Antidemokratische Politik

Protest Der CDU-Politiker Armin Schuster will die Rote Hilfe verbieten. Das ist ein Angriff auf die Demokratie
Sieht so antidemokratischer Protest aus? Wohl kaum.
Sieht so antidemokratischer Protest aus? Wohl kaum.

Foto: Morris MacMatzen/Getty Images

„Eine Investition in Sicherheit ist eine Investition in Freiheit“, solche Sätze sagt der CDU-Innenpolitiker Armin Schuster gerne. Aber wenn er sich nach seinen Reden über die Ausweitung der Polizeibefugnisse und die Verschärfung von Überwachung genüsslich setzen will, piekst ihn etwas in den Allerwertesten. Es ist die Rote Hilfe. Der Verein übernimmt Anwalts- und Gerichtskosten für linksradikale Aktivistinnen, bietet also kollektiven Schutz vor staatlicher Verfolgung: Das stärkt die linke Szene. Das muss weg, bedeutet das in Schusters Welt, denn wo der Staat nicht kontrolliert, herrscht Rebellion, und die ist es, die ihm Angst macht. Zurecht. Denn ohne Rebellion kein Widerstand gegen die herrschende Ordnung, kein Widerstand gegen Abschiebung, Hartz IV, Steuerflucht und Überwachung. Ohne Rebellion bleibt von der Linken nur noch: die Kuschel-SPD der CDU. Schuster hat Recht. Die „Rote Hilfe“ ist sein Feind.

Mit der Verbotsforderung reiht sich der CDU-Politiker nach Peter Altmaier und Thomas de Maizière ein, die linksradikale Projekte wie die Rote Flora und Hamburg oder die Rigaer Straße in Berlin schließen wollen. Konkret reagiert Schuster auf die stark wachsende Mitgliedszahlen der Roten Hilfe. Der Wachstum ist recht einfach zu erklären: mit der zunehmenden Kriminalisierung von Aktivisten.

Nach den G20-Protesten in Hamburg hagelte es Anzeigen, nicht aber gegen Beteiligte an den Krawallen im Schanzenviertel, sondern gegen die Organisatoren der linken Proteste. So wurde gegen Emily Laquer von der „Interventionistischen Linken“ wegen Anstiftung zu schwerem Landfriedensbruch ermittelt. Die linksradikale Gruppe hatte Sitzblockaden sowie die Großdemonstration von 175.000 Menschen in Hamburg organisiert. Das Verfahren wurde eingestellt. Ebenso wie die Ermittlungen gegen die Organisatoren der linksradikalen „Welcome to hell“-Demonstration oder den Sprecher der Roten Flora, Andreas Beuth. Die Staatsanwaltschaft musste einsehen, was CDU-Innenpolitiker nicht einsehen wollen: Die Linksradikalen sind keine Gefahr für die Demokratie, die ihnen die Freiheit gewährt, sich zu versammeln, um Protest zu organisieren. Denn anders als die Neonazis und Reichsbürger sind Linksradikale nicht bis unter die Zähne bewaffnet, gründen keine Untergrundorganisation, um Migranten umzubringen, und greifen keine Wohnheime an, in denen geflüchtete Frauen, Männer und Kinder leben. Warum auch? Ihnen geht es um ein solidarisches Zusammenleben.

Die Rote Hilfe stärkt den Mut zur Rebellion

Denn was ist demokratischer als zivilgesellschaftliches Engagement für die nachhaltige Energie, für ein solidarisches Europa oder gegen Europas größten Naziaufmarsch? Aktivistinnen der „Castor Schottern“-Proteste für den Atomausstieg, der „Blockupy“-Proteste gegen die Austeritätspolitik in Europa und der „Dresden Nazifrei“-Proteste gegen Neonazi-Aufmärsche und Pegida sind es, die wegen ihres Einsatzes für eine gerechte und freie Gesellschaft festgenommen und angezeigt wurden, denen die Rote Hilfe die Anwalts- und Gerichtskosten abnahm.

Ohne diese Unterstützung würden sich Aktivistinnen zweimal überlegen, sich am nächsten Protest zu beteiligen, gegen Neonazis, gegen steigende Mieten oder für die Abschaffung von Hartz IV. Die Rote Hilfe stärkt den Mut zur Rebellion. Und ohne den Mut zur Rebellion gibt es keine lebhafte Demokratie, gibt es nur noch das im Recht festgeschriebene Unrecht des Kapitalismus, überwacht und kontrolliert durch die Sicherheitsbehörden. Die „Rote Hilfe“ ist demokratisch. Schusters Polizeistaat ist es nicht.

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Geschrieben von

Elsa Koester

Redakteurin „Politik“, verantwortlich für das Wochenthema

Elsa Koester wuchs als Tochter einer Pied-Noir-Französin aus Tunesien und eines friesischen Deutschen in Wilhelmshaven auf. In Berlin studierte sie Neuere deutsche Literatur, Soziologie und Politikwissenschaft. Nach einigen Jahren als selbstständige Social-Media-Redakteurin absolvierte sie ihr Volontariat bei der Tageszeitung neues deutschland. Seit 2018 ist sie Redakteurin für Politik beim Freitag, seit 2020 für das Wochenthema und die Titelseite zuständig. Sie schreibt am liebsten Reportagen von den Rändern der Republik und beobachtet mit großer Spannung die Umgestaltung des politischen Systems im Grünen Kapitalismus.

Elsa Koester

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