Man will ja nicht immer nur meckern. Monatelang haben wir auf der SPD herumgehackt, dass sie den für Herbst versprochenen Kompromissvorschlag zum Informationsverbot bei Schwangerschaftsabbrüchen nicht hinbekommt. Jetzt bekommt sie ihn hin. Und der Gesetzesentwurf beinhaltet immerhin die dringend geforderte Rechtssicherheit für Ärztinnen. Sowie die Möglichkeit für Frauen, sich darüber zu informieren, welche Ärztinnen überhaupt Abtreibungen durchführen. Na also. Und jetzt nörgeln immer noch alle? Klar!
Weil es eben nicht nur um Rechtssicherheit für Ärzte ging. Allen Beteiligten ging es um mehr. Nämlich um die Frage, wie groß die Hürde sein soll, die Frauen für einen Abbruch der Schwangerschaft überwinden müssen. Die Hürde wurde nun ein winziges Stückchen verkleinert. Aber dass sie überhaupt noch da ist, dass sich Frauen in den ersten drei Monaten nicht aus eigener, gut informierter Abwägung heraus selbstbestimmt und unabhängig gegen eine Schwangerschaft entscheiden können – das ist und bleibt eine entmündigende, anti-aufklärerische Politik.
Dabei galt es mal als gesellschaftlicher Konsens, dass Aufklärung – also Bildung und Wissen – den Ausgang des Menschen aus seiner (laut Kant selbstverschuldeten) Unmündigkeit ausmacht. Gebt den Menschen den Zugang zu allem Wissen, damit sie mündig Entscheidungen treffen können. Mündig, also selbstbestimmt, nach bestem Wissen und Gewissen. Verantwortungsvoll eben.
Unionsverschuldete Unmündigkeit
Die Union will Frauen jedoch unmündig halten, indem sie ihnen Informationen nicht frei zur Verfügung stellen, sondern den Zugang zu ihnen staatlich kontrollieren will. Wer wissen möchte, wie eine Abtreibung bei der Ärztin nebenan eigentlich genau durchgeführt wird, kann nach dem Referentenentwurf für Paragraf 219a nicht einfach auf die Homepage der Ärztin gehen, sondern muss die Bundesärztekammer fragen. Immerhin: Die Union wollte verhindern, dass Frauen jenseits der Schwangerschaftsabbruchberatung überhaupt an diese Informationen kommen. Sie wollte, dass die Information über den Hergang des Abbruchs immer von dem Hinweis begleitet wird, dass sie die Schwangerschaft eigentlich nicht unterbrechen sollte. Dass der deutsche Staat eigentlich will, dass sie den Fötus zum Embryo werden lässt und auf die Welt bringt. Dass die Entscheidung zur Abtreibung gegen die Werte der Bundesrepublik Deutschland verstößt.
Auch wenn diese Gängelung leicht aufgeweicht wurde – der Klick auf die Homepage der Bundesärztekammer ist leichter als der Gang zu der Schwangerschaftsberatung, der aber immer noch Pflicht ist. Der Staat verhindert, dass Frauen sich frei über diesen Eingriff informieren können. Er zwingt sie, über eine Bundesinstitution zu gehen, und gibt ihnen dadurch jenen Hinweis, an dem die Union so dogmatisch hängt, weiterhin mit: Ey, euer Bauch gehört eigentlich der Gesellschaft – und die will eigentlich, dass ihr nicht abtreibt.
Das ist keine Aufklärung, das ist Gängelung. Und die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch ist dadurch keine freie, selbstbestimmte Entscheidung eines aufgeklärten Individuums, sondern wird zur Entscheidung gegen die staatlich institutionalisierte Moralvorstellung, dass die Rechte eines Zellhaufens und dann Fötus auch in den ersten drei Monaten stärker geschützt gehört als die Frau, in deren Bauch er sich befindet.
Die SPD versagt
Bei mir um die Ecke gab es lange Zeit eine Berliner Apotheke, die die Verhütungspille nur zusammen mit einem Flyer herausgegeben hat. Er informierte mich darüber, dass die normale Pille (nicht die Pille danach!) aufgrund der Hormonkombination auch „abtreibend“ wirken kann. Es bestünde die Möglichkeit, dass die Einnistung einer schon befruchteten Zelle durch die Hormone verhindert wird, weil sie den Aufbau von Gebärmutterschleimhaut unterdrückten. Und die befruchtete Zelle – werdendes Leben! – dann im Klo verschwinde. Gut, ich habe mir die Pille einmal dort geholt und dann nie wieder. Ich hatte keine Lust darauf, mein Verhütungsverhalten von christlichen Fundamentalisten kommentieren zu lassen.
Alle Frauen in Deutschland müssen ihre Überlegungen über einen Schwangerschaftsabbruch nun weiterhin vom Staat kontrollieren lassen. Der Zugang zu politisch neutralen medizinischen Informationen direkt beim Arzt bleibt ihnen verwehrt. Ein feiner Kompromiss ist das: Man ist sich darüber einig geworden, dass schwangere Frauen keine voll mündigen, vernunftbegabten Wesen sind. Aufgabe der SPD wäre es jedoch gewesen, den Ausgang der Frauen aus ihrer unionsverschuldeten Unmündigkeit zu ermöglichen.
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