Schmuddelkinder

Sportplatz Kolumne

Für gleich zwei ehemalige Sportstars dürften die letzten Wochen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, derart unschön gewesen sein, dass sie es wohl immer noch vermeiden, in die Zeitungen zu schauen. Die Schlagzeilen, die sie dort derzeit über sich lesen müssten, sind ausgesprochen negativ.

Da ist zum einen Björn Borg, der seine Wimbledon-Trophäen als erster Sieger des renommierten Turniers versteigern lassen will. Der einstige Tennisspieler, der schon einmal mit einer eigenen Firma Konkurs anmelden musste, befindet sich Insiderinformationen zufolge erneut in ernsten Finanznöten.

Etwas weiter nördlich erlebt zum anderen ein Kollege aus einer völlig anderen Sportart gerade die wohl schlimmste Phase seines an schlimmen Phasen nicht armen Lebens. Matti Nykänen, einst gefeierter dreimaliger Olympiasieger im Skispringen, wurde zu einer viermonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, nachdem er betrunken seine Frau Mervi verprügelt hatte. Zusätzlich widerrief das Bezirksgericht im finnischen Tampere eine ursprünglich zur Bewährung ausgesetzte Reststrafe in Höhe von dreizehn Monaten. Im August 2004 hatte Nykänen einen Saufkumpanen mit einem Messer angegriffen und verletzt, der damalige Ersttäter-Bonus war mit der erneuten Körperverletzung hinfällig geworden.

Mit Borg und Nykänen sind ausgerechnet zwei Vertreter ihrer jeweiligen Sportarten in ernsten Schwierigkeiten, die während ihrer aktiven Zeit als absolute Superstars galten. Und die zu denjenigen gehörten, die als erste finanziell von der zunehmenden Vermarktung im Spitzensport profitieren konnten. Während noch wenige Jahre zuvor selbst die erfolgreichsten Kicker am Ende ihrer Karriere sich vom Ersparten bestenfalls einen eigenen Kiosk leisten konnten, hätten die eingenommenen Preisgelder und Honorare für Werbeauftritte Borg und Nykänen eigentlich ein sorgenfreies Leben danach ermöglichen müssen.

Hätte der Absturz der Sportstars womöglich verhindert werden können? Eine finnische Filmproduktion über das Leben von Matti Nykänen zeigt, dass im Falle des unbedarften Sportlers alles falsch gemacht wurde, was falsch gemacht werden konnte. Bezeichnenderweise antwortet der jugendliche Nykänen da auf die Frage seines Trainers, was er nach dem Ende der Skisprung-Karriere machen wolle, dasselbe, was er zuvor schon auf die Frage nach seinen Interessen geantwortet hatte: "Skispringen".

Auch von Björn Borg wurde immer wieder berichtet, dass er sich während seiner aktiven Zeit nahezu autistisch um seinen Sport kümmerte und alles, was nicht direkt mit Ball und Schläger zu tun hatte, seinen Beratern überließ. Dementsprechend lernte er kaum, seine Angelegenheiten selber zu regeln.

Bei Matti Nykänen kam dazu, dass Funktionäre und Trainer von seinen Leistungen abhängig waren und alles unternahmen, um Negativ-Schlagzeilen zu verhindern. Die Wahrheit - der Skispringer trank bereits als Jugendlicher unkontrolliert und neigte im Suff zu unberechenbarem, aggressivem Verhalten - hätte schließlich dazu geführt, dass der Medaillengarant aus dem Kader hätte geworfen werden müssen und Fördergelder und Werbeverträge ausgeblieben wären. Als Nykänen seine Karriere beendete, war es dann von einem Tag auf den anderen vorbei mit der Rundum-Betreuung des Titeljägers. Völlig allein gelassen, tat Matti das, was er außer Skispringen am besten konnte: sich betrinken. Nachdem sein Vermögen von windigen Beratern durchgebracht worden war, machte er sich als Sänger lächerlich und versuchte sich als Stripper, investierte das verdiente Geld in kreuzdämliche Projekte seiner Saufkumpane und versuchte, wenn es richtig eng wurde, immer mal wieder seine Medaillen und Trophäen zu verkaufen.

Björn Borg hatte es da ein bisschen besser. Zwar musste er nach seiner ersten geschäftlichen Pleite sein Haus verkaufen, aber immerhin verhinderten reiche Freunde ein totales finanzielles Desaster. Wie es mit ihm und Nykänen weitergehen wird, ist ungewiss. Hört man bei Interviews mit ihren Nachfolgern, gleich in welcher Sportart, genau hin, dann ist eines klar: Gelernt hat niemand aus diesen Abstürzen. Schon gar nicht die Betreuer.


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