Nachdem sich nun praktisch jedes Medium der Republik damit abgemüht hat, ein für die Olympischen Spiele symbolisches Bild zu küren, ist es an der Zeit, sich mit Schrillflatterpieps zu beschäftigen. So ungefähr klingt es nämlich, wenn jemand in ein darauf nicht ausgelegtes Mikrofon hineinkreischt, ach was, vollkommen aufgelöst und hysterisch hineinbrüllkreischt. Mit anderen Worten: Wenn ein öffentlich-rechtlicher Reporter das tut, was er unter Journalismus versteht – also „Fahr! Fahr! Fahr zu Gold!“ beim Radfahren zu schreien oder „Und er steht! Er steht! Bleib stehn, Mensch!“ beim Kunstturnen.
Und damit sind wir auch schon beim Problem: Wer genau den Sportjournalisten bei ARD und ZDF eingeredet hat, ihr Job bestehe nicht im Vermitteln von Informationen, sondern im möglichst mikrofonzerfetzenden und einseitigen Mitfiebern, ist nicht bekannt. Und auch nicht, warum es das gebührenzahlende Publikum sonderlich schätzen sollte, jemand anderem als sich selbst beim Fan-Sein zuzuhören. Also dabei, vor lauter Begeisterung über mögliches Gold nicht mal mehr in der Lage zu sein, auch nur einen Moment an sich zu halten und interessante Fakten über die anderen Startenden zu vermitteln.
Dass nun ausgerechnet die öffentlich-rechtlichen Sportreporter keinerlei Gespür dafür entwickeln, dass bedingungsloses Heranwanzen an die Athleten, nicht selten mit der Betonung, einen besonders guten Draht zur nationalen Medaillenhoffnung zu pflegen, weniger mit Journalismus als mit unkritischer Lobhudelei zu tun hat, ist schon apart. Noch aparter wurde es in Rio, wenn es um Doping ging. Da wurde das brasilianische Publikum von ARD und ZDF regelrecht abgefeiert, weil es russische Schwimmerinnen auspfiff. Deutsche Sportler blieben qua Staatsangehörigkeit aber ganz selbstverständlich von jeglichem Betrugsverdacht verschont.
Und so wurde Olympia zum großen Kumpeltreff, einer Art Insiderveranstaltung für Sportler und ihre öffentlich-rechtlichen Anhänger, die ihre vier Helden im Kajak-Finale etwa aufforderten, keine Individuen mehr zu sein, sondern nur noch „ein Boot“. Unterlegt war diese Bitte freilich mit viel Schrillflatterpieps. Aber, aber, mag man nun sagen, das ist doch am Ende alles nur Sport, da geht’s doch nicht wirklich um Journalismus! Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Denn wenn Sender, denen Quoten aufgrund der Gebührenfinanzierung egal sein könnten, damit argumentieren, „das Publikum“ wolle das genau so haben, ist das noch lange kein Grund, indolente Berichter-stattung einfach stillschweigend hin-zunehmen.
Womöglich ist der Sportjournalismus aber auch bloß einen Schritt voraus und nimmt vorweg, was schon bald auch in anderen Ressorts als unfassbar individuelle Berichterstattung mit persönlichem Touch geboten werden wird. Beispielsweise an Wahlabenden, wenn nicht mehr neutrale Journalisten, sondern mit Presseausweis ausgestat-tete Fanboys und -girls hysterisiert den Aufbau der digital umgesetzten Hochrechnungen und Sitzverteilungen präsentieren. Oder noch besser: herauskreischen. „Ja, CDU! Los, weiter! Das ist dein Tag“, könnte dann lauthals geschrien werden. Oder auch: „Jetzt nicht nachlassen, SPD! Du schaffst es! Mach dich unsterblich!“
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.