Bebauung „Am Mühlenberg“ verhindern!

Bürger*innenbeteiligung In der Siedlung „Am Mühlenberg“ im Berliner Bezirk Schöneberg sollen drei Hochhäuser auf eine Wiese gebaut werden. Widerspruch ist dringend geboten – noch heute!

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Eigentlich ist es erfreulich, wenn eine landeseigene Wohnungsgesellschaft neu baut. Allerdings ist die Berliner Innenstadt bereits hochverdichtet, so dass – insbesondere angesichts zu erwartender Klimaveränderungen – besser in Außenbereichen gebaut werden sollte.

Dass die landeseigene Gewobag gleich drei Hochhäuser in die Wohnanlage „Am Mühlenberg“ bauen will, ist unter Klimagesichtspunkten bedenklich und verschlechtert die Wohnsituation der ansässigen Wohnbevölkerung deutlich. Hinzu kommt, dass mit dem neuen Bebauungsplan eine bisher öffentliche Grünfläche privatisiert werden soll, was grundsätzlich abzulehnen ist.

Die Anforderungen des Berliner Hochhausleitbilds werden bei diesem Vorhaben nicht erfüllt, insbesondere was die Bürgerbeteiligung angeht.

Aus all diesen Überlegungen heraus widerspreche ich im aktuell laufenden Bürgerbeteiligungsverfahren dem vorgelegten Bebauungsplan 7-83.

Einwendungen sind bis zum 11. Juni2021 möglich

Der Bebauungsplan 7-83 liegt öffentlich aus, Stellungnahmen sind bis zum 11. Juni 2021 möglich. Diese werden dann vom Bezirksamt, oder von einem damit beauftragten Dienstleister, abgewogen. Im Grunde ist wohl (wie so oft) alles zwischen Bezirksamt und Bauherr (in diesem Fall die städtische Gewobag) festgelegt, und wahrscheinlich werden die Bedenken der Bürger*innen weggewogen, wie so oft. Trotzdem finde ich es wichtig, sich zu beteiligen und nichts unversucht zu lassen, doch noch Einfluss zu nehmen. Denn am Ende muss die Bezirksverordnetenversammlung entscheiden – möglicherweise erst nach der Wahl.

Meine Stellungnahme gegen die Bebauung der Siedlung "Am Mühlenberg"

Sehr geehrter Herr Baustadtrat Oltmann,

sehr geehrte Mitarbeiter*innen des Bezirksamts Tempelhof-Schöneberg,

die geplante Bebauung der Siedlung „Am Mühlenberg“ mit drei Hochhäusern lehne ich ab, aus folgenden Gründen:

Wegfall von Grünflächen und Verschärfung von Folgen des Klimawandels

  • Eine weitere Verdichtung der Innenstadt ist angesichts der Klimakrise (die Corona-Pandemie hat dies zusätzlich verdeutlicht) grundsätzlich keine zukunftsfähige Lösung der Wohnraumproblematik in der Stadtentwicklung. Stattdessen müssen bestehende Grün- und Freiflächen erhalten, ja sogar weitere geschaffen werden.

  • § 1 Abs. 5 Baugesetzbuch (BauGB) verlangt „eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung, die die sozialen, wirtschaftlichen und umweltschützenden Anforderungen auch in Verantwortung gegenüber künftigen Generationen miteinander in Einklang bringt, und eine dem Wohl der Allgemeinheit dienende sozialgerechte Bodennutzung unter Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung gewährleisten.“ Dies ist nicht gegeben, denn die starke Nachverdichtung trotz Klimakatastrophe führt zur Verschlechterung der Lebensverhältnisse der ansässigen Bevölkerung. Für zukünftige Generationen wird sich die klimatische Situation voraussichtlich weiter verschärfen, so dass dieser B-Plan keinesfalls die Anforderungen an eine nachhaltige Stadtplanung erfüllt.

  • Es liegt bereits ein Mangel an Grünflächen im Gebiet vor. Der in der Nähe liegende Volkspark ist schon heute übernutzt, ein weiterer Anstieg der Bevölkerung bei gleichzeitigem Wegfall von Grünflächen in der Siedlung verschärft die Situation und kann potenziell auch zu Nutzungskonflikten zwischen verschiedenen Nachbarschaftsgruppen führen.

  • Durch die Bebauung ist mit schlechterer Durchlüftung und Hitzestau zu rechnen, was vor allem für die überwiegend ältere ansässige Bevölkerung gesundheitsgefährdend ist, siehe zum Beispiel die aktuelle AOK-Studie „Klima und Gesundheit“.

  • Die geplante Dachbegrünung kann weder unter ökologischen noch unter Nutzungsgesichtspunkten eine wegfallende ebenerdige Grünfläche ersetzen.

  • Wenn überhaupt in der Innenstadt gebaut wird, müsste grundsätzlich der Nachweis vorhandener oder neu herzustellender öffentlicher Grünflächen als verbindlicher Teil der sozialen Infrastruktur in unmittelbarer räumlicher Nähe des Bauvorhabens verlangt werden. Dies ist im vorliegenden Fall jedoch nicht möglich, weil keine entsprechenden Ersatzflächen zur Verfügung stehen.

Privatisierung einer bisher öffentlichen Grünfläche

  • Bei der Grünfläche in der Siedlung handelt es sich nach dem bisher geltenden B-Plan aus 1962 um eine öffentliche Fläche. Mit dem neuen B-Plan wird diese – bzw. was nach der Bebauung von ihr übrig bleibt – privatisiert, was strikt abzulehnen ist. Zwar ist die Gewobag eine landeseigene Gesellschaft, aber es bestünde durchaus die Möglichkeit, dass die Öffentlichkeit von der Nutzung der Grünfläche ausgeschlossen und diese den Mieter*innen exklusiv vorbehalten wird. Dies ist unbedingt zu verhindern.

  • Für den Fall einer (nicht wünschenswerten, aber nie gänzlich auszuschließenden) Privatisierung der ganzen Anlage, oder sogar der Gewobag, ist es unbedingt notwendig, die baurechtliche Widmung der Grünfläche für die Öffentlichkeit beizubehalten.

  • Eine höhere Grundstücksausnutzung verbunden mit einer Privatisierung der verbleibenden Grünfläche würde das Defizit an öffentlichen Grünflächen im Gebiet zusätzlich verschärfen.

Verschlechterung der Wohnsituation der ansässigen Bevölkerung

  • Die Siedlung „Am Mühlenberg“ bietet eine hohe Wohnqualität und wurde nach dem Leitbild „Licht, Luft und Sonne“ errichtet. Solche Wohnverhältnisse dienen – insbesondere in Krisenzeiten – auch dem Erhalt der körperlichen und seelischen Gesundheit. Jede Verschlechterung dieser Wohnsituation ist zu vermeiden, sowohl im Interesse der heute und zukünftig direkt Betroffenen als auch im Interesse der Gesellschaft und möglicher Folgekosten.

  • Die geplanten Hochhäuser hätten vor allem Verschattungen und eine deutliche Verkürzung der Besonnungsdauer zur Folge, auch mit einer Verschlechterung der Frischluftzufuhr ist zu rechnen. § 1 Abs. 6 BauGB schreibt vor: „Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind insbesondere zu berücksichtigen: 1. die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse und die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevölkerung“. Diese Anforderung wird mit dem vorliegenden B-Plan keinesfalls erfüllt, im Gegenteil.

  • Es ist fraglich, ob eine solche Bebauung überhaupt zulässig ist, und ob nicht davon auszugehen ist, dass es hier einen allgemein gültigen planungs- und bauordnungsrechtlichen Bestandsschutz gibt.

Die Planung widerspricht dem Hochhausleitbild Berlins

  • Das Hochhausleitbild kommt zur Anwendung, jedoch widerspricht die vorgelegte Planung den Anforderungen, die im Hochhausleitbild gestellt werden, in mehrerer Hinsicht. Entsprechend dem Hochhausleitbild Berlins muss in einem ersten Schritt geprüft werden, ob die Kriterien der Standortwahl eingehalten werden. Nachteile für die Umgebung müssen ausgeglichen werden und das Vorhaben muss einen Mehrwert für die Allgemeinheit erbringen. Dieser erste Schritt ist nicht erkennbar.

  • Im B-Plan wird nicht dargelegt, wie die erheblichen negativen Auswirkungen auf die Anwohner*innen (Verschattung, Verlust von Grünflächen, Erhöhung des Verkehrsaufkommens, Parkplatzmangel, Verschlechterung von Windkomfort, Durchlüftung und Mikroklima) ausgeglichen werden sollen. Das Vorhaben ist für die Anwohner*innen ausschließlich mit Nachteilen behaftet, einen gesellschaftlichen Mehrwert gibt es nicht.

  • Eine echte Bürgerbeteiligung, die diesen Namen verdient, hat nicht stattgefunden. Im Hochhausleitbild wird für die Bürgerbeteiligung gefordert, „dass entscheidende Weichenstellungen noch beeinflusst werden können, die Betroffenen mitgenommen werden und die Beiträge der Beteiligungsformate nicht auf eine bereits weitgehend verfestigte Planung treffen“. Hier ist das Gegenteil der Fall.

  • Zur Veranstaltung am 5. Dezember 2017, in der die nun vorgelegte Variante ausgewählt wurde, war zu spät, nicht ausreichend breit und mit zu wenig Vorabinformationen eingeladen worden. Es bestand keine Möglichkeit, sich gegen eine Nachverdichtung auszusprechen. Darüber hinaus äußerten Teilnehmende die Vermutung, es hätten sich nicht nur Anwohner*innen, sondern auch Verwaltungsmitarbeiter*innen und Politiker*innen an der Abstimmung beteiligt.

  • Über den nun vorgelegten B-Plan gab es keine ausreichende öffentliche Information und Diskussionsmöglichkeit. Unabhängig davon, dass damit die Vorgaben des Hochhausleitbildes nicht beachtet wurden, wurden auch die Vorschriften des BauGB verletzt.

Weitere rechtliche Anforderungen nicht erfüllt?

  • Es ist fraglich, ob die Vorgaben von § 1 (3) BauGB erfüllt sind, denn es besteht ein rechtskräftiger B-Plan aus 1992. Eine erneutes Planverfahren ist nicht „erforderlich“. Ein „Hoher Bedarf an Wohnraum“ und „besonderes Augenmerk auf die Innenentwicklung“ sind keine städtebaulichen Argumente zur Rechtfertigung massiv überhöhter Grundstücksausnutzungen.

  • In der Siedlung „Am Mühlenberg“ liegt weder ein Reparaturbedarf noch ein städtebaulicher Missstand vor, der durch Nachverdichtung behoben werden müsste.

Gesellschaftliche Verpflichtungen landeseigener Wohnungsunternehmen werden nicht berücksichtigt

  • Dass ausgerechnet die landeseigene Gewobag, mit Unterstützung durch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, in solchem Maße gegen die Interessen ihrer Mieter*innen und Anwohner*innen verstößt, sowie auch die Erfordernisse zukünftiger Generationen missachtet, enttäuscht besonders.

  • Der vorliegende Bebauungsplan setzt sich über die Sorgen und Bedenken aus der Bevölkerung hinweg und missachtet rechtliche Vorgaben, insbesondere zur Bürgerbeteiligung bei der geplanten Errichtung von Hochhäusern.

  • Dieses Vorgehen riskiert, die ohnehin verbreitete Politikverdrossenheit in weiten Kreisen der Bevölkerung zu vertiefen und gefährdet insofern die Demokratie. Leider nicht zum ersten Mal im Bezirk wird das Vertrauen der Bürger*innen, gehört und ernst genommen zu werden, schwer beschädigt. Das gewünschte Ergebnis scheint von vornherein festzustehen, die Bürgerbeteiligung verkommt zur lieblosen Pro-Forma-Angelegenheit.

Weitere Beiträge zum Thema „Neubau“:

Bauen, bauen, bauen? Für ein soziales und ökologisches Berlin kommt es darauf an: Wer baut was und für wen? Rabe Ralf Dez. 2018/Jan. 2019

Kommen Zilles enge, dunkle Hinterhöfe zurück? Für hochpreisige Neubauwohnungen werden grüne Hinterhöfe zerstört, zum Beispiel in Berlin-Schöneberg. Rabe Ralf Dez. 2017/Jan. 2018

Buchbesprechungen:

Daniel Fuhrhop: Verbietet das Bauen! Eine Streitschrift

Daniel Fuhrhop: Willkommensstadt – Wo Flüchtlinge wohnen und Städte lebendig werden

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Geschrieben von

elisvoss

Freiberufliche Autorin, Journalistin, Vortragende und Beraterin zu Solidarischem Wirtschaften und Selbstorganisation in Wirtschaft und Gesellschaft.

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