Es ist die Zivilisation, Dummerchen

CO2 Kann der Sozialismus die Klimakrise lösen? Das ist nicht ausgemacht. Die Logik einer klimaschonenden Wirtschaftsweise entzieht sich dem Denken in zwei Wirtschaftssystemen
Ausgabe 31/2019
Wie mit der Klimakrise umgegangen werden muss, steht in den Wolken
Wie mit der Klimakrise umgegangen werden muss, steht in den Wolken

Foto: Imago Images/Aurora Photos

Zehn Jahre schon läuft die Klimadebatte, nun kommt sie auch in der Öffentlichkeit an – irgendwie. Da fordert der Linkspartei-Chef Bernd Riexinger die Verstaatlichung der Fluggesellschaften zur Reduktion der CO₂-Emissionen; da antwortet die FAZ, dass in der DDR doch auch zu viel CO₂ ausgestoßen wurde, und die Süddeutsche folgert, dass der Kapitalismus also gar nicht schuld am Klimawandel sei. Es tut so weh.

Die Debatte war längst weiter. 2014 schrieb der Klimaexperte Tadzio Müller für die Rosa-Luxemburg-Stiftung, staatssozialistische Wirtschaften seien oft „noch umweltschädlicher als die des Westens“ gewesen, was „in ihrem Projekt der nachholenden industriellen Entwicklung begründet“ liege. Auf diese Weise setzte sich der kapitalistische Wachstumszwang in der „Systemalternative“ indirekt fort. Insofern hat Alexander Armbruster in der FAZ recht: Wenn Flugunternehmen „dem Staat“ gehören, heißt das noch nicht, dass sie ressourcenschonender wirtschaften.

Das behauptet aber auch keiner. Die Linkspartei beschreibt in ihrem Konzeptpapier zur Klimapolitik das Erfordernis einer demokratischen Umorganisierung der für die gesellschaftlichen Bedarfe zentralen Felder wie Mobilität oder Energie. Die Idee: Wenn sich die Produktionsweise schnell ändern muss, damit eine Klimakatastrophe verhindert wird – was wohl im Interesse des Gemeinwohls liegt –, dann muss es dieser Gesellschaft möglich sein, demokratisch auf die Produktion Einfluss zu nehmen. Marktwirtschaftliche Mechanismen führten in die andere Richtung: Die Privatisierung der Bahn hatte massiven Schienennetzrückbau („unrentable Strecken“) zur Folge. Die Linke will Unternehmen demokratisieren, um ihr Wirtschaften am Gemeinwohl orientieren zu können; auch unrentable Strecken muss die Bahn befahren.

Dass die Demokratisierung der Wirtschaft aber nicht die Lösung für alle klimapolitischen Probleme ist, zeigt das Beispiel der Fluggesellschaften: Was soll der Staat als Besitzer denn machen? Weniger Flüge anbieten? Auch das funktioniert doch nur, wenn die Bevölkerung damit einverstanden ist, weniger zu fliegen; der Staat kann dies fördern, aber nicht erzwingen, das zeigen die Gelbwesten. Der Klimaschutz kann also Teil einer Gemeinwohlorientierung sein, andere soziale Interessen wie der Erhalt von Arbeitsplätzen oder bezahlbare Mobilität können mit ihm aber im Konflikt stehen. Das weiß die Linke, deren Parteizentrale von Greenpeace wegen ihrer Braunkohle-Politik in Brandenburg unlängst besetzt wurde.

Die Logik einer klimaschonenden Wirtschaftsweise entzieht sich dem bisherigen Denken in zwei Wirtschaftssystemen. Es geht um Wachstum oder Postwachstum, nicht um Marktwirtschaft oder Wirtschaftsdemokratie. Es geht um den Bruch mit einer imperialen Lebensweise, die seit der Kolonialzeit Wirtschaft und Kultur im globalen Norden prägt.

Wie dieser Bruch aussieht? Keine Ahnung! Zielführender als das Verstecken hinter alten Wahrheiten könnte es jedoch sein, sich fragend vorzutasten: Wo können Wirtschaftsdemokratie und technologische Innovation ineinandergreifen, um in Richtung Postwachstum zu führen? Wo muss dabei der Konflikt mit dem Kapital geführt werden – wo geht es eher um die Änderung der gewohnten Lebensweise, gar: um Verzicht (auch, aber längst nicht nur „bei den Reichen“)? Wir scheinen es nicht mit einer Systemkrise zu tun zu haben, sondern mit einer Zivilisationskrise. Wenn das stimmt, kennt keiner den Weg.

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