Das Parkett wie Glatteis

Skilling me softly Weiche Qualifikationsmerkmale, so genannte "soft skills", werden immer wichtiger im Berufsleben. Sind sie eine besondere Chance für Frauen am Arbeitsmarkt?

Der Angriff kommt unerwartet und trifft die 35-jährige Abteilungsleiterin Cordula Simon um so härter: "Sie können nicht mit Mitarbeitern umgehen", wirft der ehrgeizige Kollege seiner Chefin vor und trifft damit einen wunden Punkt. Gerade um einen guten Kontakt zu den fünf männlichen Teammitgliedern, die ihr unterstellt sind, hat sie sich sehr bemüht. Entscheidungen werden im Team besprochen, bei der Urlaubsplanung ist sie auch als allein erziehende Mutter um Absprachen bemüht, bei denen die Interessen ihrer Mitarbeiter nicht zu kurz kommen. Fachliche Diskussionen werden gleichberechtigt kollegial geführt, obwohl sie besser qualifiziert ist als die fünf Männer im Team. An ihrer Fachkenntnis kann so leicht niemand rütteln, das weiß die Chemikerin sehr wohl, aber wie soll sie diesen Vorwurf entkräften, mit dem der Kollege sich nun bei dem Vorgesetzten über sie beschwert? Dabei ist sie so sicher gewesen, dass es auch die soft skills waren, die sie für ihre erste Leitungsstelle qualifizierten.

Weiche Fähigkeiten - ein weicher Begriff

Soft skills - "weiche Fähigkeiten", das klingt human, aber auch international und modern. Soft skills gelten heute als unverzichtbarer Schlüssel zu beruflichem Erfolg. Vor allem aber sind soft skills, so glauben viele, eine Domäne der Frauen, denn nach ihnen gefragt, werden häufig als erstes Kommunikations- und Teamfähigkeit genannt. Und sind hierin Frauen nicht den meisten Männern überlegen? So ist seit einigen Jahren immer wieder die schlichte Gleichung zu hören: Weil soft skills auf dem Arbeitsmarkt vermehrt gefragt sind und Frauen eher als Männer über sie verfügen, werden die weichen Kompetenzen zu Türöffnern und Garanten für weibliche Karrieren auf dem Arbeitsmarkt.

Dennoch sind bis heute die führenden Positionen in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft vorwiegend mit Männern besetzt. Auch bei personellem Wechsel ändert sich daran in der Regel wenig. Was also hat es tatsächlich auf sich mit den soft skills und mit den Chancen, die sie Frauen eröffnen?

Der Begriff der soft skills stammt, wie die meisten Termini, die in den vergangenen Jahren im Wirtschafts- und Technologiebereich Gewicht hatten, aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum. Aber während Bezeichnungen wie "Outsourcing" oder Hinweise wie "up or out", "grow or go", die unwirtliche Kälte in Zeiten der wirtschaftlichen Globalisierung signalisieren, wird mit soft skills eine Berufswelt verbunden, die nicht ausschließlich Produktion und Gewinn in die Kalkulation einbezieht, sondern auch die Persönlichkeit der MitarbeiterInnen, ihre Bedürfnisse und Möglichkeiten. Mit soft skills wird Wertewandel assoziiert und Zukunft. So verweisen ArbeitsvermittlerInnen, PersonalentwicklerInnen und Medien immer wieder auf ihre Bedeutung als Schlüsselqualifikationen im beruflichen Wettbewerb und legen besonders Gruppen, die es auf dem Arbeitsmarkt schwer haben - wie Arbeitslosen, Schulabgänger und Frauen - nahe, sich um die Entwicklung und den Einsatz von soft skills zu bemühen. Auch von Führungskräften wird erwartet, dass sie sie besitzen. Wer also über sie verfügt, so lautet die frohe Botschaft, kann hoffen, beruflich aufzusteigen oder zumindest nicht aus dem Erwerbsleben herauszufallen.

Die vier Kompetenzen

In 67 Prozent aller ausgewerteten Anzeigen werden in Deutschland so genannte "Schlüsselqualifikationen" für die zu besetzenden Positionen vorausgesetzt, so eine Stellenmarktanalyse der Deutschen Privaten Akademie für Wirtschaft von 2003. Tendenz steigend. Schlüsselqualifikationen gelten als Reaktion auf einen sich rasant verändernden Arbeitsmarkt, auf dem die Halbwertzeit von Fach- und Faktenwissen immer schneller abnimmt. Bereits seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts war das ein zentrales Argument in der Diskussion um die wirtschaftliche Zukunft. Dieter Merten, der langjährige Leiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg, verstand 1974 darunter all jene Qualifikationen, die als "Schlüssel" zur rascheren und reibungsloseren Erschließung von wechselndem Fachwissen dienen können. In den folgenden Jahren wurde diese Definition durch eine Vielzahl anderer ergänzt und dabei vor allem um den Aspekt der Persönlichkeit erweitert.

So gliedert eines der etablierten Definitionsmodelle die Schlüsselqualifikationen in vier Kompetenzbereiche: Sozialkompetenz, Persönlichkeitskompetenz, Methodenkompetenz und Fachkompetenz. Fachkompetenzen - die so genannten hard skills - gelten als die Grundlage jeglicher beruflichen Betätigung. Dazu gehören auch Spezialkenntnisse über die Branche, über Fertigungstechniken und Produkte. Unter Methodenkompetenz wird das Handwerkszeug für die Umsetzung dieser Grundlagen verstanden, wie beispielsweise analytisches Denken. Aspekte der Persönlichkeitskompetenz sind Eigeninitiative, Veränderungsbereitschaft, Ausdauer/Belastbarkeit, Einstellung zur Arbeit, Kritikfähigkeit und die Bereitschaft zur Selbstreflexion. Sozialkompetenz beschreibt den Umgang mit anderen. Zu ihr gehören Kommunikations- und Teamfähigkeit.

Soft skills, Schlüsselqualifikationen, Sozialkompetenz - die Begriffe werden häufig synonym verwendet. Aber sie meinen je nach Definition sehr Unterschiedliches.

Das ist meines Erachtens ein zentraler Punkt bei der Antwort auf die Frage, welchen Einfluss soft skills auf die beruflichen Karrieremöglichkeiten von Frauen haben. Wer wie Susanne Culo, Beraterin für High Potentials bei Kienbaum, unter soft skills "alle jene Eigenschaften und Kompetenzen versteht, die über die fachliche Qualifikation hinausgehen", muss zwangsläufig die These anzweifeln, dass Frauen eher als Männer über soft skills verfügen. Wer dagegen soft skills mit Sozialkompetenz gleichsetzt, mag zu einer anderen Einschätzung kommen.

Immer am Ball bleiben

Die Veränderungsdynamik, die die Bedeutung von Schlüsselqualifikationen in den Fokus gerückt hat, bestimmt den Arbeitsmarkt bis heute. Die Geschwindigkeit, mit der Forschungsergebnisse und technische Entwicklungen beispielsweise im Bereich der elektronischen Medien oder der Medizin neue Erkenntnisse bringen und bisher unbekannte Möglichkeiten eröffnen, hat weiter zugenommen. Das macht es mehr denn je nötig, die Schlüsselqualifikation "Fachwissen" aktuell zu halten.

Die Forderung nach "lebenslangem Lernen" und die Vorstellung von "lernenden Organisationen" sind heute Selbstverständlichkeiten. Von Schule und Studium wird erwartet, dass neben Faktenwissen vor allem das Lernen gelernt und gelehrt wird. Wer konkurrenzfähig bleiben will, kommt nicht ohne permanente Lernbereitschaft aus.

Die Lernbereitschaft der/des Einzelnen nutzt aber wenig, wenn entsprechende Rahmenbedingungen nicht gegeben sind. Für Frauen beispielsweise, die in Erziehungszeiten nur reduziert arbeiten oder sich ganz aus dem Berufsleben zurückziehen - das tun im Vergleich nur 4,9 (teilweise) beziehungsweise 0,5 (vollständiger Rückzug) Prozent der Väter - ist es oft schwierig, auf dem aktuellen Stand des Fachwissens zu bleiben. Wer keine Fortbildungen besucht, auf Informationen aus beruflichen Netzwerken verzichten muss und keine Gelegenheit hat, neues Wissen zu erproben, bleibt schnell hinter dem aktuellen Stand zurück. Leider unterstützen bisher erst wenige Initiativen Frauen während der Erziehungszeit gezielt darin, vorhandene soft skills wie Lernfähigkeit und Leistungsbereitschaft zu nutzen, um dem Veralten ihrer wichtigen Schlüsselqualifikation Fachkompetenz entgegenzuwirken. Wer aber den Anschluss an aktuelle Entwicklungen einmal verloren hat, bekommt beim beruflichen Wiedereinstieg oft nur noch einen Platz in der zweiten Reihe. Auch soft skills helfen dann meist nicht weiter.

Doch nicht nur die ständige Aneignung von neuem Wissen ist wichtig. Gefragt sind MitarbeiterInnen, die fähig und gewillt sind, dieses auch anzuwenden. Soft skills, die im Wettbewerb Vorteile versprechen, sind neben Fleiß, Neugier und konstanter Lernbereitschaft auch Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten, Mut und Risikofreude beim Ausprobieren von Neuem, Bereitschaft, die eigenen Vorstellungen gegen Widerstände durchzusetzen und Verantwortung zu übernehmen. Nicht selten können Frauen mit den drei erstgenannten soft skills punkten. Aber viele halten sich dezent zurück und überlassen das Feld den Männern, wenn soft skills gefragt sind, die nicht der traditionellen weiblichen Sozialisation entsprechen.

Auch Hartnäckigkeit ist soft

Wer zum Lernenden wird und neue Wege beschreiten will, muss bereit sein, erworbene Sicherheiten aufzugeben, das Risiko einzugehen, Fehler zu machen und dafür kritisiert und angegriffen zu werden. Wo es um Wettbewerb, Entwicklung und Veränderung geht, ist es hilfreich, die Fähigkeit zu haben, Fehlentscheidungen und Rückschläge zu verkraften, nicht zu lange mit Fehlern zu hadern, sondern wie bei einem sportlichen Wettkampf immer wieder von Neuem Problemlösungen und die eigene Chance zu suchen. Hartnäckigkeit, Ausdauer, Zielbewusstsein und Durchsetzungsvermögen gelten als geschätzte soft skills. Sie aber werden Frauen in der Regel nicht zugeschrieben.

Die Kommunikation im professionellem Kontext gehört nicht unbedingt zur weiblichen Sozialisation. Die weibliche Fähigkeit, besser zu kommunizieren als Männer, beschränkt sich oft auf private Situationen, wo das Wissen um berufliche Rollen und Positionen nicht wichtig ist und der angemessene Umgang damit nicht gelernt wird.

Das rheinland-pfälzische Frauenministerium hat ein Mentoring-Projekt für junge Künstlerinnen initiiert, damit Berufsanfängerinnen lernen, sich besser auf dem Kunstmarkt zu positionieren. In einer Vernissage wurden die Arbeiten von zwei Mentorinnen und zwei Mentees vorgestellt. Die Pressestelle war um effektive Öffentlichkeitsarbeit bemüht. Eingeladen waren neben den Künstlerinnen auch Parteivertreterinnen und die Presse. Die Kritikerin der örtlichen Zeitung wurde bereits auf dem Weg zum Ministerium von einer Parteivertreterin angesprochen, weil man das neue Gebäude doch gemeinsam besser finden könne. Ein guter Anfang für Kontaktaufnahme, die allerdings nur so lange währte, bis der Eingang erreicht war und die Parteifrau ihre Kolleginnen erspähte. Sobald sie sich auf sicherem Boden fühlte, wandte sie sich ab und würdigte die Kritikerin keines Blickes mehr. So entstehen keine dauerhaften beruflichen Kontakte.

Während der Vernissage wurde die Journalistin von einer Frau angesprochen: "Für welche Zeitung schreiben Sie? Gefällt es Ihnen?" Keine namentliche Vorstellung ging dieser Frage voraus. Erst auf Nachfrage wurde klar, dass diese Frau das Projekt leitete. Männer bieten in solchen Situationen oft ihre Visitenkarte an und sagen, dass sie für weitere Informationen zur Verfügung stehen. Hier geschah nichts dergleichen. Schließlich näherte sich beherzt eine der Mentees der Kritikerin und forderte sie freundlich, aber bestimmt auf: "Fragen Sie mich zu meinen Bildern, egal was!" Keine dieser Frauen war unter 40 Jahre alt. Jede war unsicher und ungewandt und bewegte sich auf dem professionellen Parkett wie auf Glatteis. Ausgerutscht ist jede auf ihre Art. In der beruflichen Kommunikation kommt es wie im privaten Bereich auf richtiges Timing und ein Gespür für Zwischentöne an. Kommunikationstrainings vermitteln oft nur grobe Muster und machen den Unsicheren zwanghaft Mut. Wer so unter Druck steht und wild entschlossen auf den "Feind" Pressevertreterin zumarschiert, rutscht von der Zurückhaltung in den Überfall und damit am Ziel "Kontaktaufnahme" vorbei.

Teamfähigkeit rangiert nicht oben

"Zur Sicherung der unternehmerischen Zukunft", schreibt Johanna Maria Huch-Schade, Trainerin im Finanzdienstleistungs- und Versicherungsbereich und Autorin eines Buchs über soft skills, "sind motivierte und engagierte Mitarbeiter und Führungskräfte für das Unternehmen ein Ernst zu nehmender Wettbewerbsfaktor. ... Deshalb werden die Qualifikationen Eigenaktivität, Selbstverantwortung, Teamfähigkeit, persönliche Leistungsfähigkeit, Flexibilität und Kreativität zunehmend gefordert." Sind endlich soziale Kompetenzen und damit Frauen gefragt bei der Arbeit in Teams und Projektgruppen?

Bei einer Befragung, welche Eigenschaften Unternehmen von Nachwuchskräften erwarten, die das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln 1997 durchgeführt hat, wurden an erster Stelle die Einstellung zur Arbeit genannt, dann Leistungsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Konzentrationsfähigkeit. Erst an fünfter Stelle der Liste setzten die UnternehmerInnen Teamfähigkeit, direkt gefolgt von logischem Denken, Initiative und selbstständigem Lernen. Danach erst fand kommunikatives Verhalten Erwähnung.

In den befragten Unternehmen wird demnach vor allem eine hohe Persönlichkeitskompetenz geschätzt. Sozialkompetenz ist erwünscht, rangiert aber nicht an prominenter Stelle. Natürlich hat jedes Unternehmen eigene Zielvorstellungen, was im eigenen Haus wichtig ist. Je nachdem, um welches Arbeitsfeld, welche Berufsgruppe und welche Position es sich handelt, sind von den Einzelnen unterschiedliche soft skills gefragt. Wirklich erfolgreich sind erst Teams, bei denen die einzelnen Positionen richtig besetzt sind, die Teammitglieder sich also mit ihren jeweiligen soft skills gut ergänzen.

In Stellenanzeigen ist der Wunsch nach Teamfähigkeit häufig gekoppelt an den nach Durchsetzungsfähigkeit. Wird Kommunikationsfähigkeit erwartet, dann bezieht sich diese häufig auf die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen, meint die Fähigkeit zu präsentieren, zu moderieren, Verhandlungen geschickt zu führen und Konflikte durchzustehen. Unter "Teamorientierung", so eine Mitarbeiterin aus der Abteilung Human Resources eines Pharma-Unternehmens, "verstehen wir nicht nur, sich in eine Gruppe einzuordnen, sondern kritisch und selbstbewusst ein Team voranzubringen, auch mal in eine neue Richtung." Eine auf Experteninterviews basierende Studie der Boston Consulting Group kommt zu dem Ergebnis: "Viele kommunikative und soziale Kompetenzen werden als Grundvoraussetzung betrachtet. Wer sich für Höheres profilieren will, muss Macher-Eigenschaften wie Ergebnisorientierung und unternehmerisches Denken vorweisen. An der Spitze der Erfolgsfaktoren steht strategisches, vernetztes Denken."

Wem soft skills berufliche Vorteile verschaffen sollen, tut also gut daran, nicht nur auf "Einfühlungsvermögen, Anpassungsfähigkeit, Verbindlichkeit und Freundlichkeit" zu setzen. Soft skills, das ist ein ganzes Spektrum von Fähigkeiten, die nicht nur oder in besonderem Maß Frauen haben.

Cordula Simon, die Chemikerin, deren Umgang mit Mitarbeitern kritisiert wurde, hat ihre Ziele, Fähigkeiten und ihr Verhalten überdacht und sich mit den Bedingungen an ihrem Arbeitsplatz auseinandergesetzt. Dann war sie sicher: Sie will sich auf eine höher dotierte und inhaltlich anspruchsvollere Stelle in einer anderen Firma bewerben. Sie hat die Stelle bekommen und das Repertoire ihrer "weichen Fertigkeiten" erweitert. Auch die Fähigkeit zur Selbstreflexion gehört zu den soft skills und vielleicht können Frauen in Zukunft davon noch mehr als bisher profitieren.

Dr. Elke Grunewald ist Kulturwissenschaftlerin und berät in ihrer Praxis für Supervision und Coaching in Ingelheim Führungskräfte aus Wirtschaft und Non-profit Unternehmen.


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