Ananas-Bikini? Meine Brüste verdienen mehr!

Körper Strandmode kaufen bedeutet Boobie-Krieg. Wer nicht den Normen der Industrie entspricht, hat’s schwer
Ausgabe 29/2021
„Wattierte Bügel-Top mit Tupfen-Print“, Camouflage oder dann doch lieber ganz ohne?
„Wattierte Bügel-Top mit Tupfen-Print“, Camouflage oder dann doch lieber ganz ohne?

Foto: Everett Collection/IMAGO

Ich mag meine Brüste. Ich meine, ich mag ihre Größe, ihre Form, ich mag es, wie sie sich rund und groß machen, um neugierig in die Welt hinauszuplatzen, wenn ich richtig gute Laune habe. Und ich mag es auch, wenn sie müde, welk und unförmig herunterwabbeln, wenn es mir nicht gut geht. Sie machen mir nichts vor. Das finde ich sympathisch.

Jetzt wartet man irgendwie auf das Aber, oder? Nein, da kommt kein Aber. Ich mag meine Brüste so, wie ich meine Hände mag mit den runzeligen Fingern oder meine irre winzigen Kniescheibchen. So hat meine Mutter mich geformt, so bin ich in der Welt, so gefällt mir das.

Und dann kommt der Sommer, und ich möchte ans Meer, und ich möchte einen neuen Bikini.

Es gibt richtig viele richtig schöne Bikinis in richtig vielen Läden. Ich gehe in so einen Laden mit richtig vielen richtig schönen Bikinis. Ich finde einen schönen Bikini, ich blättere die Größen durch, 75B, 75B, 75B, 80B, 80B, 80B, 75C, 80C, 85C, Wand. Na gut, der daneben ist auch ganz okay. 75B, 75B, 75A, 80B, 80B, 80C, 75C, 75 A (sortiert die keiner?!), 80C, 85B, 85C, Wand. Ich gehe alle Bikinis durch. Es gibt im ganzen Laden genau einen in meiner Größe, D. In Zahlen: 1. Er ist hässlich. Ich meine, da ist eine dicke gelbe Ananas drauf. Meine Brüste verdienen keine Ananas.

Ich gehe online. Es gibt richtig viele Läden, die online richtig viele richtig schöne Bikinis haben. Da sind richtig viele Frauen auf den Bildern mit richtig schönen Bikinis. Nur: Woher soll ich wissen, ob die mir auch stehen würden? Auf diesen schönen knackigen Äpfeln da sieht das „wattierte Bügel-Top mit Tupfen-Print“ toll aus, echt. Aber was, wenn dieses Top zwei mittelgroße Honigmelonen halten muss? Größeninfo: Fällt normal aus. Super. Ich klicke auf Größe auswählen. Ich sehe: 36A, 36B, 36C, 38A, 38B, 38C, 40A, 40B, 40C, 42A, 42B, 42C; 38A und 40B sind ausverkauft. Wo ist das D? Ich gehe andere Tops durch. Das Alphabet geht bis C.

Wenn ich mir die Models so anschaue, die Hüften, den Bauch (welchen Bauch?), die Äpfel, dann überlege ich, ob es vielleicht einfach falsch ist, einen D-Bikini zu kaufen. Vielleicht sollte ich lieber ein paar Wochen nichts essen, und dann einen richtigen Bikini kaufen, so einen wie die auf den Fotos hier, für richtige Körper. Oder ich kaufe einen, der ohnehin alles verdeckt. Genau! Einen Badeanzug!

Ich klicke auf „Swim&Beach“ und suche Badeanzüge, da entdecke ich, unter „Shapewear“, die Kategorie: „Große Cups“. Aha! Bislang wusste ich gar nicht, dass meine Cups so groß sind. Ich meine: So unnormal groß, dass sie eine eigene Kategorie brauchen. Ich klicke drauf. Da ist er ja wieder, „Unwattiertes Bügel-Top für Big Cups“! Mit Tupfen-Print! Das Modell hat trotzdem keine besonders großen Brüste. „Das Modell trägt Größe C“, steht unter dem Bild. Okay. Ich klicke auf „Größe wählen“. Und simsalabim, hier geht das Alphabet doch tatsächlich weiter: C, D, E.

Nur ist D leider ausverkauft. Ich klicke auf den anderen okayen Bikini: D ausverkauft. Ich klicke auf die anderen der immerhin noch 28 Bikinis für große Brüste. 80D ausverkauft. Es gibt für mich noch ein Modell: Camouflage. Boobie-Krieg am Strand.

Ich sehe mich nach Eleganz. Ich erinnere mich daran, dass Deutsche eh keine Unterwäsche können, wieso sollten sie in Bademode besser sein? Ich gehe zu einem französischen Dessousgeschäft. Ich klicke auf „Maillots de Bain“. Und siehe da: Bikinis für flache Brüste, Bikinis für große Brüste, Bikinis für Brüste mit ökologischem Bewusstsein, es gibt sogar Bikinis für Brüste nach einer Mastektomie! Schön weich und zart, sexy und elegant, für sie alle, die Knospen unter ihnen, die Crêpes, die Krapfen, die Äpfel, die Honigmelonen, die Wassermelonen, die welk- herunterwabbelnden, die neugierig-platzenden. Vive la France! Liberté toujours.

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Geschrieben von

Elsa Koester

Redakteurin „Politik“, verantwortlich für das Wochenthema

Elsa Koester wuchs als Tochter einer Pied-Noir-Französin aus Tunesien und eines friesischen Deutschen in Wilhelmshaven auf. In Berlin studierte sie Neuere deutsche Literatur, Soziologie und Politikwissenschaft. Nach einigen Jahren als selbstständige Social-Media-Redakteurin absolvierte sie ihr Volontariat bei der Tageszeitung neues deutschland. Seit 2018 ist sie Redakteurin für Politik beim Freitag, seit 2020 für das Wochenthema und die Titelseite zuständig. Sie schreibt am liebsten Reportagen von den Rändern der Republik und beobachtet mit großer Spannung die Umgestaltung des politischen Systems im Grünen Kapitalismus.

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