Giorgia Meloni will mehr Bio-Italiener: Zeit für ein Hodenministerium!

Meinung Italiens neue rechte Regierung benennt das Familienministerium um in „Familie, Natalität und Gleichstellung“. So wird mit Frauenkörpern Politik gemacht. Dabei ist es die männliche Fruchtbarkeit, die sinkt
Ausgabe 43/2022
Demonstrant:innen gegen die rechte Politikerin Giorgia Meloni
Demonstrant:innen gegen die rechte Politikerin Giorgia Meloni

Foto: IMAGO / NurPhoto

Dass der Staat in den Körpern seiner Bevölkerung Politik macht, sorgte in der Pandemie für heftige Abwehrreflexe. Eine Impfpflicht? Darf der Staat uns zwingen, ein Serum in unsere Körper zu spritzen? Eine Maskenpflicht? Woher nimmt sich der Staat das Recht, unsere Atmung einzuschränken?! Im Körper, da waren sich Corona-Spaziergänger einig, ist Schluss mit Politik.

Dabei hat die politische Rechte mit politischen Zugriffen auf Körper sonst keine so großen Bauchschmerzen – zumindest, wenn es um gebärmuttertragende Körper geht. Die postfaschistische italienische Regierungspartei Fratelli d’Italia machte mit Gebärmutter-Politik Wahlkampf: Die Stärkung der Geburtenrate war der erste Punkt im Wahlprogramm, und so benennt die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni das „Ministerium für Gleichstellung und Familie“ nun in „Ministerium für Familie, Geburtenrate und Gleichstellung“ um. Frauenpolitik wird Geburtenpolitik.

Italien hat seit Jahren eine rückläufige Demografie. Und wo Einwanderung nicht als Lösung gesehen wird, sondern als Bedrohung für eine „nationale Identität“, müssen natürlich mehr kleine Bio-Italiener her, um das Land am Laufen zu halten. „Die Familie ist das Grundelement der Gesellschaft und das, ‚was eine Nation wirklich souverän und geistig stark macht‘“, so schreibt es Melonis Partei im Wahlprogramm fest und zitiert dabei Papst Johannes Paul II. Ultrarechte Bevölkerungspolitik und christliche Ideologie treffen sich im Frauenleib, dessen Aufgabe es ist, Mutterleib zu werden, dessen Aufgabe es ist, die Nation zu stärken. Aus dieser Perspektive ist Abtreibung ein antipatriotisches Verbrechen. Es ist diese Verbindung zwischen Gebärmutter und nationalistisch-völkischer Ideologie, die Frauenkörper weltweit zum Austragungsort politischer Kämpfe macht: In Polen ließ die rechte PiS-Regierung Abtreibung de facto gänzlich verbieten; in den USA kippte der Oberste Gerichtshof das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Wer über den eigenen schwangeren Körper selbst bestimmt, wandert in einigen Staaten in den Knast.

Nun versprach Meloni, Abtreibung nicht zu verbieten – sondern die Beratung zu verschärfen. Die Umbenennung des Gleichstellungsministeriums in Italien zeugt dennoch von einer Politik, in der Familiengründung in erster Linie als etwas gesehen wird, das von guten sozialen Bedingungen für die – in Frauen befindliche – Gebärmutter abhängt. Noch ehrlicher wäre ein anderer Name gewesen: Uterus-Ministerium.

Wo bleibt der Aufschrei bei Maskenbekämpfern, Impfgegnern und Körper-Freiheitskämpfern? Man könnte die christliche Ideologie „Seid fruchtbar und mehret euch!“ ja auch von anderer Seite her betrachten: Die Spermienzahl pro Mann ist in westlichen Ländern zwischen 1973 und 2011 von 99 Millionen Spermien in einem Milliliter auf nur noch 47 Millionen gesunken, es droht männliche Unfruchtbarkeit. Als Gründe vermuten Wissenschaftlerinnen die Strahlung von Smartphones und Laptops sowie Chemikalien aus Lebensmittelverpackungen. Sollte ein Natalitätsministerium da nicht politisch tätig werden? Der Staat könnte das Aufbewahren von Handys in der Hosentasche unter Strafe stellen! Oder Laptops auf dem Schoß. Oder zu enge Jeans. Kleidervorschriften für Männer, zum Wohle der Bevölkerung! Nein? Wiegt der Schutz von Spermien nicht schwerer als das Selbstbestimmungsrecht eines Mannes? Es wäre interessant, wer alles auf den Barrikaden stünde, würde das Familienministerium nicht zum Uterus-, sondern zum Hoden-Ministerium.

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Geschrieben von

Elsa Koester

Redakteurin „Politik“, verantwortlich für das Wochenthema

Elsa Koester wuchs als Tochter einer Pied-Noir-Französin aus Tunesien und eines friesischen Deutschen in Wilhelmshaven auf. In Berlin studierte sie Neuere deutsche Literatur, Soziologie und Politikwissenschaft. Nach einigen Jahren als selbstständige Social-Media-Redakteurin absolvierte sie ihr Volontariat bei der Tageszeitung neues deutschland. Seit 2018 ist sie Redakteurin für Politik beim Freitag, seit 2020 für das Wochenthema und die Titelseite zuständig. Sie schreibt am liebsten Reportagen von den Rändern der Republik und beobachtet mit großer Spannung die Umgestaltung des politischen Systems im Grünen Kapitalismus.

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