Der Kick

Sportplatz Kolumne

Wie sehr die Kicker des rumänischen Drittligisten Cetatea Targu Neamt kurz vor Saisonbeginn noch in ferienfauler Lethargie dösten, ist nicht bekannt. Sicher ist hingegen, dass die Clubleitung Handlungsbedarf sah und zu einer ungewöhnlichen Motivierungsmaßnahme griff: Das traditionelle Trainingslager, so erklärten die Vereinsbosse, werde diesmal in einem nahe gelegenen Kloster stattfinden. Die Übungseinheiten würden auf dem dortigen Sportplatz durchgeführt, ansonsten werde man gemeinsam mit den Mönchen Kraft in der Stille sammeln, nur unterbrochen von geistlicher Musik.

Das Trainingslager wurde ein voller Erfolg. Zu Beginn seien die Spieler mit der Ruhe im Kloster völlig überfordert gewesen, sagte Torhüter Vlad Condur. "So etwas waren wir alle nicht gewöhnt." Das Fehlen jeglicher Ablenkung habe sich dann aber als "sehr positiv und motivierend" erwiesen.

Für Fußballer ist der Zustand völliger Demotivation - der sich etwa während der Sommerferien einstellt - ganz besonders schlimm. Coach und Publikum erwarten zu vorgegebenen Zeiten ganz einfach vollen Einsatz, den lediglich vorzutäuschen, so gut wie unmöglich ist. Kicker-Motivation ist daher zu einem festen Trainingsbestandteil geworden. Einer der ersten, der die Notwendigkeit der Fußballer-Bespaßung erkannte, war Christoph Daum, der Ende der neunziger Jahre als Coach von Bayer Leverkusen einen Motivationstrainer für die Profis engagierte. Bis hin zum Lauf über glühende Kohlen reichte dessen von Konkurrenz und Journalisten damals belächeltes Programm. Mittlerweile sind die im Geschäftsleben alltäglichen Methoden auch im Sport anerkannt. Schließlich beruhte der Erfolg der deutschen Nationalmannschaft bei der WM im vorigen Jahr nicht zuletzt darauf, dass Teamchef Jürgen Klinsmann ungewöhnliche Trainings- und Motivationskonzepte aus den USA eingeführt hatte. So führte er einen Leistungstest ein, der Spaß machte und quartierte das Team entgegen der bisherigen Gepflogenheiten nicht in einem streng abgeschirmten Quartier, sondern in einem ganz normalen Hotel ein, mitten in Berlin. Zwei Tage vor dem Spiel gegen Brasilien strich er das gemeinsame Abendessen und forderte die Spieler auf, stattdessen ein Restaurant ihrer Wahl aufzusuchen. Klinsmann hatte erkannt, dass Routine zu Langeweile führt - wie rund ein Jahr später die Vereinsbosse von Cetatea Targu Neamt.

Hätte Klinsmann noch weiter experimentiert, hätte er sich sicher bald in Rumänien umgesehen, einem Land, das traditionell mit dem Problem der Spielermotivation sehr kreativ umgeht. Der Erstligist Universitate Craiova zum Beispiel hat im Jahr 2004 vorgeführt, dass es manchmal hilft, den faulen Fußballern einfach tüchtig Angst einzujagen. Vereinspräsident Dinel Staicu hatte seinerzeit nämlich ein Problem: Der 1948 als CSU (Club Sportiv Universitate) gegründete Verein, der seinen Namen 1966 auf Universitate verkürzte, lag hinter Dinamo Bucuresti auf dem vierten Tabellenplatz der Divizia A. Damit wäre er nicht für den UI-Cup spielberechtigt gewesen, da nur der Dritte der rumänischen Liga die Chance hat, sich für den internationalen Wettbewerb zu qualifizieren. Um wenigstens theoretisch Chancen auf eine internationale Teilnahme zu haben, sollte Universitate Craiova das nächste Spiel also unbedingt gewinnen. Allein: Die Sommerferien standen bevor. Die Spieler waren nicht motiviert.

Staicu erklärte deshalb gegenüber der Lokalzeitung, für den Fall der Niederlage gegen Petrolul, einen gut durchdachten Plan zu haben: "Wenn die Jungs die hitzige Atmosphäre eines harten Kampfes nicht aushalten können, dann sagt ihnen vielleicht die Ruhe eines sehr, sehr langen, absolut ereignislosen Klassikkonzertes zu!" Ein Punktverlust werde er mit einem Besuch der örtlichen Philharmonie bestrafen: "Sofort nach dem Abpfiff werde ich höchstpersönlich Karten für das Team bestellen!" Für den Fall, dass seine Mannschaft nichts dagegen habe, ein paar Stunden in gemütlichen Sesseln den Klängen von Violinen, Bratschen und Oboen zu lauschen, hatte Staicu sogar einen Ersatzplan ausgearbeitet: "Wir können alternativ zum Konzertbesuch auch in eine sehr langweilige Ballettvorstellung gehen, kein Problem!"

Die Craiova-Kicker strengten sich angesichts solcher Aussichten dann doch lieber an. In den UI-Cup schafften sie es trotzdem nicht, was vermutlich an der Saisonvorbereitung lag - in einem Kloster mit Schweigegebot hätten sie sicher die erforderliche Ruhe und Kraft für ein erfolgreiches Bestehen in der Qualifikationsrunde gefunden.

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