Aber hm, die CDU in Thüringen?!

Hans-Georg Maaßen Die jüngste Personalie der Christdemokraten macht es nicht gerade einfacher, eine Haltung zu finden. Zum Osten, zur AfD, zu allem
Ausgabe 18/2021
„Ich bin vor dreißig Jahren nicht der CDU beigetreten, da­mit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen.“ Hans-Georg Maaßen
„Ich bin vor dreißig Jahren nicht der CDU beigetreten, da­mit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen.“ Hans-Georg Maaßen

Foto: Jens Schlueter/AFP/Getty Images

Internet, wie schön! Man kann im Berliner Homeoffice sitzen und doch die ganze Welt verstehen. So einfach! Nehmen wir Hans-Georg Maaßen: Rechtsaußen-Mann der CDU, passt nicht mehr so richtig in die Softie-Partei einer Angela Merkel oder eines Armin Laschet, geht natürlich wohin? In den Osten! Wo die Rechten so leben, wa? Überhaupt Thüringen: Ist da nicht schon ein Björn Höcke aus dem Westen hingegangen, um rechts Karriere zu machen? Eben, und jetzt lässt Maaßen sich dort als Direktkandidat aufstellen. Passt doch alles. Blau, Schwarz, eine Suppe. Oder Wurst. Wie auch immer.

Aber: hm. Wird Thüringen nicht eigentlich rot-rot-grün regiert? Zwar Minderheitsregierung, aber doch ein linker Ministerpräsident, so rechts kann das Land ja nicht sein. Nur ist Maaßen ja nicht irgendwo in Thüringen zum Direktkandidaten gewählt worden, sondern in Südthüringen, das tickt wohl anders als das linke Erfurt: abgehängtes Landleben, so muss man sich das wohl erklären, abgehängt, und wenn einem dann Zugewanderte die Jobs wegnehmen, weiß man es eben zu schätzen, wenn ein Maaßen sagt: „Ich bin vor dreißig Jahren nicht der CDU beigetreten, damit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen.“

Aber: hm. Südthüringen ist gar nicht so abgehängt, schreibt Martin Debes in der Berliner Zeitung, die Innenstädte seien durchsaniert, die Straßen sogar besser als in Bayern. Und von krasser Konkurrenz kann man in den Kreisen, die Maaßen aufgestellt haben, nicht gerade sprechen: Arbeitslosigkeit zwischen 4,5 und sechs Prozent.

Hm. Dann muss es wohl an dieser Thüringer CDU liegen. Die hat doch im Februar 2019 zusammen mit AfD-Stimmen den FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten gemacht, die will eine Zusammenarbeit mit der AfD. Einen „Riesenerfolg“ nannte Maaßen die Wahl damals, denn: „Hauptsache, die Sozialisten sind weg.“ Und dann ist da noch dieser Christian Hirte, der Kemmerich damals gratulierte, daraufhin als Ostbeauftragter der Bundesregierung zurücktreten musste – und nun Vorsitzender der Thüringer CDU ist.

Aber, hm, ebendieser Christian Hirte unterstützt inzwischen die linke Minderheitsregierung, warnte vor Maaßen, warb für Gegenkandidaten. Außerdem sagte nun selbst Maaßen bei seiner Vorstellungsrede in Suhl: „Die AfD vertritt Ziele und Positionen, die mit uns nicht zu vereinbaren sind.“ In Thüringen liegt die AfD bei 23 Prozent, die CDU bei 19, in einem Teil des Wahlkreises, für den Maaßen kandidiert, holte die AfD bei der Landtagswahl sogar das Direktmandat. Und gegen den Wessi Maaßen bringt die AfD nun einen Mann ins Rennen, der immerhin aus Sonneberg kommt. Im Wahlkampf des Wahlkreises 196 geht es erst mal nicht um Zusammenarbeit mit der AfD, sondern um Abgrenzung.

Und hm, hm, dann ist da ja auch noch Frank Ullrich. Wie, Sie kennen Frank Ullrich nicht? Frank Ullrich, der Biathlet! Mehrfacher Olympia-Medaillengewinner aus Trusetal, damals DDR, später Bundestrainer der deutschen Herren-Nationalmannschaft im Biathlon, tritt nun in ebenjenem Wahlkreis für die SPD an – nachdem er das Landtags-Direktmandat 2019 knapp verpasste. Der könnte noch was reißen, da an der mittel-süddeutschen Grenze.

Die Spaltungen, sie gehen quer durch. Quer durch Deutschland, quer durch Thüringen, quer durch die CDU. Quer durch den Wahlkreis Suhl – Schmalkalden-Meiningen – Hildburghausen – Sonneberg.

Hm. Es ist kompliziert.

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Geschrieben von

Elsa Koester

Redakteurin „Politik“, verantwortlich für das Wochenthema

Elsa Koester wuchs als Tochter einer Pied-Noir-Französin aus Tunesien und eines friesischen Deutschen in Wilhelmshaven auf. In Berlin studierte sie Neuere deutsche Literatur, Soziologie und Politikwissenschaft. Nach einigen Jahren als selbstständige Social-Media-Redakteurin absolvierte sie ihr Volontariat bei der Tageszeitung neues deutschland. Seit 2018 ist sie Redakteurin für Politik beim Freitag, seit 2020 für das Wochenthema und die Titelseite zuständig. Sie schreibt am liebsten Reportagen von den Rändern der Republik und beobachtet mit großer Spannung die Umgestaltung des politischen Systems im Grünen Kapitalismus.

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