Für mehr böse Kapitalistinnen!

Frauenquote Mehr Frauen in den Aufsichtsräten sind zwar keine gute Sache für den Klassenkampf – aber für den Feminismus
In Sachen Aufstiegschancen dürfen sich Frauen nach wie vor mitgemeint fühlen
In Sachen Aufstiegschancen dürfen sich Frauen nach wie vor mitgemeint fühlen

Foto: Frank Sorge/Imago

Die meisten Linken können mit einem „Managerinnen-Barometer“ nicht viel anfangen. Auch linke Feministinnen nicht. Das Barometer des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) erhebt den Frauenanteil in deutschen Unternehmen und zeigt aktuell, dass er in den Aufsichtsräten der 100 umsatzstärksten Unternehmen dank Quote um gut drei Prozent auf 28,4 Prozent gestiegen ist. ,Na und? Was kümmert uns der Frauenanteil in Großunternehmen, während Pflegerinnen zu Dumpinglöhnen arbeiten?‘, fragen linke Feministinnen, und überhaupt: ,Was kümmert uns die Zusammensetzung in kapitalistischen Unternehmen, wo wir den ganzen Kapitalismus ablehnen?‘ Dabei ist die Frauenquote eine gute Sache. Nicht für den Antikapitalismus. Aber für den Feminismus.

Das hier soll kein Plädoyer für die Trickle-down-Theorie sein. Mehr Frauen in der Führung von Großunternehmen führen nicht automatisch dazu, dass auch unten im Unternehmen – oder „unten“ in der Gesellschaft – Frauen mehr verdienen und Gleichberechtigung erreicht wird. Aber natürlich sind mehr Frauen an der Spitze besser als nur Männer an der Spitze. Nicht weil sie ihre Unternehmen irgendwie sozialer führen würden oder weniger kapitalistisch. Wer an die Spitze kommt, macht das Gleiche, was andere zuvor an der Spitze gemacht haben. Man folgt der Marktlogik, das Geschlecht spielt dabei eine nachrangige Rolle.

Es geht schlicht um Gerechtigkeit, Gleichstellung und Repräsentation. Warum sollten nur Männer das Privileg haben, an Machtpositionen zu kommen? Warum sollten nur Männer das Privileg haben, jene Jobs im Kapitalismus zu bekommen, die extrem gut bezahlt sind? Ja, Linke wollen, dass es diese Jobs so gar nicht gibt – schon richtig. Aber wenn es sie faktisch gibt, dann gibt es auch keinen Grund für Linke, es blöd zu finden, wenn Frauen auch an sie herankommen. Oder will man Frauen lieber als „gute“ Menschen behalten, als Hüterinnen der Moral? Und sie deshalb aus dem Kapitalismus raushalten? Keine gute Idee. Diese moralische Erhöhung ist genau so sexistisch wie der Wunsch, Frauen als gute Mütter und Hüterinnen der Familie zu halten. Frauen sind moralisch kein bisschen besser. Und das ist gut so. Jede andere Vorstellung des Weiblichen ist entmündigend.

So klein sie auch sein mögen, es gibt Gründe, das Vorrücken von Frauen an die Spitze gut zu finden. Und sei es nur, weil dann alle sehen – Jungs und Mädchen, Männer und Frauen –, dass Frauen auch taffe Entscheiderinnen sein können, Respekt und Ansehen genießen können, erfolgreich sein können, in einer Gesellschaft, die gerade nun einmal so ist, wie sie ist. Hilft es antikapitalistischen Argumentationen, wenn nur böse Männer die Kapitalisten sind? Wohl kaum. Auch böse Frauen müssen Kapitalistinnen sein dürfen.

Zugegeben ist es ein bisschen schade, wenn Frauen einfach genau das machen, was Männer bislang taten. Wenn sie die Gesellschaft nicht verbessern, sondern nur selbst daran mitwirken, sie so zu reproduzieren, wie sie ist. Mir persönlich ist ein Feminismus lieber, der dieses System in Frage stellt, das – mal abgesehen von der Profitgewinnung von Unternehmen – manche Arbeiten mit extrem viel Geld entlohnt, während andere, für die Gesellschaft viel wichtigere Arbeiten wie Erziehung, Pflege und Gesundheitsdienste, mies bezahlt werden. Mir ist ein Feminismus lieber, der die Leistungslogik in frage stellt. Der sich nicht zu lange mit Fauenquoten an Unternehmensspitzen aufhält, sondern mehr Energie darauf verwendet, Sorge- und Lohnarbeiten gesellschaftlich umzuverteilen. Denn, wenn diese Umverteilung zu Ende gedacht ist, rückt man damit nicht nur dem Patriarchat zu Leibe, sondern eben auch dem Kapitalismus. Eine Logik der Gesellschaftlichkeit muss zwangsläufig mit der Profitlogik brechen. Mir ist ein linker Feminismus lieber.

Aber feministische Kämpfe schließen sich eben nicht gegenseitig aus. Und es gibt kein ,Erst schaffen wir den Kapitalismus ab, dann kämpfen wir gegen das Patriarchat‘. Alle Kämpfe müssen jetzt stattfinden – wann denn sonst? Also lasst die neoliberalen Leistungsfeministinnen doch für die Quote kämpfen, die dem Feminismus am Ende nicht schadet, und dem Klassenkampf übrigens auch nicht. Lasst die Frauen der ein Prozent weiter dafür kämpfen, dass Frauen nicht nur in die Aufsichtsräte kommen, sondern auch in die Vorstände, wo sie bislang noch immer nicht ankommen. Sie werden zumindest beweisen, dass Frauen alles können, was Männer können. Derweil bereiten linke Feministinnen eben den Frauenstreik am 8. März vor und zeigen, was sie sonst noch drauf haben: an der Utopie einer Gesellschaft arbeiten, die die Sorge umeinander in den Mittelpunkt stellt, nicht die Leistung und den Profit. Wozu zwischen dem Feminismus der 99 Prozent und dem der ein Prozent wählen? Einfach alle rauf auf das Patriarchat.

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