Im November 1996 traf Eberhard Diepgen im Flugzeug nach Frankfurt am Main zufällig Ignatz Bubis. Der wollte vom Regierenden Bürgermeister sofort wissen, warum der Senat den Bau der Gedenkstätte "Topographie des Terrors" ein weiteres Mal auf die lange Bank schieben wolle. Es lag natürlich an der damaligen Finanzsenatorin Anette Fugmann-Heesing. Sie habe sich mit einem entsprechenden Sparvorschlag in den Haushaltsberatungen durchgesetzt, erklärte Diepgen. Ob das die Wahrheit war oder nur eine Ausflucht, wissen bis heute nur wenige.
Jedenfalls wurde der Fall wieder auf der Ebene persönlicher Verantwortlichkeit verhandelt, nachdem diese Gedenkstätte für die Opfer des Nazi-Regimes schon fast dem Vergessen anheim gefallen war. Bubis ging mit Diepgens Auskun
ens Auskunft an die Öffentlichkeit, Fugmann-Heesing zeigte sich empört über die Anschuldigung. Wegen der Belastung für die damals ohnehin schwache Koalition wurde der Konflikt entsprechend schnell gelöst, der Baustopp aufgehoben, und plötzlich wollten die Senatoren durch Gehaltsspenden selbst zur Finanzierung beitragen.Heute könnte das Gelände aber wieder in jenes Schattendasein abdriften, aus dem es erst Anfang der achtziger Jahren hervorgeholt wurde. Damals forderten verschiedene antifaschistische Gruppen, auf dem Gelände, wo Gestapo und SS bis 1945 in Berlin ihr Hauptquartier hatten und das seit 1956 von dem Bauschutt der gesprengten Häuser bedeckt war, eine Gedenk- und Dokumentationsstätte des Naziterrors zu errichten. Der Druck war so groß, dass der Senat 1983 einen Wettbewerb zur Bebauung ausschrieb. Über die verschiedenen Regierungswechsel geriet er aber schon bald wieder in Vergessenheit.Erst vier Jahre später während der Vorbereitung zur 750-Jahrfeier Berlins kam die Idee einer Gedenkstätte erneut auf. Die schnell improvisierte und befristete Ausstellung auf dem Gelände hinter dem Martin-Gropius-Bau war aber so erfolgreich - 100.000 Besucher kamen jährlich -, dass der Senat schließlich gezwungen war, die behelfsmäßige Schau zu überdenken.1992 wurde der Schweizer Architekt Peter Zumthor beauftragt, für 37 Millionen DM an die Stelle der provisorischen Halle einen technisch aufwendigen Neubau zu errichten. Damit begann eine lange Geschichte der Verzögerungen. Kurz nach Baubeginn verkündete der Senat im Januar 1996 eine Verschiebung um vier Jahre bis 2000. Angesichts der verschlechterten Haushaltslage in der wiedervereinigten Stadt, die aber absehbar erst nach 2000 ihren Höhepunkt erreichen würde, sollte das Projekt de facto begraben werden. Das zufällige Treffen Bubis-Diepgen wendete dies noch einmal ab.Obwohl es noch Mitte '97 hieß, der geplante Eröffnungstermin zum 60. Jahrestag der Pogromnacht 1998 werde eingehalten, ist seitdem vor allem von technischen Schwierigkeiten die Rede. 1998 hieß es schon wieder 2000, und heute geht die Bauverwaltung von einer Fertigstellung frühestens im Jahre 2004 aus.Im Kreuzfeuer der Kritik steht inzwischen der Architekt. Er verteure die ganze Sache unnötig, weil er auf Weißbeton bestehe und eine neue Raumaufteilung mit einer aufwendigen Stelen-Konstruktion plane. Statt den ursprünglich geplanten 37 Millionen DM und den dann bis zum vergangenen Jahr genannten 45 Millionen haben sich die Kosten auf 60 bis 70 Millionen erhöht, sagt die Bauverwaltung. Ihr Chef, der SPD-Landesvorsitzende Peter Strieder, hat die Bauarbeiten gestoppt und denkt nun laut darüber nach, nicht nur Peter Zumthor abzulösen, sondern gleich einen neuen Entwurf einzuholen. Obwohl schon drei Treppentürme stehen, gibt es nicht wenige in der Stadt, die befürchten, dass die "Topographie des Terrors" nie vollendet wird.Offenbar fehlt dem Projekt ein neuer Schub, der es gegen eine Gemengelage aus finanzpolitischer Engstirnigkeit, plattem Desinteresse und gesinnungsästhetischen Motiven durchsetzt. Die Berliner Sozialdemokraten, die in der Vergangenheit immer wieder betonten, die geplante Gedenkstätte gegen die CDU zu verteidigen, haben hier mehr zu verlieren. SPD-Wähler dürften stärker an einer Realisierung der Gedenkstätte interessiert sein als die der CDU. Ein Scheitern wäre außerdem eine koalitionsinterne Niederlage der SPD. Aber für den ambitionierten Bausenator Strieder birgt das Projekt große Risiken. Er betont stets den Willen zur Fertigstellung, kann praktisch aber wenig tun. Sein Dilemma: Am liebsten würde er die Gedenkstätte in einer bescheideneren Version retten. Dazu benötigt er eine schnelle Entscheidung für einen neuen Entwurf. Doch schon der Baustopp könnte neues Geld kosten, besonders, wenn die zur Zeit ausführende Firma die Stadt mit millionenschweren Entschädigungsklagen überzieht.Die Nachfolger von Ignatz Bubis können im Moment keinen öffentlichen Druck aufbauen. Nach dessen Tod hat für den Zentralrat der Juden in Deutschland eine innere Umbruchphase begonnen, und die Jüdische Gemeinde zu Berlin ist hoffnungslos zerstritten. So sehr, dass Andreas Nachama schon jetzt angekündigt hat, 2001 nicht mehr für deren Vorsitz zu kandidieren. Stattdessen will er auf seine frühere Position, den Geschäftsführerposten der Stiftung "Topographie des Terrors", zurück. Damit könnte er der Sache aber nicht unbedingt einen Gefallen tun - seit er im Vorstand der sich stärker orthodox ausrichtenden jüdischen Gemeinde in ein paar wichtigen Fragen unterlag, ist Nachama politisch sichtlich angeschlagen. Und die Prioritäten der Gemeinde könnten sich in Zukunft weiter zu Ungunsten der Gedenkstätte verschieben. Andere Probleme, wie die der Integration der russischen Zuwanderer, rücken in den Mittelpunkt.In Berlin könnte bald eine Bauruine mehr stehen. Und wer weiß, was beim Holocaust-Denkmal und seiner Stelenkonstruktion noch alles an Schwierigkeiten entdeckt wird.