Bewegung gegen die Kälte

Legalisierung jetzt! Für die sofortige und dauerhafte Legalisierung von Menschen ohne gültige Aufenthaltsdokumente.

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„In Berlin leben schätzungsweise zwischen 60.000 und 100.000 migrantische Personen ohne Dokumente“ schrieb das Netzwerk „Legalisierung jetzt“, dem mehr als 50 Kollektive und Organisationen von Migrant*innen und Anti-Rassist*innen angehören, am 12. Oktober in einem Offenen Brief. Er war der Auftakt einer Kampagne für die Rechte der Menschen, die aus verschiedenen Gründen keine gültigen Aufenthaltspapiere haben.

Sie haben keinen Zugang zu Sozialleistungen, große Probleme bei der Wohnungssuche, und arbeiten unter meist sehr prekären Bedingungen in Haushalt und Pflege, auf dem Bau oder in der Landwirtschaft. Sie leisten damit einen wesentlichen Beitrag zum Funktionieren der Gesellschaft. Statt dass ihre Leistungen wertgeschätzt würden, sind sie jedoch Ausbeutung und sexuellen Übergriffen ausgesetzt, weil sie sich aufgrund ihres unsicheren Aufenthaltsstatus kaum wehren können. Durch die Corona-Maßnahmen haben viele von ihnen nun ihre Arbeit verloren. Sie sind nicht krankenversichert und leben in ständiger Angst vor Polizeikontrollen und Repression.

Das Netzwerk fordert die Abschaffung des § 87 Aufenthaltsgesetz, in dem bestimmt ist, dass öffentliche und private Träger verpflichtet sind, von ihren Kenntnissen über Menschen ohne Aufenthaltstitel „unverzüglich die zuständige Ausländerbehörde zu unterrichten“. Das Aufenthaltsgesetz ist ein Bundesgesetz, das sich nicht so schnell wird ändern lassen. Gefordert wird die „dringende dauerhafte Legalisierung aller Personen in illegalisierten Situationen in Berlin“, damit die „migrantischen Personen als Subjekte mit Rechten eine zentrale Rolle spielen“. Für die Legalisierung solle beispielsweise eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 (1) des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden.

Zur Bekräftigung dieser Forderungen kamen heute einige Betroffene und Unterstützer*innen zu einer künstlerischen Intervention für die Rechte von Illegalisierten um 13 Uhr auf dem Washingtonplatz vor dem Berliner Hauptbahnhof zusammen. Sie trotzten dem kalten Wind auf dem Bahnhofsvorplatz und der sozialen Kälte in Berlin mit Transparenten, Schildern und vor allem mit kollektiver Bewegung. Es war ein Tabubruch: Die sonst Unsichtbaren machten lautstark und bunt auf sich aufmerksam, zeigten sich und tanzten einen kämpferischen „Perreo“, um sich „den feministischen, antirassistischen und dekolonialen Kämpfen für die Rechte derer an(zu)schließen, die in dieser Gesellschaft unsichtbar gemacht werden“.

Schon 2014 hat die Bremer Filmemacherin Anne Frisius mit dem Film „Dringend gesucht – Anerkennung nicht vorgesehen“ auf die Situation von illegalisierten Hausangestellten in Deutschland und in den Niederlanden aufmerksam gemacht. Die Betroffenen schildern darin selbst, wie sie ausgebeutet werden, aber auch, wie sie sich gewehrt und teils auch erfolgreich ihre Rechte erstritten haben. Ihr neuer Film „Gesundheit ist Menschenrecht. Der anonyme Krankenschein“ zeigt an Beispielen aus Bremen und Jena, dass es möglich ist, auch illegalisierten Menschen Zugang zur Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.

Fotos von der Aktion heute habe ich auf meiner Website veröffentlicht.

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Geschrieben von

elisvoss

Freiberufliche Autorin, Journalistin, Vortragende und Beraterin zu Solidarischem Wirtschaften und Selbstorganisation in Wirtschaft und Gesellschaft.

elisvoss

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