädestiniert für diese Rolle, doch verzettelt sie sich seit je her in ultralinken und ultrarechten Schwenks.

Während die gewerkschaftliche und jugendliche Basis solidarische und soziale Arbeit leistet, lobpreist Sahra Wagenknecht Ludwig Erhardt. Während das Gemeineigentum ein zentrales Anliegen der politischen Linken zu sein hat, befürwortet Bodo Ramelow aus rein opportunistischen Gründen eine Quasiprivatisierung der Autobahnen. Das Problem der deutschen Linkspartei ist nicht ihre Haltung zu Russland oder ein ominöser Antisemitismus innerhalb gewisser Strukturen, sondern die Leugnung der eigenen Herkunft und Wurzeln. Es ist kein aus der Zeit gefallenes Wunschdenken, wenn an die Worte und Taten Luxemburgs und Liebknechts gedacht und erinnert werden soll, derer sich die Partei so gerne und häufig bedient. Ihr bleiben nur zwei Oppositionen: entweder sie beerbt die SPD als sozialreformistische Kraft mit dem Anspruch, durch Akzentuierungen das Leid der Menschen zu lindern, ohne die Gesellschaftsfrage zu stellen. Oder sie nimmt die ihr zugetragene Rolle als parlamentarisches Sprachrohr der Linken wahr, um eine sozialistische Transformation in die Wege zu leiten, die sich nicht anhand von Wähler*innenstimmen abstrahieren lässt, sondern anhand des gesellschaftlichen Bewusstseins der Armen und der Arbeiterklasse. Es hat nichts löbliches an sich, in einer bürgerlichen Regierung Verantwortung übernehmen zu wollen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Elisa Nowak

Freie:e Journalist:in aus Konstanz

Elisa Nowak

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