Hartnäckig, anspruchsvoll, manchmal auch streberhaft und belehrend: Dies sind nicht gerade die Eigenschaften, mit denen man in den USA zu Everybody‘s Darling wird – schon gar nicht, wenn es um den Klimaschutz geht. Connie Hedegaard weiß das. Trotzdem hört die EU-Klimakommissarin nicht auf, dem mächtigsten Land der Erde seine Unzulänglichkeiten im Kampf gegen die globale Erwärmung vorzuhalten.
Seit jeher packt sie ihre Worte dabei selten in Watte, dafür fehlt ihr die Geduld. Nun aber – zwei Jahre nach dem gescheiterten UN-Klimagipfel von Kopenhagen und kurz vor einem weiteren, ebenfalls wenig Erfolg versprechenden Anlauf im südafrikanischen Durban – zeigt sich die oberste Klimaschützerin der Europäischen Union regelrecht entnervt.
„Schockiert“ sei sie, wie fern von wissenschaftlichen Fakten der Klimawandel von Teilen der politischen Elite in den USA diskutiert werde, sagte die frühere dänische Umweltministerin von der Konservativen Volkspartei der Zeitung Politiken. „Wenn man hört, wie amerikanische Präsidentschaftskandidaten den von Menschenhand gemachten Klimawandel leugnen, dann kann ich kein Licht am Ende des Tunnels sehen.“ Die Rechten in den USA hat sie damit gründlich gegen sich aufgebracht. Sie sehen in Hedegaards Ermahnungen einen Beleg für das Klischee vom „alten Europa“, das alles besser weiß und in den vergangenen 100 Jahren doch nur Verlierer war.
Warnungen seien "Voodoo"
Schon mit dem amtierenden Präsidenten Barack Obama, der sich anfangs guten Willens für mehr Klimaschutz zeigte, ging Hedegaard keineswegs unkritisch um. Obamas Vorlage für ein Klima- und Energiegesetz und die damit verbundene Senkung des CO2-Ausstoßes bezeichnete sie bereits als unzureichend, als der Präsident noch damit beschäftigt war, im Senat dafür eine Mehrheit zusammenzubekommen. Die Gesetzesvorlage, so spottete Hedegaard damals, sei nichts, worüber Europäer sagen würden: „Wow, das ist aber ambitioniert“. Letztlich bekam Obama aber noch nicht einmal dafür die Unterstützung im Kongress.
Inzwischen drängen Politiker ganz anderer Couleur auf die politische Bühne der USA. So bezeichnet Tea-Party-Frontfrau Michele Bachmann Warnungen vor dem Klimawandel als „Voodoo“, und auch der weit aussichtsreichere Präsidentschaftskandidat Rick Perry, Gouverneur des US-Bundesstaates Texas, äußert offene Zweifel an den Ergebnissen der Klimaforschung. Für jemanden wie Hedegaard ist das schlicht unerträglich.
Der ehemaligen Umwelt- und Klimaschutzministerin zu unterstellen, es gehe ihr bei der Attacke um Prestige und Macht, wie das rechte Kommentatoren in den USA jetzt tun, greift zu kurz. Hedegaard ist Überzeugungstäterin. Für ihre Position hat die in ihrem Land äußerst beliebte Politikerin stets hart kämpfen müssen und sich dabei auch nicht gescheut, ihren Job zu riskieren. Als im April 2009 Anders Fogh Rasmussen, damals noch dänischer Regierungschef, sie zu einem Klimatreffen in Washington nicht mitnehmen wollte, lief eine erzürnte Ministerin bei ihm auf. Sie drohte damit hinzuschmeißen, wenn er ihr nicht endlich die ihr qua Amt zustehenden Kompetenzen einräume. Hedegaard reiste mit.
Persönliche Verantwortung
In ihrem 2008 erschienenen Buch „Als das Klima zur Bedrohung wurde“ thematisiert die Literaturwissenschaftlerin und Historikerin auch die persönliche Verantwortung, die sie als Politikerin im Zusammenhang mit dem Klimawandel trägt. Hedegaard, 51, bewohnt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen ein älteres Haus im Kopenhagener Stadtteil Hellerup. Die alten Fenster sind längst durch neue mit besserer Wärmedämmung ersetzt worden. Auch das alte Auto, Jahrgang 1993, musste vor Kurzem einem umweltfreundlicheren Modell weichen.
In der Krise scheint vielen der Klimaschutz wie Luxus, dessen ist sich auch Hedegaard bewusst. Ihr ist die Sache jedoch sehr ernst – sie ist überzeugt, dass es nicht einfach um etwas geht, das zwar ganz schön ist, das man aber nicht unbedingt haben muss. Deshalb ist sie von Kopenhagen Anfang 2010 zur EU-Kommission nach Brüssel gewechselt. Und deshalb versucht sie seitdem trotz widrigster Umstände, während die Finanz- und Schuldenkrise die Welt im Klammergriff hält, das Thema auf der politischen Agenda zu halten. Keine beneidenswerte Aufgabe.
Noch Ende 2009 bot der Klimagipfel von Kopenhagen der international angesehenen Politikerin eine große Bühne. Unermüdlich setzte sich Hedegaard dort für ein weltweit bindendes Abkommen zur Begrenzung der Treibhausgase ein. Mit schneidender Stimme hielt sie leidenschaftliche Plädoyers und redete den Staats- und Regierungschefs ins Gewissen. Unterlagen oder Spickzettel brauchte sie nie. Sie wollte, dass Europa, ja die ganze Welt, mit einer Stimme spricht – am besten mit der ihrigen. „Deal or no deal“, sagte sie immer wieder. Alles oder nichts. Was am Ende dabei herauskam, war eine echte Enttäuschung. Hedegaard nahm das Scheitern auch persönlich.
Nach der nur wenig erfolgreicheren Konferenz im mexikanischen Cancún vergangenes Jahr richtet sich ihr Blick nun auf Durban. Derzeit ringen bei einer weiteren Vorbereitungskonferenz in Panama die Unterhändler aus allen Regionen der Erde zum x-ten Mal darum, ab Ende November in Südafrika irgendwie voranzukommen zu einem „würdigen Nachfolger für Kyoto“, wie Hedegaard es nennt. Denn das Kyoto-Protokoll – das einzige völkerrechtlich verbindliche Instrument zur Klimaschutzpolitik – läuft 2012 in bisheriger Form aus. Die Zeit wird knapp. Viel Hoffnung hat Hedegaard nicht.
Elmar Jung berichtet aus Kopenhagen als freier Korrespondent über die skandinavischen Länder
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