Der Hurrikan der Finanzkrise ist noch nicht vorbei, da naht schon der nächste Wirbelsturm, der einer Währungskrise – ja, eines Währungskriegs. Zuerst sprach der brasilianische Finanzminister davon, dann der Chef des IWF auf der Jahrestagung der Bretton Woods-Institutionen gerade in Washington. Die Lage ist ernst, die schon seit Jahren auf jeder G 8-Tagung angesprochenen „strukturellen Ungleichgewichte“ geraten außer Kontrolle. Ein weltwirtschaftlicher Umbruch kündigt sich an. Kann der US-Dollar die Position der Reservewährung halten, können Welthandel und Finanztransaktionen und nicht zuletzt die Kontrakte über Öllieferungen wie bisher üblich in Dollar abgewickelt werden, wenn zugleich von den politischen und wirtschaftlichen Eliten der USA aggressiv eine Aufwertung des chinesischen Renminbi verlangt wird? Das ist spiegelbildlich die Ankündigung einer Abwertung des Dollar. Wenn andere Länder folgen, haben wir den Währungskrieg wie schon einmal vor 80 Jahren.
Seit mehr als einem Jahrzehnt steigen die Leistungsbilanzüberschüsse einiger Regionen (Ostasien, Ölexporteure), während die USA ein steigendes Defizit der Leistungsbilanz aufweisen. Sind die überschießende Ersparnis und die mangelnde Binnennachfrage in China, Japan, Indien und deren Exportüberschüsse für die destabilisierenden Defizite der USA verantwortlich, wie von US-Seite behauptet?
Das Argument, die asiatischen Länder, in erster Linie China, würden eine protektionistische Politik verfolgen und gleichzeitig eine Aufwertung der eigenen Währung verhindern, um so Exportvorteile zu erzielen, ist absurd. Würden die asiatischen Überschussländer weniger sparen und mehr konsumieren, heißt das noch längst nicht, dass die USA und ihre Bürger auf Konsum verzichten, mehr sparen und exportieren und so das Leistungsbilanzdefizit verringern. Die Konkurrenzposition eines Landes entscheidet sich zwar auch auf den Devisenmärkten – aber vorrangig in der „Realwirtschaft“.
Eine Dollar-Abwertung könnte die US-Steuerzahler allerdings von den Billionen-Verlusten ihres Finanzsystems, von den Schulden aus der Zeit des Konsumrausches und des Feldzugs gegen den „Terrorismus“ entlasten. Die Gelegenheit zur „Externalisierung“ von Verlusten haben freilich nur Länder, deren Währung als Reservewährung gehalten wird, andere Länder haben sie nicht. Denn die Dollarreserven außerhalb der USA schwinden mit dem Abwertungssatz. Eine Flucht aus dem Dollar würde den Kurs weiter absacken lassen, die eigene Währung aufwerten und eigene Exporte verteuern. Ein doppelter Gewinn für das Reservewährungsland USA und ein doppelter Verlust für alle anderen.
Das Triffin-Dilemma
Kein Wunder, dass die Begeisterung für eine Dollar-Abwertung nicht sehr groß ist. China hat aus seinen Währungsreserven hohe Stützungskredite an eine Reihe von Ländern vergeben, um sie in der Finanzkrise gegen einen Wertverlust zu stärken. China vergrößert so überall in der Welt seinen geopolitischen Einfluss. China greift auch dem Euro unter die Arme, indem Griechenland geholfen wird. Wenn schon die Aufwertung der chinesischen Währung gegenüber dem Dollar nicht auf Dauer zu verhindern ist, soll wenigstens der Euro nicht auch noch an Wert verlieren und chinesische Exporte nach Europa verteuern. Der Kampf um die Wechselkurse wird mit aller Härte ausgefochten, geht es doch um die weltwirtschaftliche Hegemonie.
Welche Währung der Welt ist zum Fixstern der Weltwährung prädestiniert, um den andere Währungen wie Planeten und Trabanten kreisen. Was dem Fixstern Masse und Energie sind der Weltwährung Verfügbarkeit und Sicherheit. Besonders sicher ist das Gold, doch ist es auf dem Planeten Erde nur in endlichen Quantitäten verfügbar – eine schlechte Eigenschaft angesichts der Maßlosigkeit der kapitalistischen Akkumulation. Aber wenn die sowieso stockt und obendrein die Abwertung der Weltwährung droht, wird Gold wieder zum Objekt spekulativer Begierde. Papiergeld oder elektronisches Geld hingegen werden durch Geldschöpfung seitens der Zentralbank zusammen mit den Geschäftsbanken verfügbar gemacht. Daher kann nur die Währung eines Landes mit einem differenzierten und globalen System der Geschäftsbanken zum Weltgeld aufsteigen. Ist das chinesische Bankensystem schon so weit? Zweifel sind angebracht.
Der Dollar ist als Reservewährung stark, weil die USA Schulden auftürmen – und dadurch den Dollar letztlich schwächen. Ein Dilemma, das nach dem Ökonom Robert Triffin benannt wird. Eine Währung wird nur akzeptiert und somit verfügbar, wenn ihr Wert vor Inflation und Abwertung gegenüber anderen Währungen geschützt wird. Der Staat der Weltwährung muss obendrein Eigentumsrechte und die Sicherheit des Welthandels, der Energieflüsse, der Direktinvestitionen und Finanzanlagen garantieren. Dafür sorgt bisher der Machtkomplex von Wall Street, White House, Pentagon, Federal Reserve System und IWF. Zhou Xiaochuan, Präsident der Zentralbank Chinas, hat 2009 in der Debatte um die Zukunft des Dollar explizit auf das Triffin-Dilemma hingewiesen, indem er sagte: „Länder, die die Reservewährung bereitstellen, können nicht zugleich deren Wert aufrechterhalten und die Welt mit Liquidität versorgen.“
Verfügbarkeit, ökonomische und politische Sicherheit der Währung waren die Voraussetzung dafür, dass nach dem Zusammenbruch des Festkurssystems von Bretton Woods der Dollar als Ölwährung mit einem grandiosen Coup, den der damalige Außenminister Kissinger landete, etabliert werden konnte. Die Ölkrise von 1973 hatte aller Welt die Bedeutung einer stabilen Energieversorgung vor Augen geführt. Dafür erklärten sich nun die USA zuständig. Das US-Finanzsystem war genügend diversifiziert und weltweit präsent, um die sprunghaft steigenden Dollar-Einnahmen der Erdöl exportierenden Länder aus dem Nahen und Mittleren Osten an Kreditnehmer in der „dritten Welt“ zu „rezyklieren“.
Das war erstens günstig für die US-Währung, denn der Dollar konnte als Ölwährung und als Weltwährung für Finanzkontrakte gestärkt werden, obwohl er auch in den siebziger Jahren schon an Wert verloren hatte. Das war zweitens von Vorteil für das internationale Bankensystem – am Recycling konnten die Finanzinstitute prächtig verdienen. Auf diese Weise wurde drittens die US-Hegemonie in der Welt gestützt, die infolge der Niederlage in Vietnam und der Abwertung des Dollar in den siebziger Jahren Risse bekommen hatte. Alles Vorteile für das Land der Reservewährung und geeignet, eine Vorherrschaft – die „Seignorage“– zu sichern.
Wird die in Frage gestellt, reagiert das Empire mit militärischer Härte. Nachdem Saddam Hussein das Oil-for-Food-Programm von Dollar auf Euro umstellte, marschierten die USA samt Alliierten in den Irak ein. Und schon im Mai 2003 verkündete die OPEC, dass Öl in Zukunft wieder ohne Ausnahme in Dollar fakturiert würde. Alle Ansätze, den Ölpreis in anderer Währung zu handeln oder gar eine nicht von den USA dominierte Ölbörse einzurichten, sind seitdem stecken geblieben. Auch die iranische Ölbörse – lange im Gespräch – hat sich gegen die traditionellen Ölhandelsplätze in London und New York nicht durchsetzen können. Der Dollar sitzt auf seinem Ölwährungs-Thron, mit modernster Militärtechnologie gewappnet. Stellt sich nur die Frage: Wie lange noch?
Hegemoniales Chaos
Der Dollar ist schwach, aber China ist heute (noch) nicht in der Lage, alle Bedingungen einer neuen Reservewährung zu erfüllen. Der Renminbi ist nicht global verfügbar, weil das chinesische Bankensystem nicht so weit ist. Er ist auch nicht sicher, weil China es bislang vermieden hat, bei den Währungskriegsspielen die Karte der politischen und militärischen Macht zu ziehen. Doch hat Zentralbankchef Zhou Xiaochuan trickreich vorgeschlagen, den Dollar um „Sonderziehungsrechte“ (SZR) – eine internationale Verrechnungseinheit, die es seit 1969 im Geschäftsverkehr mit dem IWF gibt – zu ergänzen.
Mit dem Vehikel SZR versucht Zhou, das Gewicht des Dollar in den chinesischen Währungsreserven zu reduzieren (denn in den Wert der SZR gehen nicht nur der Dollar, sondern viele andere Währungen ein) und die SZR möglicherweise für bestimmte Handelskontrakte in Position zu bringen – vielleicht auch für Ölgeschäfte. Dafür spricht die Einfädelung von bilateralen „Swap-Geschäften“, beispielsweise zwischen China und Argentinien, in denen die beiden Währungen Peso und Renminbi getauscht werden, ohne auf den Dollar oder andere Währungen zurückzugreifen. Das könnte als Beginn eines währungspolitischen Bilateralismus interpretiert werden.
Die Pax Americana, deren Insignium der Greenback war, wird von einer „postamerikanischen“ Ordnung abgelöst. Wäre die mit dem Renminbi chinesisch? Oder mit dem Euro europäisch? Kann der Niedergang der US-Hegemonie vielleicht gestoppt werden? Es ist heute nicht absehbar, welche einigermaßen stabile Konstellation aus dem chaotischen Nebel der Währungskonflikte emporsteigen wird – um eine Dollardämmerung handelt es sich allemal. Auf der Währungskonferenz in Washington konnten die versammelten Finanzminister und Notenbankchefs beobachten, wie die Dollarsonne untergeht.
Elmar Altvater ist Politikwissenschaftler. Er behandelt die aktuellen Währungskonflikte auch in seinem neuen Buch Der große Krach oder die Jahrhundertkrise von Wirtschaft und Finanzen. Von Politik und Natur
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